Aktionärstreffen Investoren verlieren Geduld mit Thyssenkrupp-Chefin Merz

Verkauft Thyssenkrupp seine Aufzugsparte, verliert der Konzern auch seine lukrativste Sparte. Quelle: REUTERS

Das Aktionärstreffen von Thyssenkrupp wird zum Spießrutenlauf für die neue Chefin des angeschlagenen Konzerns. Aktionäre fordern eine Dividende und Investoren raten Martina Merz vom Komplettverkauf der Aufzugssparte ab.

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Selten hat eine neue Chefin so viel Lob von allen Seiten erhalten wie Martina Merz als sie im Oktober vergangenen Jahres vom Aufsichtsrat an die Spitze des Vorstands von Thyssenkrupp rückte. Merz habe das Zeug, Thyssenkrupp zu retten, hieß es von allen Seiten. Lobende Worte für die Top-Managerin kamen von der Gewerkschaft IG-Metall wie von der Krupp-Stiftung. Selbst von den sonst so kritischen US-Hedgefonds Elliott und Harris Associates, die beide Anteile am Konzern halten, kam kein kritisches Wort zum erneuten Personalwechsel an der Führungsspitze des angeschlagenen Essener Industriekonzerns.

Doch inzwischen, nach gut drei Monaten an der Spitze von Thyssenkrupp, werden Anleger und Investoren ungeduldig mit Merz. Den Verkauf oder Börsengang der Aufzugssparte des Konzerns hatte schon ihr Vorgänger Guido Kerkhoff vorbereitet. Eine Entscheidung hat auch Merz noch nicht getroffen. Auf dem Anlegertreffen muss sich die 57-Jährige auf harte Kritik gefasst machen, weil auch sie immer noch keinen Sanierungsplan für den angeschlagenen Industriekonzern vorlegen kann. 

Der Unmut der Aktionäre über die miserable Lage des Konzerns ist groß. Nach dem Nettoverlust von 260 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr ist die Dividende gestrichen. Mau war sie eh schon mit 15 Cent je Aktie in den vergangenen Jahren. Insgesamt hat Thyssenkrupp das vergangene Geschäftsjahr mit Finanzschulden in Höhe von 7,4 Milliarden Euro abgeschlossen. Dazu drücken Pensionsverpflichtungen von fast neun Milliarden Euro auf die Bilanz.

Schonungslos hatte Merz auf der Bilanzpressekonferenz im November vergangenen Jahres die Lage des Konzerns analysiert. Der aus dem Leitindex Dax geflogene Konzern werde auch in diesem Geschäftsjahr 2019/2020 keinen Gewinn einfahren, kündigte sie schon an. Merz will das Unternehmen umbauen, und dreht dafür in Essen gerade jeden Stein um.

Im Zentrum des Umbaus steht dabei der geplante Verkauf der Aufzugssparte – die Perle des Konzerns. Der Verkauf des auf einen Wert von über 15 Milliarden Euro geschätzten Geschäfts soll Spielraum für die Sanierung und für Investitionen in andere Geschäfte geben – vor allem in das neue Kerngeschäft, den Stahl.

Im Bieterwettkampf, der nun erst spätestens im März entschieden werden soll, sind neben dem finnischen Konkurrenten Kone Konsortien von Finanzinvestoren, darunter ein von der RAG-Stiftung unterstütztes Bündnis von Cinven und Advent. Noch immer steht offenbar nicht fest, ob Thyssenkrupp das Geschäft komplett oder in Teilen verkauft oder aber doch einen Börsengang plant.

Der finnische Aufzugshersteller Kone hatte Mitte dieser Woche rund 17 Milliarden Euro für die Sparte Thyssenkrupp Elevator geboten. Kone hat sich mit dem Finanzinvestor CVC zusammengetan. Weil die anderen Finanzinvestoren keine langwierige Prüfung der Kartellbehörden zu befürchten haben, wollte Kone offenbar die Angebote der konkurrierenden Finanzinvestoren um rund eine Milliarde Euro überbieten, heißt es aus Finanzkreisen.

Kone müsse erstmal ein schlüssiges Konzept vorlegen, betonte IG Metallchef Knut Giesler, stellvertretender Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Elevator. Kone betonte, das Angebot sei unverbindlich. Bei einem möglichen verpflichtenden Angebot könnten sich die Bedingungen noch ändern.

Wer in die Schlussrunde kommt, ist noch nicht klar. Thyssenkrupp fährt offiziell aber noch zweigleisig und prüft neben einen Verkauf auch einen Börsengang der Sparte. Spätestens bis Ende März will sich Thyssenkrupp für einen Bieter entscheiden.

Auch Merz kann bei Thyssenkrupp nicht schnell entscheiden 

Investoren verlieren langsam ihre Geduld mit Merz. Aus Finanzkreisen ist zu hören, es wäre sinnvoll, das Aufzugsgeschäft nicht sofort komplett an einen Finanzinvestor zu verkaufen, sondern eine Minderheit bei Thyssenkrupp zu belassen. Denn ist die einzige renditestarke Sparte verkauft, dann bleiben unter dem Dach von Thyssenkrupp nur noch sanierungsbedürftige Geschäfte. Was bleibt von Thyssenkrupp am Ende dann überhaupt noch übrig? Für Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), ist deshalb der Verkauf der Aufzugssparte „die beste und die schlechteste Lösung für Thyssenkrupp.“ 

Kritisch äußern sich Beteiligte zum Verkaufsprozess der Aufzugssparte. Der Prozess gestalte sich unter Merz unstrukturiert, heißt es aus Finanzkreisen. Er dauere zu lange, es redeten zu viele Leute mit unterschiedlichsten Interessen mit. „Wie schon immer bei Thyssenkrupp sind zu viele Köche beteiligt, die unterschiedliche Interessen verfolgen“, sagt ein Beteiligter aus Finanzkreisen. Jetzt redeten alle nur über die Aufzüge, obwohl es im Stahl lichterloh brenne. Denselben Fehler habe Merz Vor-Vorgänger Heinrich Hiesinger gemacht. Der habe sich jahrelang nur mit der Stahlfusion beschäftigt, ohne sich um die anderen angeschlagenen Sparten zu kümmern. „Der Prozess rund um den Verkauf der Aufzugssparte ist für alle Beteiligten, auch für das Unternehmen, sehr frustrierend“, heißt es in Finanzkreisen. Merz hatte sich vorgenommen, schnell zu entscheiden. „Aber offenbar funktioniert das auch mit ihr an der Spitze in Essen nicht“, sagt ein Beteiligter.

Anlegerschützer Tüngler will den Aufsichtsrat auf der Aktionärsversammlung nicht entlasten. In dem Kontrollgremium herrsche offenbar Orientierungslosigkeit, die zu sehr kostspieligen Personalwechseln und einem strategischen Zickzackkurs geführt habe, sagt Tüngler. Es sei unklar, warum Merz Vorgänger Guido Kerkhoff habe gehen müssen, und er nach nur einem Jahr als Konzernchef eine Abfindung von 6,5 Millionen Euro bekommen. „Das große Rätsel ist, was macht Frau Merz anders als Kerkhoff? Und wer kommt nach ihr, wenn sie Ende September wieder geht?“

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