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Quelle: dpa

Impfstoffe sind die neuen Spaßbäder

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Die Staatsbeteiligung am Biotechunternehmen Curevac ist ein industriepolitischer Albtraum. Der neue Wirtschaftspatriotismus wird zur teuren Wette.

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Die Politik hätte beinahe alles richtig gemacht. Vergangenes Wochenende wird bekannt, dass Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande mit dem Pharmakonzern AstraZeneca einen Mammutdeal vorhaben. Das Quartett sichert sich bis zu 400 Millionen Impfdosen. Der Vertrag kann gelöst werden, sollten die Forscher scheitern. So stellt man sich intelligentes Staatshandeln vor. Es schützt die Gesundheit der Bevölkerung und sichert vorausschauend die nötigen Mittel dafür – ohne Unternehmer zu sein, den Wettbewerb zu verzerren oder viel zu riskieren.

Doch nur zwei Tage nach Bekanntwerden des Superdeals tritt Wirtschaftsminister Peter Altmaier vor die Presse und präsentiert den industriepolitischen Albtraum. Der Staat übernimmt für 300 Millionen Euro eine Beteiligung am Tübinger Biotechunternehmen Curevac.

Warum? Weil deren Forscher den Impfstoff gegen Covid-19 finden. Vielleicht. Aber vielleicht entdeckt ihn ein anderes deutsches Unternehmen oder amerikanisches ... . Vielleicht wollte Donald Trump sich ja wirklich Curevac schnappen, vielleicht auch nicht. Großaktionär und Milliardär Dietmar Hopp beabsichtigte jedenfalls nie, die Firma in die USA zu verkaufen, sagt er. Und dass er und sein Co-Investor Bill Gates nicht fähig sind, 300 Millionen Euro aufzutreiben, glaubt kein Mensch – außer die Firma ist nichts wert oder die Milliardäre sind müde vom Geldverbrennen, und planen vielleicht einen Börsengang.

Also warum rennt die Regierung ins Biotechcasino und setzt Steuergelder auf Zahl? Ein ähnliches Verhalten kennt man sonst nur von Bürgermeistern, die sich mit Spaßbädern ein Denkmal setzen und am Ende die Kommune ruinieren. Altmaiers Verwandlung zum Risikokapitalgeber ist der fatale Reflex der Wirtschaftspatrioten, mit einem populären Bekenntnis zu Heimat und Krisenprophylaxe eine ruinöse Staatswirtschaft zu legitimieren. Seit Längerem schwärmen sie in stiller Bewunderung für Peking und Paris von einer invasiven Industriepolitik. Nun bereitet Corona den Boden dafür.

Bei allem Verständnis für die Sicherung technologischer Souveränität, die in Ausnahmefällen dank einer Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes zwingend ist, sollte sich eine Exportnation nicht schleichend dem Protektionismus annähern. Das rächt sich. Stattdessen muss der Staat den richtigen Rahmen schaffen – wie etwa Abschreibungen im Biotechbereich steuerlich mehr zu fördern. Das wäre mal ein sinnvolles Spaßbad – für Investoren wie Hopp und Co.

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Berlins Einstieg bei Curevac steht für den übergreifenden Neo-Merkantilismus, sagt Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe. Die Angst vor ausländischen Übernahmen hält er für überzogen. Stattdessen spricht er von Abwegen staatlicher Industriepolitik.

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