Die widrigen globalen Umstände sind jedoch nicht die einzige Ursache für die aktuellen Schwierigkeiten. Viele Fehler haben sich die BASF-Top-Manager auch selbst zuzuschreiben.
Fehler Nr. 1: Pharmageschäft komplett verkauft
Die BASF-Aktie schwächelt seit Anfang 2014 nicht nur im Vergleich zum Deutschen Aktienindex, sondern auch gegenüber dem Rivalen Bayer (siehe Grafik Seite 50). Während Bayer-Chef Marijn Dekkers mit immer neuen Erfolgen im Medikamentengeschäft seine Aktionäre begeistert, muss sein BASF-Pendant Bock hier passen. Denn BASF hat das Pharmageschäft, weil angeblich zu klein, schon vor mehr als zehn Jahren an den US-Konzern Abbvie verkauft. Der feiert inzwischen mit dem von BASF entwickelten Rheumamedikament Humira großartige Erfolge: Der Kassenschlager erzielt mittlerweile einen Jahresumsatz von rund zehn Milliarden Dollar – und einen Gewinn von drei Milliarden Dollar.
Fehler Nr. 2: Zu stark in Risikoreiche Regionen investiert
Rund 80 Prozent ihrer Öl- und Gasexplorationen unternimmt BASF in politisch und wirtschaftlich instabilen Ländern: Neben Russland sind dies vor allem Libyen und Argentinien.
„BASF hat sich trotz des Schiefergasbooms in den USA in den vergangenen Jahren zu sehr auf Russland konzentriert“, kritisiert Karl Martin Schellerer, Chemieexperte bei der Beratung Dr. Wieselhuber & Partner in München. 53 Prozent des Fördervolumens entfallen auf Russland.
Im vom Bürgerkrieg zerstörten Libyen hat die BASF erst vor wenigen Monaten die Ölförderung wieder aufgenommen. Der Ausstoß liegt bei nur etwa 35 000 Barrel pro Tag – vor dem Sturz Gaddafis waren es 100 000. Seitdem nun auch noch die islamistische Terrormiliz „IS“ in das nordafrikanische Land vorgedrungen ist und von ägyptischen und libyschen Fliegern bombardiert wird, hat sich die Bedrohung verschärft.
Auch in Argentinien verschlechtern sich die Bedingungen. Die Öl- und Gastochter Wintershall ist dort der viertgrößte Gasproduzent. Allerdings kann Wintershall aus dem chronisch überschuldeten Land mit seinen Kapitalverkehrskontrollen und Importverboten nur sehr beschränkt Gewinne nach Ludwigshafen überweisen.
Die Präsenz in Argentinien, wo wichtige Gasreserven lagern, will die BASF dennoch „verstärken“ – auch wenn es, wie Bock mit feiner Ironie anmerkt, „in der letzten Zeit dort eine gewisse Volatilität gegeben hat, um es vorsichtig auszudrücken“.
Zu den wenigen Ländern mit geringem Förderrisiko zählt Norwegen. Entsprechend hat die BASF im vergangenen Herbst 1,3 Milliarden Dollar an den norwegischen Statoil-Konzern gezahlt, um sich auf dessen Öl- und Gasfeldern einzukaufen und so die Abhängigkeit von Russland und Libyen zu reduzieren.
Fehler Nr. 3: Zu starke Abhängigkeit vom Ölpreis
Eigentlich will die BASF ihr Geschäft mit konjunkturanfälligen Standardprodukten reduzieren. Doch den Bereich Öl und Gas haben die Ludwigshafener in den vergangenen Jahren stark ausgebaut – und sind damit anfälliger für Schwankungen des Ölpreises geworden.
Das schlägt auf die Zahlen durch. Ursprünglich hatten die BASF-Manager für 2014 mit einem durchschnittlichen Preis von 110 US-Dollar je Fass (Barrel) kalkuliert. Vor allem im vierten Quartal rauschte der Ölpreis in die Tiefe, aktuell liegt er bei 60 Dollar. Für die Bilanz heißt das: Fällt der Ölpreis um einen Dollar pro Barrel, bedeutet dies 40 Millionen Euro weniger Umsatz und 15 Millionen Euro weniger Gewinn vor Zinsen und Steuern.
Schon in der Bilanz 2014 dürften erste Bremsspuren erkennbar sein, die Auswirkungen auf das laufende Geschäftsjahr hängen logischerweise davon ab, ob der Ölpreis niedrig bleibt.
Zwar hilft dies der BASF anderswo: Bei vielen Chemieprodukten muss der Konzern weniger fürs Öl bezahlen – und kann entsprechend seine Marge steigern. Doch insgesamt hat sich die Freude am Geschäft mit Öl und Gas im Konzern spürbar vermindert. Inzwischen ist es sogar denkbar, die Sparte zum Verkauf zu stellen – etwa, um einen großen Zukauf zu finanzieren.
Die Geschichte von BASF
Friedrich Engelhorn gründet die Badische Anilin- & Soda-Fabrik, Kapital: 1400 Aktien zu je 1000 Gulden. 1886 notiert die Aktie in Frankfurt bei 2380,25.
BASF fusioniert mit Hoechst, Bayer und anderen zur Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG (IG Farben).
Wegen der Kriegsverbrechen der Nazis wird IG Farben zwangsverwaltet, die Aktie gibt es nur schwarz für 200 DM.
IG Farben kommt zu 122 DM an die Börse , fällt auf 97. Die BASF-Aktie entsteht neu, als die IG Farben entflochten wird, und schließt Ende 1953 bei 125 DM.
BASF notiert, bereinigt und umgerechnet, sodass sie mit dem heutigen Kurs vergleichbar ist, bei 3,90 Euro. Bis Ende 1999 steigt der Kurs auf 26 Euro.
Im Krisenjahr fällt die BASF-Aktie von 50 auf unter 20 Euro. Im Juni 2014 notiert sie ihr Allzeithoch bei 87 Euro.
Fehler Nr. 4: Zu wenig Innovation beim Pflanzenschutz
In den ersten neun Monaten 2014 sank der operative Gewinn des BASF-Landwirtschaftgeschäfts um zwölf Prozent auf 1,1 Milliarden Euro – bei stagnierenden Erlösen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Derweil eilt Bayer im Pflanzenschutzgeschäft von Rekord zu Rekord: Umsatz und Gewinn stiegen in den ersten neun Monaten 2014 um sechs beziehungsweise fünf Prozent.
„Beim Pflanzenschutz ist BASF gegenüber Bayer zurückgefallen“, bestätigt Lutz Grüten, Analyst bei der Commerzbank. „Im Pflanzenschutz hat Bayer in jüngster Zeit einfach vieles richtig gemacht, gute Produkte, etwa gegen Pilzinfektionen bei Obst- und Gemüsesorten, entwickelt und die Führungsmannschaft runderneuert.“ Dagegen hapere es bei BASF bislang bei Innovationen, sagen Branchenbeobachter.
„Bayer profitiert – anders als BASF – zusätzlich vom Saatgutgeschäft“, nennt Warburg-Analyst Oliver Schwarz einen weiteren Vorteil der Leverkusener. „Wer, wie BASF, fast nur Pflanzenschutzmittel verkauft, hängt stärker vom Wetter ab. Das Saatgutgeschäft ist dagegen weniger schwankungsanfällig.“
Um beim Saatgut aufzuholen, hat BASF bereits vor Jahren eine Entwicklungskooperation mit dem amerikanischen Unternehmen Monsanto gestartet. Bislang ist dabei allerdings nur ein konkretes Produkt zustande gekommen – ein dürreresistenter Mais, der auch bislang nur in den USA erhältlich ist.