Aufzuggeschäft Warum ein Zusammenschluss von Thyssenkrupp und Kone sinnvoll wäre

Der Thyssenkrupp-Testturm in der chinesischen Stadt Zhongshan.Foto: Thyssenkrupp Elevator Quelle: Presse

Ohne Aufzüge und Fahrtreppen geht an Flughäfen, Bahnhöfen und in Hochhäusern nichts. Doch der Preiskampf beim Bau neuer Anlagen ist groß, das Wartungsgeschäft kleinteilig. Gemeinsam wären die Konzerne stärker.

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Kilometerweit ist das blaue Logo des Essener Industriekonzerns Thyssenkrupp auf dem 248 Meter hohen Turm in der chinesischen Stadt Zhongshan zu sehen. Neue Aufzüge mit superschnellen Kabinen testen die Deutschen dort. Auch ein neues Werk hat Thyssenkrupp in der Stadt im Perlflussdelta gerade erst gebaut. Schließlich ist China in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Markt für die gesamte Branche geworden. 900.000 Aufzugsanlagen werden pro Jahr weltweit verbaut. Mit 500.000 Stück mehr als die Hälfte davon in China. Schätzungen lauten, dass 2020 bis zu 40 Prozent aller Fahrstühle weltweit im Reich der Mitte installiert sein werden.

Auch wenn sich die Konjunktur in China abschwächt, Chinas Stadtbevölkerung wächst weiter. Und kaum ein Gebäude in den chinesischen Riesen-Metropolen wie Peking, Tianjin oder Hebei ist weniger als zwanzig Stockwerke hoch. Bis 2050 sollen 80 Prozent der Chinesen in Hochhäusern wohnen – und die brauchen Fahrstühle.

Die Drei-Millionen-Einwohner-Stadt Zhongshan ist die Hauptstadt der Fahrstuhlbauer in China. Neben Thyssenkrupp haben sich hier zahlreiche Hersteller von Aufzügen und Fahrtreppen angesiedelt. In Sichtweite der Thyssenkrupp-Fabrik stehen mehrere kleine Testtürme der Konkurrenz.

Jürgen Böhler, China-Chef von Thyssenkrupp Elevator, ist sich sicher: Gegenüber der Konkurrenz punkten die Thyssenkrupp-Aufzüge nicht nur mit hohen Sicherheitsstandards, sondern auch mit Service. „In China suchen Kunden nicht nur nach Verkäufern von Fahrstühlen, sondern auch nach einem Serviceanbieter, der die Wartung übernimmt“, erläutert Böhler. Da profitiere Thyssenkrupp von seinem landesweiten Netzwerk, das viele junge chinesische Anbieter nicht bieten könnten. Zudem müssen Fahrstühle im Schnitt nach 15 Jahren ausgetauscht werden. „In diesem Bereich sehen wir großes Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren“.

Junge chinesische Firmen sind aber nicht die Hauptwettbewerber von Thyssenkrupp in diesem Markt. Die drei großen westlichen Unternehmen Otis aus den USA, Schindler aus der Schweiz und Kone aus Finnland sind die größten Konkurrenten. Otis steht seit Jahren an der weltweiten Spitze mit einem Marktanteil von 18 Prozent. Dann folgen mit jeweils 14 Prozent Schindler und Kone und Thyssenkrupp auf Platz vier mit 13 Prozent. Auf den hinteren Plätzen fünf bis acht rückt die japanische Konkurrenz heran – mit Mitsubishi, Hitachi, Toshiba und Fujitec mit jeweils nur noch einstelligen Prozentanteilen. Sie alle buhlen vor allem in China um neue Installationen. Das große Angebot drückt auf die Preise.

Thyssenkrupp ist stolz darauf, in nur knapp 40 Jahren seit dem Einstieg ins Aufzugsgeschäft auf Platz vier der Weltspitze vorgerückt zu sein. Viele andere sind mindestens doppelt so lange im Geschäft. Inzwischen sind die Aufzüge die Vorzeigesparte beim Essener Industriekonzern. Sie macht bei zuletzt knapp acht Milliarden Euro Umsatz immerhin rund 40 Prozent des Gesamtgewinns von 1,9 Milliarden Euro von Thyssenkrupp aus. Gleichzeitig aber ist die Konkurrenz besser, erwirtschaftet mit demselben Geschäft bessere Margen als die Essener. Dazu kommt: ausgerechnet das lukrative Dienstleistungsgeschäft, also die Instandhaltung und Modernisierung von Aufzügen, ist sehr kleinteilig. Da gibt es unzählige größere und kleinere Konkurrenten die um Aufträge buhlen, vor allem in China.

Druck auf Thyssenkrupps Aufzugssparte steigt

Seit Monaten drängeln Großaktionär Cevian und seit Juni auch der US-Hedgefonds Elliott den Thyssenkrupp-Vorstand, endlich mehr rauszuholen aus ihrer Aufzugssparte mit 50.000 Mitarbeitern. Befreit vom engen Korsett im Thyssenkrupp-Konglomerat könnte das Geschäft allein oder in einem Joint Venture wirtschaftlich noch viel besser dastehen, sind sie überzeugt.

Der Druck auf Thyssenkrupp-Elevator-Chef Andreas Schierenbeck wird jetzt, nachdem der Essener Industriekonzern nach zwei Jahren mühsamer Verhandlung sein Stahlgeschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem indischen Konkurrenten Tata auslagert, noch steigen. Spätestens dann, wenn ein Nachfolger für Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger gefunden ist, der Anfang Juli entnervt über die Kritik seiner Investoren seinen Posten an der Spitze des Industrieunternehmens aufgab. Auch für die Spitze des Aufsichtsrates braucht es jemand Neues: Aufsichtsratschef Ulrich Lehner hatte kurz nach Hiesingers Rücktritt erklärt, er wolle sein Mandat im obersten Kontrollgremium von Thyssenkrupp Ende Juli aufgeben.

Der oder die Neue an der Spitze des Essener Konzerns wird nicht darum herum kommen, sich eine neue Strategie für das Unternehmen zu überlegen, und muss dabei nicht nur einen Konsens mit den Arbeitnehmervertretern, die sich vor einer Zerschlagung des Unternehmens fürchten, sondern auch mit den Investoren finden.

Im Aufzugsgeschäft könnte sich tatsächlich ein Gemeinschaftsunternehmen mit einem Konkurrenten lohnen – wie schon im Stahl mit Tata. Möglich wäre zum Beispiel der finnische Konzern Kone, der schon vor zwei Jahren in Essen anklopfte, um über eine Zusammenarbeit zu reden. Wie Thyssenkrupp setzt Kone auf Innovationen. Im Jahr 2016 landete Kone in der Rangliste des US-Wirtschaftsmagazins "Forbes" in den Top 100 der weltweit innovativsten Unternehmen auf Platz 56. Wiederholt ist Kone damit als einziger Hersteller von Aufzügen und Rolltreppen in dieser Liste vertreten. Auf der europäischen Rangliste der innovativsten Unternehmen erreichte Kone sogar Platz 8.

Joint Venture brächte Synergien bis zu 900 Millionen Euro

Ein 50:50 Joint Venture zwischen Thyssenkrupp und Kone könnte Synergien von 500 bis 900 Millionen Euro bringen, haben Analysten berechnet. Dabei könnten sie die Kosten für Neuinstallationen reduzieren, das Geschäft beider Firmen weltweit diversifizieren und das Servicenetz ausdehnen. Die Finnen sind heute schon stärker in China engagiert als Thyssenkrupp im Aufzugsgeschäft. Rund 27 Prozent des Umsatzes macht Kone in China. Thyssenkrupp erwirtschaftet erst zwischen 15 und 20 Prozent seiner Umsätze mit Aufzügen im Reich der Mitte, ist dafür aber im US-Markt führend.

In Nordamerika macht Thyssenkrupp immerhin 35 Prozent seines Umsatzes und das vor allem im lukrativen Dienstleistungsgeschäft. In den USA treibt Thyssenkrupp sein Aufzugsgeschäft weiter voran. In einen neuen Hauptsitz und einen neuen Testturm in der Südstaaten-Stadt Atlanta wollen die Deutschen einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, wie der Konzern vor wenigen Tagen mitteilte. „Wir investieren 150 bis 250 Millionen US-Dollar in die gesamte Anlage samt Testturm, Headquarter und Innovation-Center“, sagte Thyssenkrupp-Aufzugs-Chef Schierenbeck. Der Testturm des Konzerns wäre der dritte dieser Art neben einer Anlage in Rottweil in Baden-Württemberg und der neuen Anlage in China.

Bei Kone allerdings macht sich der Preisdruck vor allem in China schon negativ bemerkbar. Der Gewinn sei im vergangenen Quartal wegen sinkender Preise stärker gefallen als erwartet, teilten die Finnen mit. Schon 2015 hatte die WirtschaftsWoche über ein Interesse von Kone an Thyssenkrupp berichtet. Vor wenigen Wochen sagte Kone-Chef Henrik Ehrnrooth, in der Aufzugsbranche sei Raum für Konsolidierung. Gefährden könnten einen solchen Deal zwischen Kone und der Aufzugssparte von Thyssenkrupp nicht nur Dritt-Interessenten, sondern vor allem die Kontrollbehörden. Kone und die Thyssenkrupp-Aufzüge kämen zusammen auf einen weltweiten Marktanteil von rund 27 Prozent.

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