Anlagenbauer SMS in der Coronakrise „Da quatscht nicht mehr ständig einer dazwischen“

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Schutzmasken gegen Staub und Viren

Aber es heißt doch, dass es nicht genügend Schutzkleidung und Atemmasken gibt, nicht einmal für Ärzte und Kliniken ...
Deshalb setzten wir Atemmasken auch sehr umsichtig nur dort ein, wo sie unabdingbar sind. Für Arbeiten, die mit Staubbelastung einhergehen, führen unsere Lager ohnehin Atemschutzmasken. Diese erfüllen auch die Schutzwirkung gegenüber dem Virus und hier waren wir glücklicherweise vor Ausbruch der Krise in Deutschland noch gut ausgestattet. Damit müssen wir nun sehr sorgsam umgehen und wir bemühen uns natürlich auch um weitere Masken. Dabei helfen uns unsere tragfähigen Netzwerke und unsere globale Aufstellung.

von Konrad Fischer, Jürgen Salz, Nora Schareika, Christian Schlesiger, Saskia Eversloh

Wie können Sie denn zurzeit überhaupt weltweit ihre Kunden in der Stahlindustrie betreuen?
Wir haben schon früh mit der Erprobung von Virtual und Augmented Reality begonnen: Unsere Ingenieure – die auf die verschiedenen Anlagentypen hoch spezialisiert sind – unterstützen so unsere lokalen Mitarbeiter und unsere Kunden auf den Baustellen vor Ort. Dafür nutzen wir modernste Technologie und eigenentwickelte Anwendungen: Die lokalen Mitarbeiter tragen dann spezielle Daten-Brillen oder -Helme. Hiermit können sie Bilder live an unsere Experten übermitteln – und zwar so, als ob sie direkt mit vor Ort wären. Das ist gerade in der jetzigen Zeit unglaublich hilfreich. Für den Service und die Wartung nutzen wir diese Technologie ja schon seit einigen Jahren, nun müssen wir sie aufgrund der Reise- und Quarantänebestimmungen auch für den Anlagenaufbau verstärkt zum Einsatz bringen. Und auch das funktioniert wesentlich besser als erwartet. Es ist schon klasse, was alles machbar ist.

Sie klingen sehr begeistert. Was denken Sie, was Sie aus der Krise lernen – und auch für die Zeit danach mitnehmen werden?
Es ist wirklich beeindruckend, was sich technologisch alles umsetzen lässt. Vieles sogar besser – oder zumindest effizienter – als persönlich vor Ort. Die Meetings sind kürzer und ergebnisorientierter, die vielen Dienstreisen an unsere Standorte weltweit, die wir bislang oft noch immer persönlich angetreten sind, sparen Kosten und Zeit und schonen dazu auch noch die Umwelt. Außerdem herrscht auch eine gewisse Aufbruchsstimmung und Experimentierfreude mit den neuen Technologien, die man jetzt einfach so schnell wie möglich auf den Weg bringen und ausprobieren kann, statt sich in langen Diskussionen über eine mögliche Einführung zu ergehen. Davon werden wir sicher einiges auch nach der Krise beibehalten. Hoffentlich auch den Spirit.

Also keinerlei Probleme mit den neuen Tools und Technologien?
Doch natürlich. Aber die größte Herausforderung ist nicht die Technologie als solches, sondern die Akzeptanz bei Mitarbeitern, Kunden und Partnern. Und die steigt mit der neuen Situation von Tag zu Tag. Das ist aber auch verständlich. Es ist doch ein gewisses anonymes System. Zwar kann man sich etwa bei Online-Meetings live im Bild sehen, doch oft müssen wir die Kamera ausschalten, damit die Verbindung besser und die Datenübertragung schneller ist. Hier helfen uns unsere langjährigen Kundenbeziehungen immens. Wenn man sich vorher schon kennt und eine Vertrauensbasis hat, ist es natürlich wesentlich einfacher, als wenn man Beziehungen erst einmal virtuell aufbauen muss. Damit wir die Akzeptanz für die neuen Arbeitsweisen auch bei allen Mitarbeitenden möglichst schnell steigern und sie die digitalen Tools effizient nutzen können, haben wir ein Online-Weiterbildungsprogramm aufgesetzt.

Was möchten Sie denn auch nach der Krise beibehalten, wenn am Tag X wieder alles anläuft?
Ich sage immer, in jeder Krise liegt auch eine Chance. Im Fall von Corona ist es die Digitalisierung – und zwar auch die Digitalisierung nach innen, mental wie organisatorisch. Aber auch mit unseren Kunden und Partnern, die die virtuelle Zusammenarbeit zunehmend schätzen. Und natürlich auch die Besinnung auf das, was wirklich wichtig ist: Gesundheit, Familie, Mitmenschlichkeit und Nachhaltigkeit. Das ist bei uns als Familienunternehmen, für das ich seit 30 Jahren arbeite, keine Floskel. Das nehmen wir sehr ernst.

Krise als Chance. Zwischen 2014 und 2017 waren Sie bereits von der Stahlkrise betroffen und mussten mehr als jeden vierten Mitarbeiter in Deutschland entlassen. Laut Umfrage des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) rechnen 70 Prozent der Betriebe für 2020 mit Umsatzeinbußen, davon knapp die Hälfte mit Rückgängen von mehr als 10 Prozent. Wie hart hat Sie die Krise Sie bislang getroffen?
Wir setzen zurzeit darauf, dass wir erst einmal über Gleitzeitkonten und Urlaub Beschäftigungsrückgänge regulieren können. Wenn sich Kurzarbeit nicht vermeiden lässt, werden wir auch dieses Instrument in Anspruch nehmen müssen. Um die finanziellen Folgen für unsere Mitarbeiter abzufedern, stocken wir die Bezüge auf. Aber zurzeit wirkt sich der Shutdown bei uns noch nicht so stark aus: Unsere Anlagen benötigen einen Aufbau von bis zu 36 Monaten, sodass uns bislang noch keine Aufträge weggebrochen sind, allerdings kommen zurzeit auch deutlich weniger Aufträge rein. Wobei wir auch sagen müssen, dass wird just letzte Woche einen neuen Auftrag aus China bekommen haben, wo die Corona-Zahlen zurückgehen und die Wirtschaft langsam zur Normalität zurückkehrt. Und diesen neuen Auftrag haben wir nur über digitale Medien verhandelt und abgeschlossen. Erfolge wie dieser zeigen den Weg in die Zukunft.

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