Alstoms Kampfansage an Siemens Frankreichs Doppelstockzug soll ICE verdrängen

Hochgeschwindigkeitszug Euroduplex Quelle: dpa

Europas neuer Zugchampion Alstom sagt Konkurrent Siemens den Kampf an: Der Doppelstockzug Euroduplex sei auf bestimmten Strecken im deutschen Fernverkehr besser als der ICE der Münchener. Mit einem Zugbetreiber sei man schon konkret in Verhandlungen.

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Bekommt die Deutsche Bahn bald mehr Wettbewerb im Fernverkehr? Der Zugbauer Alstom hält das für wahrscheinlich: „Wir stehen in konkreten Gesprächen mit Unternehmenskunden, die in den deutschen Fernverkehrsmarkt einsteigen wollen“, sagte Müslüm Yakisan, Chef der neuen Alstom-Region Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH), der WirtschaftsWoche. Um wen es sich handelt, sagte der Manager nicht. Aber das Interesse am deutschen Schienenverkehrsmarkt habe zugenommen, unter anderem von Leasinggesellschaften, die das Potenzial der Schiene erkennen. 

Alstom sieht vor allem eine Zukunft für Hochgeschwindigkeits-Doppelstockzüge. „Doppelstockzüge wären eine gute Alternative zum Velaro-Zug von Siemens, weil sie mehr Kapazität zur Verfügung stellen“, so Yakisan. Die Deutsche Bahn betreibt den Velaro unter dem Label ICE. Siemens baut den Hochgeschwindigkeitszug seit Anfang der Neunzigerjahre – inzwischen in der vierten Generation. Aktuell liefert der Konzern für die Deutsche Bahn mehrere Hundert Velaro-Züge, die den Namen ICE4 tragen und in der Spitze bis zu 250 km/h schnell fahren können.  

Derzeit hat die Deutsche Bahn im Fernverkehr einen Marktanteil von 99 Prozent. Bis auf zwei Linien von FlixTrain gibt es kaum Wettbewerber. Flixtrain fährt von Stuttgart nach Berlin und von Köln nach Hamburg. Ansonsten betreibt der Thalys einen Zug von Belgien nach Deutschland, der Brüssel mit Köln verbindet, und weiter nach Dortmund fährt. 

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von Christian Schlesiger

Der französische Zugbauer Alstom, der Ende Januar 2021 die Übernahme des Konkurrenten Bombardier Transportation abgeschlossen hat, will das ändern. Alstom beliefert etwa die französische Staatsbahn SNCF seit 1996 mit dem „Avelia Euroduplex“, einem zweistöckigen Hochgeschwindigkeitszug, der bis zu 320 km/h schnell fährt und bei der SNCF den Namen TGV trägt. Der Zug wurde entwickelt, um mehr Kapazität auf der überlasteten Strecke zwischen Paris und Lyon zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile wird er auch anderswo eingesetzt.

Diskussionen über mehr Wettbewerb im Fernverkehr auf der Schiene gibt es schon lange. „Wir werden in den nächsten zwei bis fünf Jahren ganz bestimmt neue Eisenbahnunternehmen sehen, die der Deutschen Bahn in Deutschland im Fernverkehr Konkurrenz machen werden“, sagt Yakisan. Versuche, in den Markt einzusteigen, gab es tatsächlich schon häufiger. Im Jahr 2012 fuhr der Hamburg-Köln-Express die beiden Städte im Unternehmensnamen an. Später versuchte sich das Unternehmen Locomore an einem Angebot auf der Schiene von Stuttgart nach Berlin. Die Verbindung ging inzwischen in FlixTrain auf. 

Vor etwas mehr als zehn Jahren sorgte gar die französische Staatsbahn SNCF eine Zeit lang für Nervosität im Bahntower, nachdem die Deutschland-Tochter Keolis, die eigentlich nur Regionalbahnen betreibt, auch über einen Angriff im Fernverkehr nachdachte. Anschließend haben sich SNCF und Deutsche Bahn auf einen Nichtangriffspakt geeinigt. Beide Unternehmen machen sich zwar im Nahverkehr Konkurrenz, kooperieren ansonsten aber bei grenzüberschreitenden Linien zwischen Deutschland und Frankreich. Dafür setzen sie sowohl den TGV von SNCF als auch den ICE der Deutschen Bahn ein. 



Für Alstom ist der deutsche Markt inzwischen strategisch wichtig. Der neue DACH-Chef Yakisan, der bis vor Kurzem bei Alstom die Region Afrika, Mittlerer Osten und Zentralasien geleitet hat, sieht großes Potenzial. Alstom DACH sei mit rund 11.000 Mitarbeitern „ein Schwergewicht innerhalb der Alstom-Gruppe“, sagt Yakisan. Die Region sei insgesamt mit Anbietern wie Deutsche Bahn, Österreichische und Schweizer Bundesbahn sowie zahlreichen privaten Wettbewerbern im Nahverkehr der größte Bahnmarkt in Europa – mit „sehr anspruchsvollen Kunden“. 

Nach dem Kauf des Konkurrenten Bombardier Transportation wird die Marke der Deutsch-Kanadier verschwinden. „Wir trennen uns von dem Namen Bombardier“, sagt Yakisan. Bombardier werde künftig vor allem für Business Jets stehen. Klar sei: „Das Unternehmen heißt in Zukunft Alstom. Das Label wird sukzessive auch bei den ehemaligen Bombardier-Einheiten eingeführt.“

Das dürfte bei den Mitarbeitern in den bisherigen Bombardier-Werken für Gesprächsstoff sorgen. Immerhin brauchen sie sich wohl keine Sorgen um einen weiteren Arbeitsplatzabbau machen. „Wir haben einen Abbau von Arbeitsplätzen nicht in der Planung“, sagt Yakisan. „Wir haben einen Auftragsbestand von 70 Milliarden Euro über die gesamte Gruppe verteilt.“ Da gebe es genug zu tun. „Wir wollen unser Fachpersonal halten.“ Es werde allenfalls auf der oberen Führungsebene ein paar Veränderungen geben, was bei jeder organisatorischen Neuaufstellung der Fall sei. Insgesamt verdoppelt Alstom seinen Umsatz auf etwa 15,5 Milliarden Euro. Das Unternehmen konzentriert sich fortan auf die drei Sparten Fahrzeuge, Wartung und Signal- und Sicherungstechnik. 

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Ungeklärt ist noch das Schicksal der beiden Werke in Brandenburg und im Elsass. Auf Druck der EU-Kommission muss Alstom sich sowohl von der Produktion des Nahverkehrszugs Talent3 in Hennigsdorf bei Berlin als auch von Nahverkehrszügen im französischen Reichshoffen trennen. Yakisan wollte sich zu den Verkaufsverhandlungen nicht äußern. Laut Branchenkreisen gibt es Interesse des tschechischen Zugbauers Skoda als auch der spanischen CAF.

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