Aktivistische Investoren Nach Hiesingers Abgang: Welchen Manager erwischt es als nächtes?

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Gefährdete Manager, Gruppe 3: Lästig, aber nicht gefährlich

Zu dritten Gruppe gehören jene Unternehmen, bei denen aktivistische Investoren allenfalls lästig, aber dem Management nicht wirklich gefährlich werden können. So hat beispielweise Arno Walter, der Chef der Comdirect, deutlich weniger zu befürchten. Mit Petrus Advisers hat zwar auch die Commerzbank-Tochter einen Aktivisten im Nacken. Dessen Anteil an der Quickborner Direktbank ist aber mit unter drei Prozent verschwindend gering. Die Commerzbank hält mit 82 Prozent die überwiegende Mehrheit der comdirect-Aktien. Trotzdem macht Petrus immer wieder mit Forderungen auf sich aufmerksam.

Im September 2017 bekam Commerzbank-Chef Martin Zielke das erste Mal Post von Petrus, Ende Februar legte der Aktivist in einem weiteren Brief noch mal nach. In der Zwischenzeit, so heißt es in einer Präsentation von Petrus, habe der Investor seine „qualifizierte Minderheitsbeteiligung ausgebaut“.

Im zweiten Brief bemängelt Petrus unter allem, die Commerzbank habe bisher überhaupt nicht auf das erste Schreiben reagiert. Petrus moniert, die Kostenquote der comdirect sei für eine Direktbank zu hoch. Die comdirect muss 75 Cent ausgeben, um einen Euro zu verdienen. Konkurrenten wie Fintechs oder die ING-Diba seien da besser aufgestellt, erklärt Petrus.

Zudem bemängelt Petrus die Strukturen. Der Aufsichtsrat der comdirect brauche unabhängige Mitglieder – aktuell sind drei der sechs Posten von Commerzbank-Vertretern besetzt. Um seinen Forderungen noch mehr Ausdruck zu verleihen, hat Petrus eigens eine eigene Webseite mit dem vielsagenden Namen wakeupcomdirect.com ins Leben gerufen.      

Trotz der Petrus-Kampagne muss comdirect-Chef Walter wenig fürchten. Trotz ihrer vergleichsweise hohen Kosten konnte die Bank ihren Gewinn im ersten Quartal um knapp sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. Walters Vertrag wurde gerade erst bis ins Jahr 2023 verlängert. Kein Wunder, sitzt doch mit Commerzbank-Privatkundenvorstand Michael Mandel einer von Walters langjährigen Weggefährten an der Spitze des comdirect-Aufsichtsrats. Beide kennen sich schon aus der gemeinsamen Zeit bei der Dresdner Bank. Ebenfalls ein Teil des Trupps ist der Adressat des Petrus-Briefs, Martin Zielke. Die Chancen, dass Petrus bei der comdirect tatsächlich für großen Wirbel sorgen kann, sind also gering.    

Mitunter ist der Wirbel, den ein Investor erzeugt, groß, aber die Folgen für ihn selbst negativ. Dass aktivistische Fonds nicht per se die Bewertung ihrer Beteiligungen in die Höhe treiben, zeigt das Bespiel Bilfinger. Der Großaktionär Cevian, der 2011 bei Bilfinger eingestiegen war, hält knapp 30 Prozent am Bau- und Dienstleistungskonzern aus Mannheim. Unter der tatkräftigen Mitwirkung des schwedischen Finanzinvestors wurde das Traditionsunternehmen in den vergangenen Jahren komplett zerlegt: Das profitable Baugeschäft wurde ebenso verkauft wie Töchter der einstigen Krisensparte Power. Unter dem jetzigen Chef, dem britischen Öl- und Energiefachmann Tom Blades, will das Unternehmen in diesem Jahr wieder Gewinn schreiben; zuletzt gab es einen zweistelligen Millionenverlust bei vier Milliarden Euro Umsatz. Die Zahl der Mitarbeiter halbierte sich seit Ausbruch der Krise auf gut 35 000. 

Dabei hatten es die schwedischen Finanzinvestoren zunächst mit gewaltigen Beharrungskräften zu tun. Cevians Deutschland-Statthalter Jens Tischendorf, obwohl schon Großaktionär, durfte 2013 dem Aufsichtsrat nicht mal seine Analysen zu Bilfinger präsentieren. Aufsichtsratschef Bernhard Walter, berichtete ein Augenzeuge, habe das schlicht nicht gestattet. „Herr Tischendorf ging fehl, als er glaubte, man könne Bilfinger über betriebswirtschaftliche Kennzahlen optimieren, ohne das eigentliche Geschäft richtig zu verstehen“ – die Rückschau von Ex-Bilfinger-Vorstand Klaus Raps macht die Haltung des damaligen Managements ziemlich klar. Misere und Chaos lasten Exmanager auch Cevian an. Seit inzwischen vier Jahren muss Bilfinger zudem wegen früherer Korruptionsfälle unter Aufsicht des US-Justizministeriums sein Compliance-System reformieren.

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Worum es geht, erläuterte Aufsichtsratschef Eckhard Cordes schon in den ersten Minuten des Aktionärstreffens vor wenigen Wochen: In einer fast zweijährigen Untersuchung durch die Rechtsanwaltskanzlei Linklaters habe sich gezeigt, dass es in den Jahren 2006 bis 2015 nach Meinung der Prüfer zu Pflichtverletzungen beim Aufbau von Systemen für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften - im Jargon Compliance genannt - gekommen sei. „Hierbei möchte ich unterstreichen, dass der Vorstand zu einer solchen Prüfung gesetzlich verpflichtet ist“, sagte Cordes, der bei Bilfinger den Großaktionär Cevian vertritt. Derzeit werde geprüft, in welcher konkreten Höhe Schadensersatzansprüche gegenüber einzelnen ehemaligen Vorstandsmitgliedern bestünden und durchgesetzt werden könnten. Die betroffenen Vorstände würden Gelegenheit erhalten, sich zu rechtfertigen. Auch Koch wird das Thema also vorerst nicht los, zumal er als einer der ehemaligen Vorsitzenden zu den Hauptbetroffenen zählt. 

Als Retter hatte Cevian Eckhard Cordes nach Mannheim entsandt. Der ehemalige Daimler- und Haniel-Top-Manager wurde Aufsichtsratsvorsitzender bei Bilfinger. Doch Cordes vermasselte erst mal seine Hauptaufgabe, nämlich die Besetzung des Chefpostens. Als Nachfolger des bei dem Krisenkonzern überforderten Expolitikers Roland Koch inthronisierte Cordes den Norweger Per Utnegaard – und musste ihn nach nur zehn Monaten Amtszeit wieder vom Hof jagen. Im zweiten Anlauf klappte es dann offenbar. Jedenfalls führst seit Juni 2016 der frühere Linde-Vorstand Tom Blades Bilfinger. Der Brite musste zwar 2017 auch eine Gewinnwarnung herausgeben, hat aber den von drei auf eine Sparte reduzierten Industriedienstleister einigermaßen stabilisiert. 

Anleger, die Cevian folgten, büßten seit 2011 ein Drittel ihres Geldes ein. Auch Cevian selbst hat viel Geld in Mannheim versenkt. Ein Ausstieg ohne Happy End ist deshalb angeblich keine Option für Cevian-Gründer Förberg. So wie auch bei Thyssen. In Cevian-Kreisen heißt es: „Wir machen, was gemacht werden muss, bis Bilfinger ein starkes Unternehmen geworden ist.“ Das kann dauern. Erst 2020 will Tom Blades die Marge von Bilfinger wieder auf fünf Prozent Gewinn vom Umsatz getrimmt haben.

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