Altmetall Das Geschäft mit dem Schrott

Ein Schrottplatz in Magdeburg. Quelle: imago images

Start-ups holen Altmetall ab. In der Theorie ist das ein lohnendes Geschäftsmodell. Doch die Gesetze der Branche sind so hart wie das Material, um das es geht.

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Viele Menschen mögen sich sorgen, was das Verbot für Öl- und Gasheizungen für sie bedeutet. Thilo Hamm aber wittert in dem gesellschaftlichen Umbruch ein großes Geschäft. „Alle reden über neue Heizungen – aber nicht darüber, dass die alten Heizungen dann raus und verschrottet werden müssen“, sagt Hamm. Wenn ab dem kommenden Jahr hunderttausende Gas- und Ölkessel samt Rohren aus Häusern gerissen werden, will er mit dem Start-up Scrapbees bereitstehen, das er gemeinsam mit Florian Kriependorf und Sebastian Kopsan gegründet hat. Dessen Mitarbeiter helfen den Handwerkern beim Ausbau, laden das Altmetall auf die eigenen Fahrzeuge – und verkaufen es an den meistbietenden Schrotthändler. „Wir wissen in der Regel bereits vor der Ankunft, was der Kunde loswerden will“, sagt Kriependorf, „und können so das Material bereits weiterverkaufen, bevor wir es abgeholt haben.“ 

Seit zwei Jahren schwärmen die „Schrottbienen“, so der Markenauftritt der Firma, aus. Etwas über 20 Fahrzeuge hat das Start-up bereits angeschafft, die im Rheinland, Rhein-Main-Gebiet und in anderen deutschen Metropolregionen unterwegs sind. Vor wenigen Wochen investierten Risikokapitalgeber 2,3 Millionen Euro in das Unternehmen mit Hauptsitz in Neuss.

Die Schrottsammler fahren Privatadressen genauso an wie Baustellen – mit größeren Handwerksbetrieben oder Heizungsbauern bestehen bereits Kooperationen. Die Route wird digital geplant, die Fahrer dokumentieren und sortieren das Material vor Ort mit ihrem Smartphone. Eine moderne Verpackung für das tradierte Geschäftsmodell der klassischen Schrottsammler: „Wir machen grundsätzlich nichts anderes als der klassische Schrotthandel – nur zuverlässiger und skalierbar“, sagt Kriependorf.

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von Stefan Hajek

Neuer Anlauf im Altmetall-Geschäft

Es ist ein neuer Anlauf in einer alten Branche. Das Geschäft mit Altmetallen mag von außen für viele Menschen nach einem arg verruchten Milieu klingen. Das Bild ist geprägt von Hinterhof-Schrottplätzen, klapprigen Lastwagen, Bargeld-Geschäften. Doch die Margen sind mitunter enorm: Eine Tonne gemischter Schrott wird für wenige hundert Euro angekauft – eine Tonne recyclebares Kupfer hingegen kann mehr als 6000 Euro bringen.

Und die Bedeutung von wiederverwertbaren Rohstoffen dürfte gerade in energieintensiven Branchen noch zunehmen. „Metall kann unendlich häufig wiederverwendet werden, ohne Einbußen bei der Materialqualität“, sagt Jan Pannenbäcker, Co-Gründer von Metaloop. Über dessen Portal Schrott24 können bereits seit 2016 Privat- und Gewerbekunden ihr Altmetall verkaufen. Die Metallhandelsplattform Metalshub hat ebenfalls vor knapp drei Jahren einen eigenen Bereich eingerichtet, über den auch Eisenschrott gehandelt werden kann.

Schwierige Bedingungen für digitale Schrottverwerter

Doch das Geschäft ist so hart, wie das Material, um das es geht. Das zeigt ein Blick auf all die Start-ups in der Szene, die bereits wieder aufgeben mussten. Vor gut sechs Jahren startete die Altmetall-Handelsplattform Metalxchange, der schon ein paar Monate später das Geld ausging. Verwerter Alba stieß vor fünf Jahren das Start-up Scrappel mit an, das inzwischen aus dem Schrott-Recycling ausgestiegen ist, stattdessen soll die Software bald bei der Altpapier-Logistik helfen, verspricht die karge Webseite. Und Großkonzern Thyssenkrupp startete mit seiner Sparte Materials Services vor drei Jahren mit viel Optimismus ein eigenes Start-up, das das Geschäft mit recyceltem Stahl digitalisieren sollte. Der Erfolg aber blieb aus: „In diesem Fall stand schnell fest: das Projekt ‚fliegt‘ nicht – die Nachfrage war nicht in ausreichendem Maße vorhanden“, sagt eine Sprecherin von Thyssenkrupp Materials Services.

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Grundsätzlich sei die Digitalisierung hilfreich, wenn es etwa um das mobile Befunden von Wertstoffen oder die Dokumentation gehe, teilt der Fachverband Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling (BSVE) mit. Beim Handel sehe das anders aus: „Die Geschäfte in unserer Branche basieren sehr stark auf Vertrauen und persönlichen Kontakten, die so nicht über eine reine Online-Plattform entstehen können“, so ein Vertreter des Verbandes. Dominiert wird das Geschäft aktuell von Schrotthändlern, die vor allem regional aktiv sind. In der Regel würden Unternehmen mit hohem Schrottaufkommen nur mit einigen wenigen Händlern sprechen. „Oft gibt es dadurch nur einen vermeintlichen Überblick über den Markt“, sagt Pannenbäcker, „ein Großteil der Marge beruht auf einer Informationsasymmetrie.“

Atomkraftwerk statt Sperrmüll-Schrott

Diese wollen die Start-ups nun aufbrechen, versprechen den Käufern mehr Transparenz über die Preise – und wollen möglichst viele Zwischenhändler ausschalten. Scrapbees will das schaffen, in dem es sogar beim Ausschlachten von Metallschrott mithilft. Und dann mit ganzen Lastwagen-Ladungen bei Schrottplätzen oder Stahlverwertern vorfährt. Größere Mengen bringen bessere Preise. „Kleinvieh macht Mist, aber bei uns macht das Kleinvieh schon deutlich größeren Mist“, sagt Scrapbees-Mitgründer Hamm. Je stärker die Flotte wird, desto größere Abnehmer will das Start-up für seine Ladungen finden.

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Metaloop ist schon ein ganzes Stück weiter. Für Schlagzeilen sorgte das Start-up mit Sitz im österreichischen Graz etwa, als es 2020 große Teile des stillgelegten Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich demontierte. Ein paar Jahre zuvor hatte das junge Unternehmen bereits ein ehemaliges Flugzeug der belgischen Regierung zerlegt. Laut „Financial Times“ gehört das Start-up zu den schnellst wachsenden Digitalunternehmen in Österreich. Das Geschäft mit Verbrauchern oder Handwerkern unter der Marke Schrott24 mache heute nur noch fünf Prozent des Umsatzes aus, sagt Pannenbäcker: „Das große Volumen machen wir mit Industriebetrieben.“

Die stetig schwankenden Rohstoffpreise sind für die Digitalfirmen dabei nur zweitrangig – in der Regel wird das Material zügig verkauft, um Lagerkosten zu verhindern. Das Durcheinander in den Lieferketten hingegen habe den digitalen Plattformen sogar gut getan, sagt Pannenbäcker: Wenn etablierte Kundenbeziehungen wackelten, suchten besonders viele Unternehmen nach Alternativen. „Das ist für uns positiv, auch wenn es für Stress im System sorgt.“

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Langfristig setzen die Start-ups jedoch vor allem darauf, dass Unternehmen deutlich mehr auf wiederverwertetes Material setzen. Die großen Stahlproduzenten haben die Bedeutung bereits für sich erkannt – andere Branchen und Firmen dürften folgen. „Rohstoffvorkommen sind endlich“, sagt Scrapbees-Mitgründer Kriependorf, „der Trend wird dahingehen, dass sich aus Sekundärrohstoffen viel mehr machen lässt als zuvor.“

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