



Nach der entscheidenden Aufsichtsratssitzung bei Siemens dürfte der Elektrokonzern am Montag Klarheit über das erwartete Angebot für den französischen Alstom-Konzern schaffen. Siemens steht zusammen mit seinem japanischen Partner Mitsubishi Heavy Industries (MHI) kurz vor einer Offerte für Teile von Alstom. Damit würden die Unternehmen endgültig in das Bietergefecht gegen den US-Konzern General Electric einsteigen, der 12,35 Milliarden Euro für die Alstom-Energietechnik bietet.
MHI teilte am Montag in einer Stellungnahme mit, man prüfe „mehrere Möglichkeiten“ bezüglich einer Teilübernahme des französischen Konkurrenten. Entschieden sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch noch nichts.
Der Siemens-Aufsichtsrat war am Sonntagabend zu der mit Spannung erwarteten Sitzung zusammengekommen. Ergebnisse wurden zunächst nicht mitgeteilt, dies wurde erst für Montag erwartet. Siemens hatte sich für ein mögliches Angebot MHI ins Boot geholt.
Das Tauziehen um Alstom
Am 24. April wird bekannt, dass GE Alstom kaufen will. Der Schritt gilt als Frontalangriff auf Siemens. Am nächsten Tag rufen die Übernahmegerüchte die französische Regierung auf den Plan. Sie will einen Verkauf in die USA mit allen Mitteln verhindern. Am 27. April greift Siemens in den Übernahmepoker ein. Man habe der Alstom-Führung „Gesprächsbereitschaft über strategische Fragen zukünftiger Zusammenarbeit“ signalisiert. Am 28. April schaltet sich Frankreichs Präsident Hollande in das Tauziehen ein. Bei getrennten Treffen berät er mit den Chefs von Siemens und GE. Einen Tag später kündigt Siemens ein Angebot für Alstom an. Bedingung dafür: Siemens will die Alstom-Bücher vier Wochen lang prüfen und Managementinterviews führen. Am 30. April empfiehlt der Verwaltungsrat von Alstom den Aktionären eine bindende Offerte von GE. Dieser will für die Energietechnik-Sparte von Alstom 12,35 Milliarden Euro zahlen.
Siemens-Chef Kaeser betont „ernsthaftes“ Interesse an Alstom. Zugleich sagt der Manager, er wolle mit dem Übernahmeplan auch die Handlungsfähigkeit der Siemens-Führung unter Beweis stellen. Einen Tag später lehnt Montebourg das GE-Angebot für Alstom öffentlich ab. Am 9. Mai berät Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit seinem Kollegen Montebourg über einen möglichen Alstom-Siemens-Deal. Am 11. Mai werden Medienberichte bekannt, laut denen Siemens Alstom neben der eigenen Bahnsparte auch das Geschäft mit Signaltechnik anbieten will.
Frankreichs Regierung sendet widersprüchliche Signale. Energieministerin Ségolène Royal bezeichnete das GE-Angebot in einem Interview als „sehr gute Gelegenheit“. Nach einem Treffen mit Kaeser teilt sie mit, das deutsche-französische Projekt komme gut voran. Einen Tag später erweitert Paris seine Eingriffsrechte bei internationalen Deals. Mittels Verordnung könne ohne die bei „nationalem Interesse“ nötige Zustimmung eine ungewünschte Alstom-Übernahme gekippt werden.
Der Siemens-Betriebsrat fordert für den Fall einer Alstom-Übernahme erneut den Erhalt der Arbeitsplätze in der Bahnsparte des Konzerns, die dann an die Franzosen gehen soll.
Nach Angaben der französischen Regierung hat Siemens um zusätzliche Informationen über das Unternehmen gebeten. Paris wertet dies als Hinweis auf ein bevorstehendes Übernahmeangebot.
Hollande lässt erneut ein Treffen mit GE-Chef Jeff Immelt anberaumen. Der Präsident hatte das GE-Angebot zuletzt als nicht ausreichend bezeichnet. Am 28. Mai bessert GE das eigene Angebot nochmals etwas nach.
Kaeser betont nochmals, dass Siemens keinen Zeitdruck verspüre und bis zum 16. Juni alle Optionen prüfen werde.
Überraschend geben Siemens und der japanische Konkurrent Mitsubishi Heavy Industries (MHI) bekannt, ein gemeinsames Angebot für Alstom zu prüfen.
Siemens und MHI legen ihr Angebot für Alstom vor. MHI will sich mit bis zu zehn Prozent an Alstom beteiligen und eine umfassende industrielle Allianz, aber keine Übernahme. Das Gasturbinen-Geschäft der Franzosen soll an Siemens gehen. Insgesamt beinhaltet die Offerte Barzahlungen von Siemens über 3,9 Milliarden Euro und von MHI über 3,1 Milliarden Euro.
Nach Medienberichten sieht die Offerte der beiden Unternehmen vor, dass sich Mitsubishi an Alstom in einer Größenordnung von zehn Prozent beteiligt und die schwächelnde Energietechnik mit Investitionen und frischem Kapital aufpäppelt. Im gleichen Umfang könnte sich der französische Staat beteiligen. Bisher ist der französische Mischkonzern Bouygues Alstom-Großaktionär. Siemens soll sich laut den Berichten nicht direkt an Alstom beteiligen.
Turbinen-Geschäfte im Blick
Dem Vernehmen nach geht es den Münchnern bei dem Geschäft vor allem um das Gasturbinen-Geschäft, während MHI ein Auge auf die Dampfturbinen geworfen haben soll. Alleine für das Gasturbinen-Geschäft wird über eine Barkomponente von vier Milliarden Euro spekuliert.





Denkbar wäre auch ein Szenario, in dem Siemens gar nicht selbst als Bieter auftreten würde, sondern später durch ein Untergeschäft mit MHI Zugriff auf die Gasturbinen bekäme. Das könnte angesichts des politisch heiklen Deals eine gesichtswahrende Lösung für die französische Regierung sein, hieß es. Paris hatte sich erst vor einigen Wochen per Dekret ein Vetorecht bei Übernahmen gesichert.
Im Falle eines Engagements von Siemens und MHI solle Alstom als eigenständiges Unternehmen erhalten bleiben, heißt es in Branchenkreisen. Teile des Geschäfts der Franzosen könnten dann in Joint Ventures eingebracht werden.
Derweil heizt Frankreich den Bieterwettstreit zwischen General Electric (GE) und Siemens an. "Die Allianz von Mitsubishi mit Siemens verbessert Siemens' Angebot", sagte Frankreichs Finanzminister Michel Sapin am Sonntag den Sendern Europe 1 und iTele. "Ich glaube, dass GE die eigene Offerte ebenfalls nachbessert."
Sapin betonte, keine Präferenz für einen der Bieter zu haben. Jedoch werde sich Frankreich für den Erhalt von Arbeitsplätzen einsetzen. "Wir werden nicht (für Alstom) entscheiden, aber wir werden unseren Einfluss nutzen", machte Sapin deutlich.
Die Offerten von Siemens und GE lassen sich Insidern zufolge nur schwer vergleichen, weil sie sich im Umfang deutlich unterschieden. Der US-Konzern GE bietet 12,4 Milliarden Euro für alle vier Alstom-Teile - inklusive der Erneuerbaren Energien und der Stromübertragung. Die Offerte läuft noch bis zum 23. Juni. GE hat zudem versprochen, 1000 neue Jobs im Land zu schaffen. GE teilte in einer E-Mail mit, "Fortschritte in den Beratungen mit der französischen Regierung zu machen".
Siemens-Chef Joe Kaeser soll am Dienstag in einer Anhörung vor dem Wirtschaftsausschuss der Nationalversammlung in Paris sprechen, wie das Parlament ankündigte. Dies wurde in Branchenkreisen als Indiz für ein Gebot von Siemens für Alstom gewertet. Die Münchner hatten wochenlang die Alstom-Bücher geprüft. Dabei setzten sie sich auch eine Frist bis Montag, um über eine eigene Offerte zu entscheiden.