Arzneiprüfer Walter Schwerdtfeger "Fälschungen fallen oft nicht auf"

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Überzogene Preise bei neuen Arzneimitteln

Über europaweite Zulassungen wie bei Pradaxa entscheidet die europäische Arzneimittelagentur EMA in London. Wie viel Einfluss hat Ihre nationale Behörde noch?

Deutschland ist das größte EU-Land, wir sind die größte Arzneimittelbehörde in Europa und haben einigen Einfluss. Unsere Experten sind in wissenschaftlichen Ausschüssen und Gremien vertreten.

Anfang dieses Jahres hat die EMA das neue Hepatitis-C-Mittel Sovaldi des US-Konzerns Gilead zugelassen. Eine dreimonatige Behandlung kostet um die 100.000 Euro. Das ist doch nur noch dreist, oder?

Für die Preisfestsetzung sind nicht die Zulassungsbehörden zuständig. Meine persönliche Meinung ist, dass der Preis für ein Arzneimittel wie zum Beispiel Sovaldi völlig überzogen ist, selbst wenn dieses neue Arzneimittel einen großen medizinischen Fortschritt mit sich bringen würde.

Die besten rezeptfreien Medikamente für Kinder
HustenstillerSilomat DMP enthält den Wirkstoff Dextromethorphan, der gegen trockenen Reizhusten hilft. Geeignet sind die Pastillen für Kinder ab sechs Jahren. Sie sollten aber nur über wenige Tage eingenommen werden, da die Gefahr der Abhängigkeit besteht.Quelle: Stiftung Warentest. In dieser Galerie ist eine Auswahl zu sehen. Der komplette Test, der 80 Medikamente umfasst, kann gegen Gebühr bei der test.de heruntergeladen werden. Bild: Boehringer Ingelheim Quelle: Presse
Meerwasser-NasenspraySpülungen der Nase und Nebenhöhlen mit Salzwasser tun gut und sind auch schon bei Babys möglich. Das Salzwasser löst Verkrustungen und kann Staub, Pollen und Bakterien ausspülen. Quelle: Fotolia
Fieber und SchmerzenLaut Stiftung Warentest sind die Wirkstoffe Paracetamol oder Ibuprofen geeignet. Bei den verschiedenen Präparaten sollte man die Dosierungsanleitungen genau beachten. So sind etwa die Paracetamol-Ratiopharm-Zäpfchen 75 mg für Babys von drei bis sechs Kilo geeignet. Quelle: Fotolia
Fieber und ScherzenDer Ibuflam Kindersaft enthält den Wirkstoff Ibuprofen und ist für Säuglinge ab sechs Monaten geeignet. Aspirin, ASS und andere Produkte mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure sollte man Kindern unter zwölf Jahren nicht geben. In seltenen Fällen kann die Chemikalie das sogenannte Reye-Syndrom auslösen, das mit schweren bis tödlichen Leber- und Gehirnschäden einhergeht. Quelle: Presse
HustensaftDer pflanzliche Efeu 1A Pharma Hustensaft enthält keinen Alkohol. Er ist daher schon für Kinder ab einem Jahr geeignet. Die Stiftung Warentest bemängelt allerdings, dass die Wirksamkeit von pflanzlichen Hustenmitteln noch besser wissenschaftlich belegt werden müsste. Man sollte bei pflanzlichen Mitteln übrigens nicht automatisch davon ausgehen, dass sie harmlos sind: So können etwa ätherische Öle wie Eukalyptus oder Menthol bei Babys und Kindern, die unter Asthma leiden, Atemnot auslösen. Im Ernstfall kann das lebensbedrohlich werden, warnt die Stiftung Warentest.Bild: 1 A Pharma GmbH Quelle: Presse
VerstopfungBei Verstopfung können Kinder laut Stiftung Warentest Laktulose einnehmen oder Glyzerin-Zäpfchen verwendet werden. Weil die Wirkstoffe dem Körper aber Wasser entziehen, sollten sie maximal über einen Zeitraum von zwei Wochen angewendet werden. Auch hier sollte man im Zweifelsfall den Arzt zu Rate ziehen. Die rezeptfreien Glycilax-Zäpfchen sind bereits für Neugeborene einsetzbar. Quelle: Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG
Durchfall und ÜbelkeitUm ein Austrocknen des Körpers zu verhindern, ist die Zufuhr von Flüssigkeit und Mineralien wichtig. Hier gibt es zum Beispiel Elektrolytlösungen zum Anrühren mit Wasser. Das Elotrans-Pulver ist auch für Neugeborene schon anwendbar. Quelle: Presse

Die EMA will für mehr Transparenz sorgen, da die Pharmakonzerne negative Aspekte klinischer Studien gegenüber der Öffentlichkeit gern unter Verschluss halten. Eine entsprechende Transparenz-Regelung ist gerade verschoben worden. Setzt sich da die Pharma-Lobby durch?

Hier steht das berechtigte Informationsinteresse von Wissenschaftlern und Patienten im Widerstreit mit dem ebenso berechtigten Interesse der Unternehmen, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bewahren. Ich finde: Informationen über den Ablauf von klinischen Studien müssen offengelegt werden, aber nicht alle Details.

Der Schweizer Konzern Roche hat gegenüber dem Forschernetzwerk Cochrane jahrelang Studien zu seinem umstrittenen Grippemittel Tamiflu zurückgehalten.

Das habe ich auch nicht verstanden. Die Konzerne legen den Begriff Geschäftsgeheimnis weit aus und geben nichts heraus, was nicht zwingend vorgeschrieben ist.

Also brauchen wir striktere Vorschriften?

Daran arbeitet die EMA ja gerade.

Ist es nachvollziehbar, dass Bayer die Akten zu einem Hormonpräparat aus den Siebzigerjahren nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?

Es dürfte für Bayer schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat.

Vor Jahren klagte sich der Witwer Lothar Schröder ins BfArM-Archiv. Dort fand er einen Hinweis, dass der Selbstmord seiner Frau durch ein Pfizer-Mittel ausgelöst worden sein könnte. Warum öffnet das BfArM nicht häufiger seine Türen?

Auch Behörden haben Beharrungsvermögen. Es ist gut, dass er den Hinweis zutage gefördert hat. Aber es gibt auf einen gerechtfertigten Verdacht Hunderte, an denen nichts dran ist. Wenn jeder unsere Bibliothek und Datenspeicher nutzen könnte, würde das unsere Arbeit lahmlegen. Die finanzielle Ausstattung ist jetzt schon knapp. Wir bekommen etwa neue Stellen grundsätzlich nur, wenn sie sich durch Gebühreneinnahmen refinanzieren. Es gibt Anfragen von Journalisten, Forschern und Unternehmen. Neulich hat eine Kollegin für eine Anfrage drei Tage lang kopiert. Dafür dürfen wir maximal 500 Euro nehmen.

Können Sie garantieren, dass in den Arzneien für deutsche Apotheken und Kliniken immer genau das drin ist, was draufsteht?

Es gibt ein gewisses Risiko, dass Arzneimittel gefälscht sind, also keinen oder einen falschen, womöglich schädlichen Wirkstoff enthalten. Der Anteil liegt aber meines Erachtens immer noch unter einem Prozent.

Das ist noch zu viel. Wer kontrolliert das?

Die Zoll- und Polizeibehörden und die Überwachungsbehörden der Länder, mit denen wir eng zusammenarbeiten.

Für Kriminelle ist das ein lukratives Feld. Kürzlich sind in Italien Krebsmittel gestohlen worden. Wie groß ist die Gefahr?

Die italienischen Behörden haben uns gesagt, dass sie für die Sicherheit von Medikamenten aus ihrem Land nicht garantieren können. Derzeit wird etwa anhand der Lieferscheine der Importeure die Legalität der Lieferwege überprüft. Wir wissen aber nicht, wie lange der Betrug schon lief, bevor er aufflog. Wir müssen davon ausgehen, dass ein gewisser Anteil Patienten und Krankenhäuser erreicht hat.

Wie können Patienten sich schützen?

Fälschungen fallen oft nicht auf, zumal sie mit deutschen Beipackzetteln ausgestattet werden. Es gibt Forderungen, bestimmte Importwege von Arzneimitteln generell abzuschaffen. Aber das hilft nicht wirklich. Kriminelle Energie findet immer Wege.

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