Alexander Sixt im Interview Warum Sixt bei Drive Now aussteigt

Der Vorstand von Deutschlands größtem Autovermieter Sixt spricht im Interview über den Ausstieg bei Drive Now, die Folgen der Dieselkrise, fehlende Elektroautos für ihre Flotte und die Expansion in den USA.

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Der Autovermieter geht eigene Wege. Quelle: dpa

Pullach Im Büro von Alexander Sixt hängt eine große Fotografie vom Sieg der Isländer gegen die Engländer bei der Fußball-Europameisterschaft 2016. In fetten Lettern steht darauf: „It always seems impossible until it's done“. Der Kleine, der den Großen besiegt, um das schier Unmögliche zu erreichen – das gefällt dem ältesten Sohn des Firmengründers Erich Sixt. Denn es beschreibt den Anspruch und auch den Erfolg des Autovermieters. Und das Unternehmen hegt große Pläne, wie Alexander Sixt im Interview verrät.

Herr Sixt, warum sind Sie bei Drive Now ausgestiegen?
Drive Now ist ein toller Erfolg und es bleibt immer mit Sixt und mir verbunden. Dennoch: Wir glauben, dass Carsharing nur ein Puzzleteil des gesamten Mobilitätsspektrums ist. Ich gehe davon aus, dass im Mobilitätsmarkt der Zukunft aktuelle Produktangebote wie zum Beispiel Autovermietung, Ride-Hailing und eben Carsharing miteinander verschmelzen werden. So erfolgreich der Ausbau von Drive Now mit 6000 Fahrzeugen auch war: Wir können nun ein integriertes Produkt mit 215.000 Fahrzeugen weltweit von Sixt aufbauen.

Sie starten ihr eigenes Carsharing?
Nein, wir wollen kein weiteres Carsharing-Produkt unter einer neuen Marke aufbauen. Unser Kunde soll ins Auto einsteigen und es für jeden Anwendungszweck nutzen können.

Also auch für eine Kurzfristmiete wie beim Carsharing, die Sie aber noch gar nicht im Angebot haben…
Ja, weil wir dies bisher über Drive Now abdecken.

Das heißt, es war ihnen vertraglich untersagt?
Wir können natürlich Vertragseinzelheiten nicht nennen. Wichtig ist, dass Sixt künftig frei agieren kann. Wir planen, bislang eigenständige Angebote zukünftig unter einem Dach und unter einer Marke zu verbinden und zu integrieren. Inwieweit das auch stationsungebundenes Carsharing umfasst, möchte ich an dieser Stelle noch offen lassen.

Aber Sie werden jetzt Konkurrent von Drive Now?
Ach, wissen Sie, Konkurrenten sind wir faktisch doch schon von jedem Hersteller. Es gibt so etwas wie VW Rent, Euromobil, BMW on Demand, Mercedes Rent, Car2Go.

Aber das sind doch Nischen!
Naja, vereinzelte Anbieter haben heute schon mehr Fahrzeuge als Drive Now.

Also keine Differenzen mit BMW?
Überhaupt nicht, die Stimmungslage zwischen BMW und uns ist prächtig. Die Zusammenarbeit wird ja fortgesetzt, durchaus auch im Interesse von BMW. Sonst würden wir zum Beispiel nicht weiter die Software liefern, und im Bereich Autovermietung ist und bleibt BMW unser strategischer Partner, mit dem wir umfangreiche Marketingkooperationen zu Gunsten von BMW und Sixt betreiben.

Trotzdem treten sie in Konkurrenz…
Der Markt ist doch so riesig. Es gibt weltweit eine Milliarde Fahrzeuge mit einer Auslastung von vier Prozent. Bei dieser gewaltigen Marktgröße ist Platz für viele Spieler. In einer mobilen Welt, die sich komplett neu erfindet, können wir es im Gegenteil nur begrüßen, wenn BMW, Daimler und andere Hersteller zu Mobilitätsanbietern werden.

Gegen wen treten Sie dann an?
Wir wollen den privaten PKW-Besitz reduzieren. 30 Prozent des öffentlichen Raums in Städten wird von Fahrzeugen okkupiert. Über sieben Milliarden Stunden verbringen wir jeden Tag in Staus. Wir als Mobilitätsanbieter müssen den Konsumenten ein Produkt bieten, das einen Wertewandel im Kopf der Autofahrer herbeiführen kann. Dabei können die Hersteller nur helfen. Mich interessieren Dinge, die die Welt verändern können, oder Technologien, vor denen man steht und sich fragt, wie das gerade passiert ist. Mich beeindruckt technische Singularität.

Das klingt altruistisch…
Stimmt. Unternehmer brauchen aber auch eine Vision. Aber natürlich wollen wir damit auch Geld verdienen. Und das ist auch möglich, denn Autofahren ist teuer. Ein privater Fahrdienst wie Uber oder ein Taxi kosten ungefähr 1,30 Euro die Minute, ein privater Pkw 42 Cent, Carsharing 29 Cent und der Mietwagen kostet 5 bis 10 Cent pro Minute, umgerechnet auf eine Tagesmiete.

Wann startet Sixt mit dem erweiterten Angebot?
Jetzt lassen Sie uns erst einmal den Verkauf von Drive Now über die Bühne bekommen. Wenn das Bundeskartellamt zugestimmt hat, dann können wir darüber reden, wie es weitergeht.

Sind Sie denn technisch schon so weit?
Die Drive-Now-Systeme kommen schon heute von Sixt. Die Software gehört Sixt und bleibt bei uns. Wir können diese bereits heute in unseren Mietwagen nutzen. In der Schweiz betreiben wir ein Pilotprojekt, bei dem unsere Kunden mit dem Smartphone das Auto öffnen können. Sie müssen gar nicht mehr in die Station.

Das klingt, als ob Sie bald loslegen könnten…
Es ist jedenfalls alles da: Die Technik, 215.000 Autos, 30 Millionen Kunden und über zwei Milliarden Euro Umsatz. Und ein wichtiger Punkt: Wir sehen uns auch als Plattform- und Technologieanbieter. Die Fahrzeuge von Drittanbietern oder auch Ihr privater Pkw können auf unserer Plattform laufen.

Sie würden als Sixt meinen privaten Pkw vermieten, wenn ich ihn nicht gerade selber nutze?
Wenn Sie ihr Auto Sixt zur Verfügung stellen, kein Problem.

Wir bekommen den Eindruck, dass sie das Amazon der Mobilität werden wollen…
Natürlich, es ist immer schon unser Anspruch gewesen, zentraler Mobilitätsanbieter zu sein, nur dass wir zu großen Teilen den Content eben auch selbst produzieren. Das ist der große Unterscheid zu Uber und den anderen Wettbewerbern: Wir kontrollieren die Kostenbasis und damit auch die Wertschöpfung. Sie müssen auch die Kostenbasis im Griff haben. Sonst kumulieren sie Verluste, Verluste, Verluste.

Nutzen Sie Uber?
Ich fahre lieber My Driver oder einen unserer Mietwagen.

In Deutschland ist Uber ausgerechnet hier in München aktiv. Merken Sie die Konkurrenz?
In Deutschland ist Uber keine Konkurrenz.

Aber glauben Sie nicht, dass Unternehmen wie Uber ihnen bald mächtig Konkurrenz machen könnten?
Ich glaube das Geschäftsmodell der Mitfahrdienste ist als solches noch instabil.

Worin liegt die Instabilität?
Sie haben nichts an der zugrunde liegenden Wertschöpfung verändert. Wo haben diese Dienste mit all den schönen Apps die Kostenbasis reduziert, sodass der individuelle Fahrer mehr Geld verdienen kann? Nirgendwo. Zusätzlich sind sie grundsätzlich billiger als das Taxi, und der Fahrer muss zudem noch die Plattform bezahlen. Zudem existieren schlichtweg keine Eintrittsbarrieren für neuen Marktteilnehmer – ich glaube daher nicht an das Argument „The winner takes it all“.

Für Kunden ist es doch gut, wenn die Preise fallen!
Ja, aber es hat zur Folge, dass mehr als 96 Prozent der Fahrer in den USA die Dienste nach einem Jahr wieder verlassen. Mit den sinkenden Preisen gehen auch die Qualität und der Service in den Keller. Und am Ende verdient keiner mehr Geld. Im Gegenteil, die Verluste wachsen.

Wir steuern also auf eine Marktbereinigung zu?
Entweder das, oder die Preise gehen hoch.

Die Bewertungen und Finanzmittel dieser Anbietern sind aber immens. Können Sie ihre Zukunftspläne als Sixt überhaupt finanzieren?
Selbstverständlich. Wir haben ungefähr 1,2 Milliarden Eigenkapital mit einer Eigenkapitalquote von mehr als 25 Prozent, jetzt kommen nochmal 200 Millionen durch den Drive-Now-Verkauf dazu. In den laufenden Aufbau unserer neuen IT-Mobilitäts-Plattform werden wir mehr als 100 Millionen Euro investieren.

Spüren Sie schon eine größere Nachfrage nach Elektroautos, die ja in aller Munde sind?
Wir hätten gerne deutlich mehr elektrische Fahrzeuge in unserer Flotte! Leider ist das verfügbare Angebot in Bezug auf Mengen noch zu gering, um substanziell unsere Flotte zu elektrifizieren.

Was heißt substanziell?
30 bis 40 Prozent.

Und die ersetzen dann den Diesel… Was ist bei Sixt passiert durch den Dieselskandal, der ja immer wieder hochkocht, nun sogar mit Tierversuchen?
Wir merken noch gar nichts. In der Autovermietung ist das den Kunden vollkommen egal. Bei der Neuwagenvermittlung über das Internet sehen wir einen marginalen Effekt.

Und kaufen Sie weiter eher Diesel oder schwenken Sie um?
Wir kaufen konventionelle Antriebe, solange es noch keine substanziellen Mengen an E-Autos gibt und sie vom Kunden nachgefragt werden.

Wie läuft denn die Expansion in den USA?
Ich bin immer noch begeistert, was in dem Markt alles möglich ist. Die Planung für 2019 sind etwa 36.000 Autos und vor allem ein zweistelliger Millionengewinn. Dies haben wir innerhalb der letzten sieben Jahre rein organisch erreicht. Der Umsatzanteil wird signifikant. Wenn die Reise so weitergeht, werden wir mittelfristig zur amerikanischen Company. Der Markt bietet unfassbare Chancen.

Aber im Verhältnis zur Konkurrenz in den USA sind sie doch immer noch ein sehr kleiner Spieler!
In vereinzelten Märkten sind wir schon auf Augenhöhe: In Miami etwa sind wir bereits die Nummer drei mit einem klar zweistelligen Marktanteil. Unsere Marktkapitalisierung ist jetzt höher als die von Hertz und auf Augenhöhe mit Avis, obwohl die viermal mehr umsetzen. Wir haben in Europa bewiesen, dass wir es können, warum sollten wir das nicht in den USA hinbekommen?

Naja, weil Hertz und Avis da eine dominante Rolle spielen zum Beispiel…
Wir versuchen, uns nicht zu sehr mit dem Wettbewerb zu beschäftigen, sondern beschäftigen uns lieber mit uns selbst und wie wir die richtigen Leute finden, die wir auf unserer Reise mitnehmen.

Wenn die Wettbewerber nicht so gut sind wie Sixt, warum übernehmen Sie dann keinen?
Ich glaube überhaupt nicht an M&A, an Übernahmen und Fusionen in unserem Segment. Sie waren historisch auch nie erfolgreich. Ich würde mir nie Marktanteile kaufen.

Warum nicht?
Ein Grund, warum wir erfolgreich sind, ist unsere Unternehmenskultur. Wenn Sie aber ein anderes Unternehmen kaufen, ist das gesamte Management über Jahre beschäftigt mit der Integration – kulturell, technisch und finanziell. Es ist über Jahre lahmgelegt. Da gewinnen Sie nichts.

Könnten Sie denn schneller wachsen, wenn Sie in den USA mehr Geld in die Hand nehmen?
Klar, wenn Umsatz das Ziel wäre. Aber das bringt doch nichts. Wir gehen lieber langsamer und fokussierter vor und machen es dafür besser. Wir werden profitabel weiter wachsen.

Was erwarten Sie denn für einen US-Umsatz ?
Mittelfristig können wir schon auf eine Milliarde US-Dollar kommen.

Und wann gehen Sie nach China?
Ja, da haben wir einen weißen Fleck. Aber die USA sind noch ein so viel größerer Markt als China und uns kulturell näher. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, erst in die USA zu expandieren und dann nach China, um uns nicht zu verzetteln.

Das heißt, Sie bereiten sich schon auf China vor?
Ja, ich bin jetzt häufiger da. Wir sondieren den Markt.

Kommen die spannendsten Momente für Ihr Unternehmen erst noch?
Dies sind unfassbar spannende Zeiten, in denen wir leben. Wir müssen daran glauben, dass Dinge wirklich möglich sind. Ich glaube, am Ende des Tages können wir uns nur selber besiegen. Wir müssen vor allem demutsvoll und produktbegeistert bleiben.

Herr Sixt, herzlichen Dank für das Interview.

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