
In den Kantinen der deutschen Baukonzerne und bei Branchentreffs ist das Thema allgegenwärtig: Welcher Hochtief-Manager und welcher bekannte Hochtief-Kollege hat gerade den Bauriesen verlassen? Und vor allem: Wo geht er hin?
Wie nach den Insolvenzen der deutschen Schwergewichte Philipp Holzmann vor zwölf und Walter Bau vor neun Jahren, verändert derzeit eine Völkerwanderung des Fachpersonals die Baubranche. Denn die spanische Hochtief-Mutter ACS, die bei den Essenern seit der feindlichen Übernahme vor drei Jahren das Sagen hat, verkauft nicht nur im Europageschäft einen Unternehmensteil nach dem anderen. Vorstandschef Marcelino Fernández hat zudem der Europatochter Hochtief Solutions eine für viele nicht nachvollziehbare neue Struktur verordnet. Er schasst reihenweise Manager, die sich nicht fügen. Und im Rahmen eines Abbauprogramms hat sich Hochtief bereits mit einem Großteil der angesprochenen 800 bis 1000 Mitarbeiter auf ein Ausscheiden geeinigt.
Von den fast 10.000 Hochtieflern, die es noch Ende 2012 in Deutschland gab, werden nach dem Fernández-Kahlschlag wohl nur 3000 übrig sein. Kein Wunder, dass Führungskräfte und zum Teil hoch qualifizierte Spezialisten das Abbauprogramm nutzen und mit Abfindung gehen. Eine goldene Gelegenheit für die Konkurrenz, sich mit ganzen Teams zu verstärken – auch um Terrain zu besetzen, das Hochtief und der stärker auf Dienstleistungen fokussierte Bilfinger-Konzern räumen.
Bewerber ergriffen selbst die Initiative
„Wir haben den ein oder anderen Manager von Hochtief übernommen“, räumt Strabag-Vorstandschef Thomas Birtel vorsichtig gegenüber der WirtschaftsWoche ein. Zum Portfolio des Wiener Bauriesen gehören die Straßenbau-Tochter Strabag in Köln sowie Züblin in Stuttgart mit Hoch- und Ingenieurbau. Zahlen will Birtel nicht nennen. Keiner der Konkurrenten möchte als Personalkidnapper erscheinen. Die Bewerber wurden ja auch nicht abgeworben, sondern ergriffen meist selbst die Initiative.
Wer Hochtief bereits verlassen hat
Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Vorstandschef Marcelino Fernández den Geschäftsführer der Hochtief-Solutions-Sparte Energie und Infrastruktur, Stephan Hebgen, von seinen Aufgaben freigestellt. Ende Oktober 2013 verabschiedete sich Hebgen, der zudem Mitglied im Solutions-Aufsichtsrat war und dort die Leitenden Angestellten vertrat, in einer E-Mail von den Mitarbeitern.
Die spanische Mutter ACS setzt Hochtief-Chef Frank Stieler Ende November 2011 vor die Tür. Er hatte sein Amt erst im Mai 2011 angetreten. Insider vermuten, Stieler haben den Spaniern die Probleme der Tochter nicht schnell genug gelöst und Verkaufspläne nicht entschieden genug vorangetrieben.
Schränkler, 48, leitet als Vorstandsvorsitzender die Sparte Concessions und war Chef der Flughafensparte. Die Sparte hat Chef Stieler zum Teil schon auf andere Manager übertragen, die Flughafensparte steht zum Verkauf. Schränkler muss sich "neuen beruflichen Herausforderungen stellen". Seine Aufgaben übernehmen die beiden verbliebenen Geschäftsführer Holger Linkweiler und Gerhard Schroeder.
Im September 2011 wird Personalchef Gerhard Peters entmachtet. Brisant ist die Entmachtung, weil Peters im Hochtief-Aufsichtsrat sitzt und dort zu den Gegnern der Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS zählte.
Auch Bernward Kulle, Vorstand der Tochter Concessions und Spezialist fürs Geschäft mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), reichte kurz nach der Übernahme die Kündigung ein.
Rocksien, 49, Cheflobbyist in Berlin und Leiter der Abteilung Politik und Verbände der Hochtief AG, verkündete Mitte Dezember 2011 seinen Abschied. Rocksien hatte seit September 2010 vergebens versucht, Bundesregierung und Abgeordnete zu einer schnellen Änderung des Wertpapierübernahmegesetzes zu bewegen, um die feindliche Übernahme von Hochtief durch ACS zu verhindern.
Rohr verlässt den Konzern Ende Dezember 2011. Er war 15 Jahre im Konzern und leitete das Amerika-Geschäft und die Flughafensparte. Rohr war der letzte Konzernvorstands der Lütkestratkötter-Ära und zu diesem Zeitpunkt der achte Top-Abgang seit Stielers Amtsantritt.
Die Leiterin der Konzernkommunikation, Jutta Hobbiebrunken, verlässt ebenfalls nach der verlorenen Übernahmeschlacht Mitte Mai 2011 das Unternehmen. Hobbiebrunken galt als enge Vertraute des früheren Vorstandschefs Herbert Lütkestratkötter. Sie war seit 1994 bei Hochtief und baute die Konzernkommunikation im In- und Ausland auf.
Vorstandsmitglied Peter Noé wollte nach dem Einstieg der Spanier nicht länger für Hochtief tätig sein, er verabschiedete sich kurz nach der feindlichen Übernahme im Mai 2011.
Finanzvorstand Burkhard Lohr tritt kurz nach der Übernahme durch ACS ab. Lohr mochte sich nicht mit dem neuen Mehrheitseigner abfinden. Er wird durch vom ehemaligen Ferrostaal-Manager Peter Sassenfeld ersetzt.
Ende Oktober 2011 wirft der Vorstandschef der Bausparte Hochtief Solutions, Henner Mahlstedt, den Bettel hin.
Der Finanzvorstand der Sparte Solutions, Heiner Helbig, 54, wirft im Herbst 2011 das Handtuch, gemeinsam mit seinem Kollegen Henner Mahlstedt.
Vor allem große Mittelständler greifen beherzt zu. Denn so einfach kommt man nicht oft an qualifiziertes und erfahrenes Personal. Bedarf und Chancen sind da: „Industriekonzerne haben Bauaufträge früher vorwiegend an die großen Bauunternehmen vergeben. Inzwischen sind die führenden Mittelständler der Baubranche mit der Industrie gut im Geschäft“, sagt Jan-Hendrik Goldberg, Mitglied der Geschäftsleitung beim ostwestfälischen Hochbau-Anbieter Goldbeck, der mit 3300 Mitarbeitern 1,3 Milliarden Euro umsetzt.
Nach WirtschaftsWoche-Recherchen sind allein zum kleineren Wiener Strabag-Konkurrenten Porr – 13.000 Mitarbeiter, 3,5 Milliarden Euro Bauleistung – rund 30 Hochtief-Führungskräfte und -Projektleiter gewechselt. Auf 50 dürfte die Zahl im Lauf dieses Jahres noch wachsen.
Auf rund 25 Zugänge aus der Hochtief-Crew dürfte die ebenfalls aufstrebende Zech-Group in Bremen – 6000 Mitarbeiter, Umsatz 2013: 1,2 Milliarden Euro – kommen. Zech profilierte sich zuletzt mit den Düsseldorfer Renommier-Projekten Kö-Bogen und Vodafone-Campus.
Gemeinsam ist beiden Unternehmen, dass sie Manager gewinnen konnten, denen ganze Teams folgen. Und beide verstärken sich dank des Hochtief-Braindrains nicht nur punktuell, sondern verbessern ihre Marktposition strategisch.