Das kupferne Rohr führt die Wand entlang, macht eine korrekte 90-Grad-Kurve davon weg und mündet ein kleines Stück weiter unten in einen ebenfalls kupfernen Trichter. Das Gebilde aus Rohren, Muffen und Trichtern erinnert an feine Mechanik, an polierte Leitungen, an Industrie-Maschinen aus dem vergangenen Jahrhundert. Es ist aber nichts anderes als eine Dusche.
Die Dusche von morgen, wenn man das vom Armaturen-Hersteller Hansgrohe beauftragte Desgin-Trio Front fragt. Mit der verwinkelten Konstruktion der Kupferrohre machen die Designer das sichtbar, was sich normalerweise hinter weiß gekachelten Wänden versteckt. Die Wände des Badezimmers werden so aufgebrochen, neue Materialien, Farben, Technik halten Einzug.
Im Badezimmer ist der Luxus angekommen: Das Bad erlebt eine Wandlung, von der „Nasszelle“ zum „Wellness-Tempel“. Hotels mit Design-Badezimmern und immer üppiger ausfallenden Spa-Anlagen machen es vor, und auch in den eigenen vier verfliesten Wänden halten freistehende Badewannen, Regenduschen und Designer-Armaturen vermehrt Einzug – und das nicht nur im wohlhabenden Westen, sondern auch in aufstrebenden Schwellenländern. Davon profitieren auch die deutschen Hersteller.
Bad-Branche im Aufwind
„Die Branche genießt international einen guten Ruf“, sagt Jens Wischmann vom Verband der Sanitärindustrie (VDS). Seit vier Jahren wächst der Umsatz der Branche, im vergangenen Jahr laut Schätzungen des Wirtschaftsforschungsinstitut ifo um 1,9 Prozent. Beim Exportgeschäft legte die Branche sogar um 2,8 Prozent zu. Rund 3,7 Milliarden Euro erwirtschaften die Hersteller durch den Export, sagt Wischmann. Burgbad, Dornbracht, Villeroy&Boch oder Grohe heißen die Marken, die sich in Edelhotels in Deutschland und auf der ganzen Welt wiederfinden.
Unternehmen wie Hansgrohe aus dem Schwarzwald und Duravit machen mittlerweile 80 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Sie suchen das Wachstum in Südamerika, Asien und auch Afrika. Denn gerade in den Ländern, in denen fließendes Wasser noch längst nicht in jedem Dorf Standard ist, gilt das Badezimmer als Ausdruck von Wohlstand.
Die Globalisierung verlangt Umdenken von den deutschen Ingenieuren: Die verschiedenen Nationalitäten haben nicht nur einen unterschiedlichen Geschmack, sondern auch unterschiedliche Gewohnheiten. Japaner reinigen sich gerne unter der Dusche, bevor sie in die Wanne steigen. Klopapier wird in Asien nicht genutzt, stattdessen setzt man sich in vielen Ländern auf das sogenannte Dusch-WC – und reinigt sich per Knopfdruck mit einem Wasserstrahl oder einem Wasserschlauch. Außerdem müssen die Ingenieure besonders bei der Konstruktion von Duschen darauf achten, dass Asiaten in der Regel kleiner sind als Europäer.
Hansgrohe macht alleine in China 80 Millionen Euro Umsatz. In den kommenden Jahren soll die Zahl auf 100 Millionen Euro steigen, mit Hilfe von glänzenden Armaturen in Kupfer und Gold. Früher habe es geheißen, die Asiaten hätten am liebsten einen goldenen Buddha als Wasserhahn, erzählt der Hansgrohe-Vorstandsvorsitzende Siegfried Gänßlen. „Die zeigen ihren Wohlstand viel offener“, sagt er. Vor allem die Chinesen mögen es „blinky blinky“. Ähnlich verhält es sich in Südafrika oder Russland. „Die Russen sind einfach viel verspielter“, sagt der auf Badezimmer spezialisierte Inneneinrichter Thorsten Müller. „Da ist goldener Stuck ein Muss.“
Gemütlichkeit statt Prunk in deutschen Badezimmern
So viel Prunk ist in Deutschland nicht gefragt. Die Deutschen setzen stattdessen auf höherwertige Einrichtung, die auch über Jahrzehnte Bestand hat, sagt Verbands-Geschäftsführer Jens Wischmann. Zum Beispiel auf ebenerdige und große Dusch-Kabinen, die auch im Alter praktisch sind. Aber auch hierzulande geht der Trend zur Zweit-Brause: Über dem Kopf hängt der Regenfall-Duschkopf, an der Stange eine zweite Handbrause, mit der man sich die Seifenreste vom Körper spritzen kann.
Das Badezimmer wird farbenfroher, gemütlicher. Statt weißen Kacheln setzen Inneneinrichter heute auf Naturstein-Fliesen oder Holz. Auch ganz ungewöhnliche Wandverkleidungen wie Tapete aus getrocknetem Moos seien immer häufiger zu sehen, sagt Thorsten Müller. Als Inneneinrichter sorgt er im Badezimmer für das richtige Licht und exklusive Einrichtung. Der neueste Trend bei Armaturen: Kupfer- und Roségold-Töne. „Das bringt die Wärme zurück in den Raum“, sagt Müller.
Teurer Badespaß
35.000 Euro – so viel rechnet Müller für eine gehobene Ausstattung mit Badewanne und Regendusche mindestens ein. Tebartz-van Elst, der umstrittene Limburger Bischof, hat laut Prüfungsbericht für das Badezimmer im Bischofssitz 37.000 Euro ausgegeben – die Montage der Sanitäranlagen war in diese Summe nicht eingerechnet. Das Badezimmer im Bischofssitz in Limburg allerdings dürfte auch mehr Umfang gehabt haben als das deutsche Durchschnitts-Badezimmer mit seinen 7,8 Quadratmetern.
Teuerster Kostenpunkt im privaten Spa des Bischofs war dabei die freistehende Badewanne des Designers Philippe Starck, mit den Nackenstützen an beiden Enden. Wer die Wanne gleich noch mit Whirlpool ausstatten möchte, oder sich eine in der Dusche integrierte Dampfsauna wünscht, legt für sein Badezimmer 45.000 Euro auf den Tisch – Minimum. Bei anderen Herstellern wie der italienischen Marke Antonio Lupi kriegt man für diese Summe nur eine Badewanne. Die ist dann allerdings 2,5 Meter lang und aus Naturstein.
Nicht oft sind Menschen bereit, so viel Geld auszugeben. Und da liegt das Problem der Luxushersteller: Das Geschäft zieht nur, solange gebaut wird und die Menschen bereit sind zu investieren. In vielen wichtigen Absatzmärkten – in Spanien oder auch Italien – ist das nach der Krise nicht der Fall. „Nicht nur die Geschäfte im Luxussegment sind wichtig für uns, ebenso brauchen wir das Einstiegs-Segment für das Volumen", sagt Hansgrohe-Geschäftsführer Siegfried Gänßlen deshalb.
Mit Prestige-Projekten in Hotels und Stadien versuchen die Hersteller die privaten Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Grohe ist stolz darauf, im WM-Stadion Estádio Jornalista Mário vertreten zu sein: Das Stadion in Rio de Janeiro verwendete ein in die Wand eingebautes Gerüst mit dem Namen Rapid SL, das zum Beispiel Spülkästen und Toiletten halten kann. Hansgrohe, der Konkurrent aus dem Schwarzwald, hat die Stadien in Porto Alegre und Curitiba mit den Kopfbrausen „Crometta 85 green“ ausgestattet – das wassersparende Modell. Die allerdings sind bei deutschen Internethändlern auch schon für 20 Euro zu erhalten.