BASF Passt auf Eure Topfrauen auf!

Wer wirklich mehr Diversität und mehr Mitsprache von Frauen in Vorstandsetagen anstrebt, für den ist Saori Dubourgs Abgang trotzdem ein harter Schlag ins Kontor. Quelle: BASF

Der abrupte Abgang der BASF-Vorständin Saori Dubourg wirft ein Schlaglicht auf das Frauendefizit in deutschen Großkonzernen. Zu selten gelingt es, weibliche Talente zu entwickeln – und zu halten. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Mit Saori Dubourg ist abermals eine Topfrau gescheitert. Der Chemieriese BASF gab den vorzeitigen Abgang seiner profiliertesten Topmanagerin mit dürren Worten bekannt. Die 51-jährige Deutschjapanerin geht Knall auf Fall Ende Februar, weil sie die riskante expansive China-Strategie ihres Vorstandsvorsitzenden Martin Brudermüller nicht mitträgt.

Soweit, so normal, werden manche sagen. Wenn man unterschiedlicher Meinung ist, muss man sich trennen. Das kommt auch bei männlichen Vorständen und in den besten Familien vor.

Wer wirklich mehr Diversität und mehr Mitsprache von Frauen in Vorstandsetagen anstrebt, für den ist Dubourgs Abgang trotzdem ein harter Schlag ins Kontor. Die Betriebswirtin arbeitete seit 1996 für die BASF und saß seit 2017 im Vorstand. Sie ist also ein echtes Eigengewächs, entwickelt über vielfältige Karrierestationen auf drei Kontinenten. Als Vorständin führte sie fast fünf Jahre die Agrarchemiesparte und seit einem Jahr die Kunststoff-Vorprodukte, Performance-Materialien und Petrochemikalien. Von 2009 bis 2013 war sie Präsidentin des Asien-Pazifik-Geschäfts in Hongkong.

Dass Dubourg nicht zur BASF passt, dass ihre Kompetenz nicht ausreicht, dass sie als Quotenfrau im Vorstand sitzt, ist bei solch einer vorbildhaften Laufbahn auszuschließen. Nicht umsonst wurde ihr sogar die Brudermüller-Nachfolge zugetraut.

Ihr abruptes Ausscheiden ist also wohl auch eine Frage der Führungskultur. Dubourgs Haltung, sich gegen den von Brudermüller geplanten Ausbau des Werks in China mit einem Gesamtvolumen von zehn Milliarden Euro zu stellen, scheint angesichts der wachsenden geopolitischen Spannungen einleuchtend, eine Diskussion darüber absolut notwendig. Beim Blick auf die Milliarden, die BASF die Abhängigkeit von russischem Gas kostete, fragt man sich eher: Warum hat damals niemand im Vorstand opponiert? Dann hätte die BASF heute ein paar Probleme weniger.

Mahner scheinen also im BASF-Vorstand nicht gelitten zu sein, Mahnerinnen womöglich noch weniger.

Lesen Sie auch: Deutsche Weltmarktführer positionieren sich neu – vor allem mit Blick auf China

Dubourgs Abgang ist auch deshalb besonders bedauerlich, weil Vorständinnen wie sie in der Welt der Großkonzerne bis heute echte Raritäten sind. Ja, nahezu alle Dax-Vorstände haben mittlerweile Frauen an Bord. Viele mussten tätig werden, nachdem die Bundesregierung 2021 eine Frauenquote für Vorstände beschlossen hat. Dass Frauen in ihren Unternehmen über Jahrzehnte systematisch entwickelt werden, dann gut vorbereitet in die Vorstandsetagen aufsteigen und dort auch noch viele Jahre durchhalten, ist dennoch bis heute eher die Ausnahme als die Regel.

Am ehesten finden sich Beispiele noch in der Autoindustrie, etwa bei Mercedes die Vorständinnen Britta Seeger (Vertrieb) und Sabine Kohleisen (Personal) oder die BMW-Personalvorständin und frühere Werksleiterin Ilka Horstmeier. 

Statt weibliche Talente zu entwickeln, herrscht in Dax-Vorständen und -Aufsichtsräten häufig Aktionismus vor. Da werden dann – vor allem für das Personalressort – schnell Frauen von außen geheuert, die bis dato keine vergleichbaren Führungsaufgaben haben und gleich mal zwei, drei Karrierestufen überspringen. Selbst wenn ihre Kompetenz ausreichen sollte, mangelt es ihnen im neuen Topjob an Kredibilität, an internem Netzwerk, an interner Akzeptanz, an Branchen-Knowhow. Also an fast allem.

Ein paar Beispiele: Siemens-Personalvorständin Judith Wiese durchlief vor ihrer Berufung nach München 2020 beim Süßwarenriesen Mars diverse Stationen in Brüssel und den USA und war zuletzt Personalchefin, aber ohne Vorstandszugehörigkeit, des niederländischen Chemiekonzerns DSM. Mit deutschem Arbeitsrecht, mit deutschen Gewerkschaften hatte sie nie zu tun. Arbeitnehmervertreter im Siemens-Aufsichtsrat klagen, Wiese verstehe bis heute nicht, was ihre Funktion als deutsche Arbeitsdirektorin genau bedeute.

Adidas holte 2021 als Personalvorständin Amanda Rajkumar von der französischen Großbank BNP Paribas; die Managerin hat ihr gesamtes über zwanzigjähriges Berufsleben in der Bankenbranche verbracht und war bei den Franzosen zuletzt Personalchefin des Amerika-Geschäfts in New York. Rajkumar fremdelt angeblich bis heute mit den Besonderheiten der internationalen Sportartikelindustrie. Auch Bayer, RWE und Siemens Healthineers rekrutierten in den vergangenen Jahren Personalvorständinnen von außen.

Viel wichtiger wäre es, die internen weiblichen Talente so zu fördern, dass diese nicht aufgeben und weiterziehen. Traditionskonzerne wie Siemens tun sich damit offenbar besonders schwer. Die ehemalige Siemens-Topmanagerin Katharina Beumelburg etwa ging als Nachhaltigkeitsvorstand zum französischen Ölfeldausrüster Schlumberger, die Ex-Zugchefin Sabrina Soussan wurde Chefin von Suez, dem zweitgrößten Wasser- und Abfallentsorger Frankreichs.

Großaktionär des Brokers Flatex „Ich habe möglicherweise zu lange zugesehen“

Der Unternehmer Bernd Förtsch ist Großaktionär von Deutschlands wichtigstem Broker Flatexdegiro: In beispielloser Offenheit seziert er jetzt die Fehler des Konzerns. Und kündigt Konsequenzen für den Vorstandschef an.

Goldhandel Bekommt das Finanzamt von meinem Goldverkauf etwas mit?

Ein Anleger fragt sich, ob er Gold auch steuerfrei verkaufen kann, wenn er keinen Nachweis zum Kauf hat. Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen, wenn er einen Verkauf nicht meldet?

Energetische Sanierung So sanieren Eigentümer ihr Haus besonders schnell und günstig

Jedes dritte Haus in Deutschland müsste saniert werden. Mit neuen und pragmatischen Konzepten ginge es schneller und günstiger.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Auch um Saori Dubourg muss man sich keine Sorgen machen. Aber es wäre wenig verwunderlich, wenn auch ihr der Sprung auf die Topposition eher im Ausland gelänge.

Dieser Beitrag entstammt dem WiWo-Newsletter Daily Punch. Der Newsletter liefert Ihnen den täglichen Kommentar aus der WiWo-Redaktion ins Postfach. Immer auf den Punkt, immer mit Punch. Außerdem im Punch: der Überblick über die fünf wichtigsten Themen des Tages. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%