Autohandel Angst vor dem großen Händlersterben

Die digitale Konkurrenz für den Autohandel wächst, die Kundschaft wird wählerischer. Eine neue Studie wagt eine düstere Prognose: Händler, die ihr Geschäftsmodell nicht radikal verändern, werden vom Markt verschwinden.

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Schild Neuwagen Quelle: dpa

Auf den ersten Blick wirkt die Welt des Autohandels in Deutschland noch in Ordnung. Die Zahl der Insolvenzen ist zuletzt gesunken, das Servicegeschäft wächst nach Jahren der Stagnation wieder und auch die Investitionen legen zu. 858 Millionen Euro wurden allein im vergangenen Jahr investiert, um die Autohäuser zu modernisieren – fast 46 Prozent mehr als im Vorjahr.

Doch die vermeintlich heile Welt der Autohändler steht vor einem gewaltigen Umbruch. Das zeigt die neue Studie „Autohaus 2025“ des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) im Auftrag der Prüforganisation Dekra. Die Aussichten der Händler sind nach Ansicht der Autoren düster: „Die Entwicklung in der Branche ist an einem Punkt angelangt, wo es tatsächlich um die Grundsatzfrage geht: Hat der stationäre Handel überhaupt noch eine Zukunftschance?“

Der Autohandel, der in Deutschland immer noch rund 460.000 Menschen beschäftigt, leidet unter der Digitalisierung. „Wir rechnen damit, dass die Zahl der Vertragshändler in Deutschland von 6.900 im Jahr 2016 auf 4.500 im Jahr 2020 sinken wird“, sagt Studienautor Willi Diez, Leiter des IFA. Kunden informieren sich vor dem Autokauf schon heute immer stärker im Internet, gehen immer seltener zum Händler. 42 Prozent aller Kunden denken bereits darüber nach, ihr nächstes Auto im Internet zu kaufen.

Die Händler drohen damit ihre Funktion als zentrale Anlaufstelle zu verlieren. In den vergangenen Jahren wurden immer noch 90 Prozent des Absatzvolumens über den vertragsgebundenen Autohandel abgewickelt. Diez sagt voraus, dass der digitale Autohandel künftig einen deutlich höheren Anteil am Geschäft haben wird.

Im Gebrauchtwagensegment ist heute schon sichtbar, wie stark die Digitalisierung den Autohandel verändert. „Der erste Kontakt für den Gebrauchtwageninteressenten sind heute nicht mehr die Autohäuser, sondern Gebrauchtwagenbörsen“, heißt es in der Studie. Eine Entwicklung, die große Automarken im Neuwagengeschäft unbedingt verhindern wollen. Sie drängen ihre Händler darauf, das digitale Geschäft auszubauen – oder gehen wie die Elektromarke Tesla gleich zum Direktvertrieb über. Neue Konkurrenten schielen heute bereits auf den Verkauf ohne Händlernetz.

Denn digital sind die deutschen Händler im Digitalgeschäft schlecht aufgestellt. Nur etwas mehr als ein Viertel der digitalen Instrumente würden heute vom Handel genutzt, heißt es in der IFA-Studie. Bei einem Drittel aller Händler ist es beispielsweise nicht möglich, einen Werkstatttermin online zu buchen. „Es scheint, als würde die Digitalisierung kleinere Autohausunternehmen tendenziell überfordern“, schreibt Diez.

Weniger Reparaturen, mehr Service


Daher könnte der digitale Wandel des Autohandels auch die Konzentration des Marktes verstärken. Schon heute beherrschen große Vertriebsgesellschaften den Markt. Zwischen den großen Flaggschiff-Stores am Stadtrand und den boutiqueartigen Autogeschäften in den Innenstädten, scheinen kleine Autohäuser in der Zukunft kaum noch einen Platz zu finden.

Denn der Wandel der Autoindustrie setzt verändert auch das Reparaturgeschäft der Niederlassungen. Seit dem Jahr 2010 sind die Reparaturaufträge pro Fahrzeug um 20 Prozent gesunken. Mit dem Umstieg auf elektrische Antriebe und das autonome Fahren dürfte das Geschäft mit den Reparaturen weiter sinken, sagen die Autoren voraus. Ölwechsel fallen aus, Verschleißteile wie Bremsen müssten seltener ersetzt werden. Und mit dem selbstfahrenden Auto dürfte auch der klassische Blechschaden Geschichte sein.

Dafür müssten die Händler an ihrem Selbstverständnis arbeiten. „Wer Kunden und Herstellern einen Mehrwert bietet, wird überleben, wer nicht, wird aus dem Markt ausscheiden“, schreiben die Autoren. Das Autohaus der Zukunft müsse zum digitalen Geschäft umgebaut werden, das im Gegensatz zur Konkurrenz im Netz auch reale Dienstleistungen wie Testfahrten oder komplexe technische Beratung anbieten könne. Dazu müsse das Personal entsprechend geschult werden. „Das ist für zahlreiche Autohäuser ein Perspektivenwechsel, den viele Inhaber und Geschäftsführer so noch gar nicht verstanden haben und nachvollziehen können“, heißt es in der Studie.

Wem die Deutschen vertrauen
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Um die Anreize für den Händler zu erhöhen, den Wandel aktiv mitzugestalten, sind nach Ansicht der Autoren aber auch die Autokonzerne gefragt. Die Vergütungsmodelle dürften sich nicht mehr allein an der Zahl der verkauften Autos orientieren, sondern auch guten Service belohnen. Wer einen Kunden gut berate, müsse auch dann verdienen, wenn das Auto am Ende online gekauft werde.

Denn für den Umstieg in die neue Autowelt bleibt den Händlern nicht mehr viel Zeit. Schon 2020 könnte nach Ansicht der Autoren jedes fünfte Auto online verkauft werden.

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