Arbeitsplatzabbau in der Autoindustrie? Roboter zetteln Revolution in der Werkshalle an

Die Automobilhersteller werden den Einsatz von Robotern sowohl in der Fertigung als auch für Dienstleistungen weiter erhöhen. Die Sorge geht um, dass in Deutschlands Vorzeigebranche ein großer Arbeitsplatzabbau droht.

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Schweißroboter montieren im VW-Werk in Zwickau die Karosserie des neuen Golf 7. Alin Albu-Schäffer, Professor für Robotersysteme an der Technischen Universität München, ist der Meinung: „Wir werden einen großen Sprung bei Robotern erleben.“ Quelle: picture alliance / ZB

Konstanz Langsam bewegt sich der Schweißroboter auf die Golf-Karosse im Wolfsburger VW-Werk zu. Die Spitze dreht sich und fährt genau auf den programmierten Schweißpunkt. Es dauert nur Sekunden und der Roboter hat die beiden Blechteile an dieser Stelle bei mehreren Hundert Grad fest miteinander verbunden. Tausende solcher Schweißpunkte gibt es bei einem Auto, sie sorgen letztlich für die Stabilität der Karosserie.

Roboter sind in der Autoproduktion in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Auf 10.000 Arbeitnehmer kommen jeweils 300 Roboter – und es werden künftig noch mehr. „Da gibt es noch sehr viel Potenzial“, sagt Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation. Die Preise sind in Bewegung geraten: Weil Roboter billiger werden, werden sie häufiger in der Produktion eingesetzt. Leichtbau-Roboter sind die nächste Stufe dieser Entwicklung.

Den Einsatzmöglichkeiten ist kein Ende gesetzt, Roboter können nicht nur in der Produktion verwendet werden. Kommt der Dienstleistungs-Roboter, der in der Volkswagen-Werkskantine das Essen serviert? Kommt hinterher der Putzroboter, der aufräumt und auch noch das Geschirr abwäscht? Forscher sind davon überzeugt, dass solche Maschinen eines Tages zum Alltag gehören werden, auch wenn es noch einige Jahre dauern wird.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind unvermeidlich, Arbeitsplätze könnten also auch durch den Dienstleistungs-Roboter in Gefahr geraten. Zugleich entstehen wieder neue Stellen: In den Unternehmen, in denen Ingenieure und Software-Entwickler etwa solche Maschinen bauen. Auch die Gewerkschaften beschäftigen sich intensiv mit den Konsequenzen dieser Veränderung. Auf einer Konferenz in der Nähe von Konstanz hat sich die IG Metall mit der neuen Roboterwelt auseinandergesetzt.

Alin Albu-Schäffer, Professor für Robotersysteme an der Technischen Universität München, gab sich optimistisch. „Wir werden einen großen Sprung bei Robotern erleben“, sagte Albu-Schäffer, der auch das Institut für Robotik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt leitet. Der Programmieraufwand bei Robotern werde in den nächsten Jahren deutlich abnehmen. Der Schlüssel dafür sei die Künstliche Intelligenz: Roboter würden mit selbstlernenden Systemen ausgestattet. Neue, zusätzliche Programmierschritte würden dadurch überflüssig.

Der Robotik-Professor sieht eine Entspannung bei der gesetzlichen Aufsicht. In der Vergangenheit habe es seltener eine Zulassung dafür gegeben, dass Menschen und Roboter mit- und nebeneinander arbeiten dürfen, bei der sogenannten „Mensch-Roboter-Kollaboration“ (MRK). Die Sicherheit für die Arbeiter sei nicht garantiert, von den Maschinen seien zu große Gefahren ausgegangen, so etwa die Meinung bei den Berufsgenossenschaften.

„Erst hieß es: Geht nicht“, sagte der Professor, „aber inzwischen geht es dann doch.“ Der Alltag in den Fabriken beweise, dass sich mögliche Sicherheitsprobleme in den Griff bekämen ließen. Dienstleistungs-Roboter seien auf jeden Fall zu erwarten, möge ihr Einsatz auch noch in etwas weiterer Ferne liegen.

Für eine Gewerkschaft wie die IG Metall ist es ein zentraler Punkt, dass die Beschäftigungszahlen trotz des verstärkten Einsatzes von Robotern gehalten werden können. „Wie verteilen wir die Rationalisierungsgewinne?“, fragte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. Auf der Tagung überwog der Optimismus. „Arbeitslosigkeit muss es nicht geben“, meinte der frühere VW-Personalvorstand Horst Neumann, vor seiner Zeit bei Volkswagen selbst einflussreicher IG-Metall-Funktionär.


„Maschine und Mensch unterstützen sich gegenseitig“

Vertreter der Industrie sehen keine Alternative dazu, künftig noch stärker auf Roboter zu setzen. „Maschine und Mensch unterstützen sich gegenseitig in unseren Werken“, sagte Markus Schäfer, Produktionsvorstand bei Mercedes. Er warnte vor zuviel Pessimismus. Mit zusätzlichen Robotern werde eine „unglaubliche Produktvielfalt möglich“, die Industrie könne dadurch die Massenproduktion verlassen und sich einer verstärken Individualisierung ihrer Produkte zuwenden. Die Nachfrage nach Produkten aus Deutschland bleibe somit hoch, was wiederum Arbeitsplätze sichere.

Michael Breme leitet die Produktionsplanung bei Audi. Die Ingolstädter VW-Tochter verfolge konsequent das Ziel einer „Smart Factory“. Eine menschenleere Fabrik werde bei Audi allerdings nicht geplant. „Die finale Entscheidung wird immer der Mensch treffen“, gab sich der Audi-Manager überzeugt. „Die Digitalisierung wird massiv Arbeitsplätze schaffen“, ergänzte Stephan Neugebauer, bei BMW verantwortlich für globale Forschungskooperationen.

Kuka ist einer der wichtigsten deutschen Roboter-Hersteller und damit ein zentraler Zulieferer für die Automobilhersteller. Kuka-Vorstandschef Till Reuter sah noch einen anderen Grund dafür, dass der verstärkte Einsatz der Roboter in der deutschen Industrie funktionieren wird: die Mitbestimmung. In Deutschland arbeiteten die Unternehmen zusammen mit der Arbeitnehmervertretung an der Zukunft der Fabriken. So etwas gebe es nicht bei amerikanischen und asiatischen Konkurrenten.

Die Mitbestimmung trägt aus Sicht des Kuka-Chefs mit dazu bei, dass tragfähige Modelle für den Roboter-Einsatz gefunden würden. Modelle, die eben nicht auf den Widerstand der eigenen Belegschaften stießen. Deutsche Industrieunternehmen könnten somit auch in Zukunft das Potenzial ihrer Facharbeiter nutzen.

Techniker, Entwickler und Forscher wollen aber nicht allein gelassen werden, was den zunehmenden Einsatz von Robotern in den Fabriken betrifft. Wie weit darf deren Verwendung gehen? „Die ethischen Fragen können wir als Techniker nicht alleine lösen“, sagte Robotik-Professor Albu-Schäffer. Gesellschaft und Politik müssten bei der Beantwortung dieser Frage helfen.

Ein Sozialwissenschaftler sagte auf der Tagung der IG Metall seine Unterstützung zu. Johannes Weyer lehrt Techniksoziologie an der Technischen Universität Dortmund. Aus seiner Sicht muss es klare Grenzen geben, nicht alles technisch Mögliche müsse am Ende auch realisiert werden. Darüber müssten alle Beteiligten intensiv diskutieren. Und Weyer nannte ein Beispiel, dass der Technik auch wirklich Grenzen gesetzt werden können.

„Die Diskussion über das pilotenlose Fliegen ist verstummt“, sagte der Professor. Auf die Menschen im Cockpit wolle tatsächlich niemand verzichten. Dieses Beispiel lasse sich auch auf andere Branchen und Einsatzfelder von Robotern übertragen.

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