Autokauf im Internet Die Amazonisierung des Autohandels

Bislang werden vor allem Gebrauchtwagen im Internet gehandelt. Doch demnächst soll der gesamte Autohandel digitalisiert werden – mit ersten Modellen über Amazon. Was das für Händler und Hersteller bedeutet.

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Viele Käufer möchten nicht auf die Testfahrt verzichten. Quelle: gms

Düsseldorf Das Internet hat den Handel innerhalb weniger Jahre rasant verändert. Zunächst war es Amazon, das die Buchhändler unter Druck setzte. Dann fingen Modehändler wie Zalando an, mit den Läden in der Innenstadt zu konkurrieren. Und mittlerweile werden selbst Lebensmittel immer öfter über das Netz verkauft.

Allein der Autohandel findet zu großen Teilen immer noch im Autohaus statt. Im vergangenen Jahr wurde weltweit nur jeder zehnte Neuwagen im Internet gekauft. Und dabei wurden sogar die Käufe mitgezählt, die zwar im Netz angebahnt, aber letztlich über einen niedergelassenen Händler abgewickelt wurden.

Doch die Nachfrage nach dem digitalen Autokauf soll laut einer neuen Studie der Unternehmensberatung Capgemini Consulting deutlich zunehmen. Dafür wurden Verbraucher in China, Deutschland und den USA zu ihrem Verhalten beim Autokauf befragt. Rund drei Viertel aller Befragten könnten sich demnach vorstellen, ihr nächstes Auto im Netz zu kaufen. Gerade bei jungen Käufern steigt das Interesse, ihr Auto so zu kaufen, wie sie es auch in anderen Bereichen gewohnt sind.

Denn bislang funktioniert der Autohandel seit Jahren nach einem ähnlichen Prinzip: Kaufpreise werden beim Autohändler meist verhandelt. Das hinterlässt bei vielen Käufern die Unsicherheit, zu viel bezahlt zu haben. Erfolgreiche Autohändler im Netz müssten nach Ansicht der Berater darum mit Niedrigpreisgarantien und einer stärkeren Vergleichbarkeit der Angebot arbeiten.

Für die Unternehmensberater gibt es Gründe dafür, dass der Autohandel im Netz bislang noch keine großen Marktanteile erobert hat. „Die Autohersteller sind besorgt, welche Folgen der Online-Handel für die Händler haben könnte“, sagt Capgemini-Autoexperte Markus Winkler. Darum scheuen viele davor zurück, im Netz große Rabatte zu gewähren und halten zu oft am bisherigen Vertriebsmodell fest.

Doch das könnte in den kommenden Jahren nicht mehr reichen. Kleinere Automarken ohne großes Händlernetz haben es leichter, ihren Handel zu digitalisieren. Elektropionier Tesla setzt auf einen Direktvertrieb, bei dem der erste Kontakt in der Regel im Netz zustande kommt. Auch der chinesische Marke „Lync & Co“ setzt auf digitale Vertriebsmodelle.


Lieber Hersteller statt Internetriese

Die angestammte Industrie antwortet mit eigenen Pilotprojekten. Vor wenigen Monaten verkündete der amerikanisch-italienische Konzern FCA (Fiat-Chrysler) eine Kooperation mit Amazon. Über die Handelsplattform verkauft der Hersteller im Heimatmarkt Italien den Kleinwagen 500, den 500L und den Fiat Punto mit deutlichem Rabatt. Abgewickelt werden die Käufe dann durch lokale Händler.

Deutsche Premiumhersteller wie Audi, BMW und Mercedes setzen dagegen auf eigene Initiativen und versuchen den Einkauf im Netz zum Erlebnis zu machen – mit virtuellen Schauräumen und Konfiguratoren. Allein die Elektromodelle der Submarke BMWi werden über den Direktvertrieb verkauft.

In Zukunft, da ist sich Capgemini-Experte Winkler sicher, soll sich zwar die Rolle der Händler verändern – doch verschwinden werden sie nicht. „In zehn Jahren wird es weiterhin Vertriebsmodelle mit Händlern geben, da Kunden das Produkt weiterhin physisch erleben wollen“, sagt er. Denn bislang gibt es vor allem einen Grund, warum der Autokauf im Internet nicht vorankommt: Rund 82 Prozent aller Befragten geben an, dass sie auf eine Testfahrt nicht verzichten möchten.

Ein weiteres Ergebnis der Capgemini-Studie ist eine gute Nachricht für die Autoindustrie. Denn bislang ist das Vertrauen, dass die Kunden den Herstellern beim Autokauf entgegenbringen noch weit ausgeprägt: Nur elf Prozent würden ein Auto bei IT-Riesen wie Apple oder Google kaufen. Einen Online-Autokauf direkt beim Hersteller könnten sich 57 Prozent aller Befragten vorstellen.

Zurücklehnen kann sich die Industrie nach Ansicht der Berater aber nicht. „Ich sehe derzeit nicht, dass sich die Technologiekonzern zu ernsthaften Konkurrenten beim Verkauf von Autos entwickeln, aber ich sehe, dass sie eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Telematikdiensten spielen“, sagt Capgemini-Experte Winkler. Verändert sich das Kundenverhalten weg vom Autokauf hin zu der Nutzung von Mobilitätsdiensten, könnte die größere Bedrohung damit erst noch folgen.

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