Auf Jahrestagung VW schwört US-Händler auf bessere Zeiten ein

Markenchef Diess sucht nicht nur in Las Vegas die Nähe seiner US-Händler: Er will enger mit Autohändlern zusammenarbeiten und peilt nach Dieselgate „konsistentes Wachstum“ in Amerika an. Doch viele Details bleiben offen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Händler in den USA fordern eine ganze Reihe von neuen Maßnahmen aus Wolfsburg. Quelle: dpa

Ohne Bodyguards, ohne Entourage: Auf einem Empfang der amerikanischen VW-Händler in Las Vegas mischen sich der VW-Markenchef Herbert Diess und der neue Nordamerika-Chef Hinrich Woebcken unters Volk. Ganz „Down to Earth“ wie man in Amerika sagt.

Bei den Händlern, die am Wochenende zur Jahrestagung nach Las Vegas gereist sind um mit den VW-Managern über die Zukunft zu diskutieren, kommt das gut an. „So etwas hat es unter Winterkorn nicht gegeben“, sagt Auto-Händler Miles Brandon, der bereits seit 19 Jahren in San Juan Capistrano südlich von Los Angeles VWs verkauft.

Diess und Woebcken sind gekommen, um die 652 unabhängigen Händler in den USA zu beruhigen. Die Lage ist nach dem Diesel-Skandal angespannt. Der überraschende Abgang von US-Chef Michael Horn hat die Händler zusätzlich verunsichert.

Das neue Who is Who im VW-Konzern
Stefan Knirsch Quelle: Audi
Hinrich Woebcken Quelle: dpa
Neuer Generalbevollmächtigter für die Aggregate-Entwicklung: Ulrich EichhornVolkswagen hat einen neuen Koordinator für die Aggregate-Entwicklung auf Konzernebene. Der WirtschaftsWoche bestätigte Ulrich Eichhorn, dass er im Frühjahr zu VW zurückkehrt. Der 54-Jährige kommt vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), wo er die Verantwortung für die Bereiche Technik und Umwelt inne hatte. Zuvor war Eichhorn neun Jahre lang Entwicklungsvorstand bei der VW-Tochter Bentley. Eichhorn wird nicht Mitglied des Vorstands, sondern berichtet als Generalbevollmächtigter direkt an VW-Chef Matthias Müller – ähnlich wie der neue Chef-Stratege Thomas Sedran. Quelle: Presse
Der neue Generalbevollmächtigte für Außen- und Regierungsbeziehungen: Thomas StegEs ist kein Wechsel der Funktion, sondern der Zuordnung: Thomas Steg ist seit 2012 Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns für Außen- und Regierungsbeziehungen. Bislang war dieser Bereich Bestandteil der Konzernkommunikation. Jetzt ist das Team um Steg als eigenständiger Bereich in das Ressort von VW-Chef Matthias Müller zugeordnet, an den Steg persönlich berichtet. Der diplomierte Sozialwissenschaftler wird zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit verantworten. „Mit der Bündelung der Konzernzuständigkeiten und der neuen Zuordnung des Themas Nachhaltigkeit trägt Volkswagen dessen wachsendem Gewicht Rechnung“, teilte der Konzern mit. Steg begann seine berufliche Laufbahn 1986 als Redakteur der Braunschweiger Zeitung. Danach war er Pressesprecher zunächst des DGB Niedersachsen/Bremen, ab 1991 des Niedersächsischen Sozialministeriums und ab 1995 der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen. 1998 übernahm er im Bundeskanzleramt die stellvertretende Leitung des Büros von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ab 2002 war er stellvertretender Regierungssprecher, ab 2009 selbstständiger Kommunikationsberater. Quelle: Presse
Der neue VW-Entwicklungsvorstand: Frank WelschKurz nach dem Bekanntwerden von Dieselgate wurde der Entwicklungsvorstand der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer, beurlaubt. Bei der Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember ernannte das Kontrollgremium Frank Welsch zu seinem Nachfolger. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur ist seit 1994 im Konzern. Über verschiedene Stationen in der Karosserie-Entwicklung, als Entwicklungsleiter in Shanghai und Leiter der Entwicklung Karosserie, Ausstattung und Sicherheit der Marke Volkswagen arbeitete er sich zum Entwicklungsvorstand von Skoda hoch. Diesen Posten hatte Welsch seit 2012 inne.Sein Vorgänger Neußer verlässt den Konzern allerdings nicht, sondern steht laut VW-Mitteilung "dem Unternehmen für eine andere Aufgabe zur Verfügung". Quelle: Volkswagen
Der neue VW-Beschaffungsvorstand: Ralf BrandstätterRalf Brandstätter wird Vorstand für Beschaffung der Marke Volkswagen. Der 47-Jährige folgt in seiner neuen Funktion auf Francisco Javier Garcia Sanz, der die Aufgabe als Markenvorstand in Personalunion zusätzlich zu seiner Funktion als Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Beschaffung wahrgenommen hatte. In Zukunft wird Garcia Sanz zusätzlich zu seinen Aufgaben als Konzernvorstand Beschaffung die Aufarbeitung der Diesel-Thematik betreuen. Brandstätter kam 1993 in den Konzern. Seit dem ist der Wirtschaftsingenieur in verschiedensten Posten für die Beschaffung verantwortlich gewesen, zuletzt als Leiter Beschaffung neue Produktanläufe. Zwischenzeitlich war er auch Mitglied des Seat-Vorstands. Seit Oktober 2015 ist Brandstätter auch Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG. Brandstätter berichtet wie der ebenfalls neu berufene Entwicklungschef Frank Welsch direkt an VW-Markenvorstand Herbert Diess. Quelle: Volkswagen
Neuer VW-Personalvorstand: Karlheinz BlessingMitten in der größten Krise der Konzerngeschichte bekommt Volkswagen mit dem Stahlmanager Karlheinz Blessing einen neuen Personalvorstand. Der Aufsichtsrat stimmte am 9. Dezember bei seiner Sitzung dem Vorschlag der Arbeitnehmerseite für den vakanten Spitzenposten bei Europas größtem Autobauer zu. Blessing folgt damit auf den bisherigen Personalvorstand Horst Neumann, dieser war Ende November in den Ruhestand gegangen. Der Ernennung war eine lange Suche nach einem geeigneten Kandidaten vorausgegangen. Blessing (58) ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Stahlherstellers Dillinger Hütte. Zuvor war er Büroleiter des damaligen IG Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und Anfang der 1990er Jahre Bundesgeschäftsführer der SPD. 1993 ersetzte er als Arbeitsdirektor bei der Dillinger Hütte Peter Hartz, der damals zu VW nach Wolfsburg ging. Blessing sei gut in der IG Metall vernetzt, habe aber auch unternehmerische Erfahrung, hieß es in den Konzernkreisen. Quelle: dpa

Einige überlegen gar, Volkswagen zu verklagen, um für die finanziellen Einbußen durch die Abgasmanipulationen entschädigt zu werden – ein Schritt, der in der Branche als Hofverrat gilt und nur im äußersten Notfall denkbar ist. Ein auf Autobauer spezialisierter Anwalt hat einen Klageentwurf bereits vorbereitet. Nur für den Fall der Fälle und als Drohkulisse. „Der überwältigende Mehrheit der Händler ist sich einig, dass es derzeit nicht in unserem Interesse ist, über den Weg einer Klage zu gehen“, sagt Jason Kuhn, ein Autohändler aus Tampa im US-Bundesstaat Florida. Kuhn gehört zu einem neuen, fünf-köpfigen Investment Komitee, das stellvertretend für die Autohändler Entschädigungszahlungen mit VW aushandeln soll. Eine Summe wurde am Wochenende noch nicht genannt. Gespräche mit VW sollen „so schnell wie möglich“ beginnen, versicherte Kuhn.

Händler drängen auf neue Modelle

Das Geschäft ist seit Beginn des Skandals im September um durchschnittlich 25 Prozent eingebrochen, sagt der Chef des US-Händlerverbandes Alan Brown. Dabei wächst er Automarkt gerade so schnell wie selten zuvor.

Die Folgen von Dieselgate

Die Händler fordern eine ganze Reihe von neuen Maßnahmen aus Wolfsburg. Immer noch ist ungeklärt, wie die gut 500.000 betroffenen Fahrzeuge in den USA repariert werden sollen. Diess und Woebcken dürfen darüber selbst mit den Händlern nicht sprechen – der zuständige Richter hat VW bis zum 21. April Stillschweigen verordnet. Dann soll der Autobauer eine umfassende Einigung mit den Umweltbehörden und den betroffenen Autofahrern präsentieren. Auch fordern sie dringend neue Modelle.

Woebcken und Diess blicken derweil optimistisch nach vorn. „Wir arbeiten daran, die Marke Volkswagen in den USA neu zu definieren“, sagte Diess nach dem Händlertreffen. Der Absatz soll konstant und „über die Niveaus der Vergangenheit hinauswachsen.“ Dabei will Diess eng mit den Händlern zusammenarbeiten. „Mehr denn je wollen wir ihre Ideen und Bedürfnisse bei unseren Entscheidungen berücksichtigen“, versicherte er. Es ist ein wichtiges Signal. VW wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, den US-Markt nicht gut genug zu kennen. So hat VW in den vergangenen Jahren den Trend zu SUVs in den USA verpasst.

Kunden lieben ihren Diesel

Doch viele Details bleiben offen. Der Händlerverband fordert, den Absatz in den USA so schnell wie möglich auf 500.000 Stück pro Jahr hochzufahren. Nur so könnten sowohl VW als auch die Händler in den USA profitabel sein. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Im vergangenen Jahr verkaufte VW knapp 350.000 Fahrzeuge in den USA. Unter dem ehemaligen Chef Martin Winterkorn waren ursprünglich 800.000 Fahrzeuge angepeilt – bis 2018. Ob die Produktion auf 500.000 Fahrzeuge pro Jahr angekurbelt wird, darauf wollte sich Diess nicht festnageln lassen, berichten Teilnehmer der Konferenz. Er habe jedoch versichert, die Händler kurzfristig mit deutlich mehr zu versorgen.

Besonders gut verkauften sich im März der Golf Sportwagen, ein Kombi-Modell und der SUV Tiguan. Insgesamt sind die Absätze in den USA jedoch weiter eingebrochen. Bereits im März hatte VW bestätigt, künftig stärker auf SUVs zu setzen. Ende des Jahres soll ein Siebensitzer-Geländewagen im Werk in Chattanooga gebaut werden. Zudem soll der Tiguan als Langversion auf den US-Markt kommen.

Unklar ist die Zukunft der Diesle-Fahrzeuge in den USA, die vor der Krise gut ein Viertel der Verkäufe in ausgemacht hatten. Derzeit kann VW keine Diesel-Modelle mehr anbieten, solange mit den Umweltbehörden keine Einigung gefunden ist. Händler Miles Brandon hofft darauf, dass die Diesel zurückkommen. „Viele meiner Kunden lieben ihren Diesel und statt auf Benziner oder E-Autos umzuschwenken, warten sie erst einmal ab, was passiert.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%