Antonow An 225 Ein Riesenvogel auf Schlingerkurs

Das größte Flugzeug der Welt soll bald in China gebaut werden. Doch der Deal von Hersteller Antonow wirft in der Ukraine viele Fragen auf: Was wollen die Chinesen mit dem Riesenvogel aus Sowjetzeiten?

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Das weltgrößte Transportflugzeug soll künftig in China in Serie gehen. Quelle: dpa

Moskau Ein Riesenvogel auf dem Weg ins Reich der Mitte: Kiew und Peking wollen beim Bau der An-225 „Mrija“ („Traum“), des größten Flugzeugs der Welt, zusammen arbeiten. Es gibt freilich noch Differenzen darüber, wie diese Kooperation aussehen soll.

Der chinesische Fernsehsender CCTV hatte zunächst berichtet, dass die Ukraine die Lizenzrechte für die Serienproduktion des noch zu Sowjetzeiten entwickelten superschweren Frachtfliegers zusammen mit den Bauskizzen und der technologischen Dokumentation an China abtrete. Darüber hinaus erhalte China ein Flugzeug, das aber noch fertiggestellt werden müsse.

Der ukrainische Flugzeugbauer Antonow hat den Rechteverkauf aber inzwischen dementiert. Die An-225 bleibe weiterhin das geistige Eigentum Antonows. Geplant sei zunächst die Übergabe eines Flugzeugs an die Aerospace Industry Corporation of China (AICC) und dann der Aufbau einer gemeinsamen Produktion in der Millionenstadt Luzhou.

Die AICC erinnert zwar namentlich an den staatlichen Luftfahrtgiganten Aviation Industry Corporation of China (AVIC) mit mehreren tausend Mitarbeitern, soll aber Medienberichten nach nur eine Im- und Exportfirma mit einem Büro in Hongkong sein. Das angebliche Joint-Venture sei daher nur ein Alibi für den Rechteverkauf, mutmaßen Experten aus der Luftfahrtbranche.

Alexander Kawa, Ex-Vizeverkehrsminister der Ukraine, sprach von einem „negativen Signal für den ukrainischen Flugzeugbau“. Vieles deute auf einen Ausverkauf hin. Gegenüber dem Handelsblatt erinnerte er daran, dass die Ukraine im laufenden Jahr selbst noch kein einziges Flugzeug produziert habe, im vergangenen Jahr wurden gerade einmal zwei Maschinen ausgeliefert; eine An-148 an Nordkorea und eine An-158 an Kuba.


Entwickelt für das sowjetische Raumfahrtprogramm

Pekings Interesse an der An-225 begründete Verkehrsexperte Bogdan Dolinze mit dem ambitionierten Raumfahrtprogramm der Chinesen. „Die Technologie des Starts aus der Luft wird in China schon erprobt. Kleinere Flugapparate schießen sie schon von den Flugzeugen ins All, die sie selbst produzieren. Vielleicht brauchen sie die Mrija, um Raketen abzuschießen“, vermutete er.

Die An-225 ist ein sechsstrahliges Flugzeug, das tatsächlich für das sowjetische Raumfahrtprogramm entwickelt wurde. Mit einem maximalen Startgewicht von gut 600 Tonnen kann sie gewaltige Lasten heben. Die Weiterentwicklung der An-124 Ruslan diente vor allem dem Transport der sowjetischen Raumfähre Buran. 1988 wurde die erste und bislang einzige An-225 fertiggestellt. Ihren eigentlichen Verwendungszweck erfüllte die Maschine allerdings aufgrund des baldigen Zerfalls der Sowjetunion nie.

Seit 2001 wird die An-225 für kommerzielle Schwertransporte eingesetzt: Im Mai 2016 transportierte das Flugzeug einen 117 Tonnen schweren Generator aus der Ukraine nach Australien. Der 15.500 Kilometer lange Flug mit Zwischenstopps in Tschechien, Turkmenistan, Indien und Malaysia wurde innerhalb von fünf Tagen durchgeführt.

Ein zweites Exemplar der An-225 wurde nur zu 70 Prozent fertiggestellt und ist seit rund 20 Jahren im Kiewer Werk von Antonow eingemottet. Immer wieder gab es Bestrebungen den Bau zu vollenden, die aber nicht verwirklicht wurden. Bei der nun vereinbarten Lieferung eines Flugzeugs an die Chinesen geht es offenbar um die Fertigstellung dieses Exemplars.

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