Autobahn-Bau Dubiose Akteure im deutschen Straßenbau

Dubiose Akteure im deutschen Straßenbau Quelle: dpa

Während die Staatsanwaltschaft noch immer ermittelt, ob es 2015 bei einer spektakulären Pleite im deutschen Straßenbau mit rechten Dingen zuging, ist einer der damaligen Hauptakteure schon wieder dick im Geschäft – diesmal in Brandenburg.

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Um zu verstehen, warum das kleine Bauunternehmen Straßen- und Tiefbau Welzow (STW) aus dem brandenburgischen Städtchen Welzow öffentliches Interesse verdient, muss man erst einmal zurückschauen. Und zwar nach Mannheim, in die ruhmlose Ära des Ex-Politikers Roland Koch beim damaligen Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger.

Am 12. November 2013, ein Dreivierteljahr vor seinem Abgang, kam der prominente Konzernchef bei einer Telefonkonferenz gehörig ins Schwimmen. Auf Fragen der WirtschaftsWoche, warum Koch die verlustbringende Bilfinger-Straßenbausparte an eine unbekannte Neugründung namens Betam verkaufe und wer die drei branchenfremden Investoren hinter Betam seien, rettete sich der eigentlich eloquente Koch am Ende in ein haltloses Bekenntnis zu den Geschäftspartnern: „Die haben das Know-how, und sie haben das Geld.“

Mit dem Know-how war es nicht weit her. WirtschaftsWoche-Recherchen ergaben: Ein früherer Notar namens Roland Müller, der gegenüber den Medien und gegenüber den Betam-Beschäftigten als Beauftragter der drei geheimnisvollen Investoren und wie der operative Chef von Betam auftrat, hatte mehrere Insolvenzen in der Brauereibranche zu verantworten. Drei Monate nachdem Bilfinger den Geldgebern um Müller Geschäft und Mitarbeiter anvertraute, wurde der damals 58-Jährige vom Landgericht Erfurt wegen Insolvenzverschleppung bei der Braugold-Brauerei verurteilt. Der Richterspruch vom 11. Februar 2014 (AZ 362Js18545/ 0844Cs) bestätigte dabei weitgehend ein erstinstanzliches Urteil von 2011.

Bilfinger räumte ein, „zum Zeitpunkt der Veräußerung“ nichts von Müllers Vorgeschichte gewusst zu haben – auch nicht „vom laufenden Verfahren wegen eines unterlassenen Konkursantrags“. Beschämend für ein damals noch im MDax notiertes Unternehmen, das sich dem Papier nach hohen Compliance-Grundsätzen verpflichtet fühlte. Und verantwortungslos gegenüber den Mitarbeitern.
Denn anderthalb Jahre später, im Juli 2015, rutschte Betam – inzwischen durch weitere Zukäufe eine beachtliche Größe im Straßenbau – spektakulär in die Pleite. Die inzwischen gut 450 Beschäftigten – rund die Hälfte davon noch ehemalige Bilfinger-Leute - verloren ihre Jobs. Wochenlang lagen vor dem Stellen des Insolvenzantrags Autobahnbaustellen in ganz Deutschland brach, weil Betam die Arbeiten eingestellt hatte.

100 Millionen Euro Schaden für die Gläubiger

Die Staatsanwaltschaft Bochum will ihre seit drei Jahren laufenden Ermittlungen wegen des Verdachts, dass es bei der Betam-Insolvenz nicht mit rechten Dingen zuging, in den nächsten Monaten abschließen. Konkret geht es dabei offenbar unter anderem um undurchsichtige Geschäfte mit schweren Baumaschinen, die Betam in den Ruin getrieben haben könnten. Verantwortliche des Betam Gläubigers Geiger Stein- und Schotterwerke aus dem oberbayrischen Kinding bestätigten unserer Redaktion: „Betam verfügte plötzlich über Maschinen, die man mit dieser Größe und Ausstattung vielleicht in australischen Goldminen oder im taiwanischen Dschungel braucht, aber nicht als normales deutsches Straßenbauunternehmen.“

Unbezahlte Rechnungen über eine insgesamt hohe sechsstellige Summe unter anderem für Asphaltmischgut muss das bayrische Unternehmen durch die Betam-Insolvenz vermutlich endgültig abschreiben. Insgesamt drohen frühere Betam-Geschäftspartner auf einem Schaden von rund 100 Millionen Euro sitzen zu bleiben.

Auch ein früherer Bilfinger- und Betam-Polier, der nun bei einem großen internationalen Straßenbauunternehmen arbeitet, bestätigt die undurchsichtigen Maschinen-Geschäfte, die es zuvor bei Bilfinger nie gegeben hatte: „Betam hat unter dem damaligen Management Maschinen gekauft, die wir gar nicht brauchten und kaum einsetzen konnten.“ Die Rechnungen der befreundeten Verkäufer und Verleiher dieser Maschinen hat das Betam-Management nach Darstellung früherer Betam-Mitarbeiter zuverlässig bezahlt. Das leerte offenbar langsam die Kasse. Gleichzeitig blieben Lohnzahlungen teilweise aus, und andere Betam-Geschäftspartner, die vergebens auf Geld warteten, lieferten nicht mehr. So kam es bald zum Stillstand der Baustellen und zur Insolvenz.

Nun, drei Jahre nach dem Untergang des Bochumer Unternehmens, melden sich frühere Bilfinger- und Betam-Mitarbeiter, die inzwischen in Brandenburg arbeiten, fassungslos bei unserer Redaktion und sagen: „Er ist wieder da.“ Er, das ist Roland Müller.

Wieder ist der Betam-Totengräber, der sich noch über Roland Kochs "wenig professionelle“ Kommunikation beschwert hatte, bei einem Straßenbauunternehmen aktiv: bei STW aus Welzow. Wieder ist seine eigene Rolle dabei undurchsichtig. Wieder tauchen Personen auf, die schon bei Betam Strippen zogen. Und wieder geht es um groß dimensionierte Baumaschinen – manche davon hellgelb lackiert wie damals der Betam-Fuhrpark. Und wieder geht es – natürlich - um eine Autobahnbaustelle, an der nichts passiert.

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