
„Europas Unternehmen geraten unter Zugzwang“, sagt Joachim von Hoyningen-Huene, Partner bei A.T. Kearney und Autor einer Studie über die zunehmenden Fusions- und Übernahmeaktivitäten in der Chemiebranche. Denn bislang sind es vor allem die Konkurrenten aus Übersee, die mit Übernahmen und Zusammenschlüssen Schlagzeilen machen. Im Februar kündigte der chinesische Mischkonzern Chemchina die Übernahme des Schweizer Agrarchemie-Konzerns Syngenta für 43 Milliarden Dollar an.
Und kurz vor Jahresende taten die beiden US-Konzerne Dow Chemical und DuPont kund, sich künftig zusammenschließen zu wollen – damit würde der größte Chemiekonzern der Welt entstehen, der sich dann aber flugs wieder in drei Teilkonzern aufspalten möchte.
Angeblich plant die BASF, der amtierende Chemie-Weltmeister, nun ein Gegenangebot für DuPont. Bislang aber bleiben die Europäer – speziell die Deutschen – in diesem Spiel außen vor. „Die aktiven Gestalter der Konsolidierung sind Dow, DuPont und Chemchina“ sagt Hoyningen-Huene.





Bereits 2015 lag der Wert aller Fusionen und Übernahmen in der Chemiebranche bei 110 Milliarden Dollar, wie die A.T. Kearney-Studie zeigt. 2016 wird sich dieses Volumen verdoppeln, schätzt die Unternehmensberatung. Kommt die angekündigte Fusion von Dow Chemical und DuPont sowie die Syngenta-Übernahme durch Chemchina zustande, wäre für 2016 bereits ein Wert von 153 Milliarden Dollar erreicht.
Investoren erhöhen den Druck
A.T. Kearney sieht vier Gründe für die verstärkte Deal-Aktivität:
- zunehmende Optimierung des Geschäftsportfolios,
- steigender Druck durch aktivistische Investoren,
- begrenzte Renditeerwartung aus organischem Wachstum
- sowie die niedrigen Rohstoff- und Ölpreise.
Neben den USA profiliert sich dabei auch das Schwellenland China als Treiber bei Fusionen und Übernahmen: „Erst Pirelli, dann Krauss Maffei und nun Syngenta – diese Transaktionsserie von Chemchina verdeutlicht, mit welcher Entschiedenheit chinesische Unternehmen ihre strategischen Ziele verfolgen “, sagt Hoyningen-Huene.
Und die Deutschen und Europäer? Sie könnten indirekt von den Fusionen und Übernahmen der Konkurrenz profitieren, schreibt A.T. Kearney. Wettbewerbsbehörden werden darauf bestehen, dass Unternehmensteile mit Milliarden-Umsätzen veräußert werden, um Marktdominanz in allen Märkten zu vermeiden: „Diese Unternehmensteile können dann weniger spektakulär aber durchaus profitabel das Kerngeschäft europäischer Unternehmen verstärken.“
Schließlich gibt Hoyningen-Huene zu bedenken: „Die Integration von Mega-Deals absorbiert viel Aufmerksamkeit. Wer sich ausschließlich weiterhin auf seine Kunden konzentriert, kann auf dem hart umkämpften Markt Anteile von Wettbewerbern gewinnen, die mit Integrationen beschäftigt sind.“