Baustelle Bundeswehr Was bei unserer Armee alles schief läuft

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Was die Debatte um das G36 zeigt

Einfach beiseiteschieben lässt sich der Fall G36 deshalb nicht. Zum einen weil die Standardausrüstung der deutschen Soldaten zu wichtig ist, um ignoriert oder leichtfertig übergangen zu werden.

Zum anderen weil an der Debatte deutlich wird, was in der deutschen Armee gerade schief läuft. Und das ist die Art, wie sowohl nach außen als auch nach innen kommuniziert wird. Die Bundeswehr bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen übertriebener Abschottung und dem zu frühen Schritt in die Öffentlichkeit.

Erste Berichte über mögliche Defizite für den Einsatz des G36 in warmen Regionen lagen dem Verteidigungsministerium, damals noch unter Thomas de Maizière, spätestens im Jahr 2012 vor – wenn nicht sogar schon 2011. Lange geschah daraufhin wenig. Gutachten und Gegengutachten wurden in Auftrag gegeben. Die Munition sei schuld, lautete im Februar 2014 schließlich die offizielle Erklärung des Verteidigungsministeriums.

Über Jahre sei versucht worden, das Thema kleinzuhalten, kritisieren deshalb viele Politiker. „Er hat die Dinge beschönigt und beschwichtigt“, sagt etwa der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold in Richtung de Maizière. „Er hat teilweise Menschen, die aufklären wollten, gedeckelt.“

Im Frühsommer 2014 setzte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Expertenkommission ein, um Klarheit zu schaffen. Öffentlichkeitswirksam verkündete sie dann Ende März und noch vor Freigabe des Abschlussberichts, das Gewehr habe „offenbar ein Präzisionsproblem bei hohen Temperaturen, aber auch im heißgeschossenen Zustand“. Die Treffsicherheit des G36 sei so schlecht, dass man vielleicht sogar alle Exemplare in den Beständen der Bundeswehr austauschen müsse, hieß es schnell. Zuletzt kündigte von der Leyen zudem eine Prüfungskommission an, die sich mit möglichen Versäumnissen ihres Vorgängers de Maizière befassen soll.

Mit ihrem Versprechen von Transparenz und schnellem, energischem Handeln schießt sie in den Augen mancher jedoch über das Ziel hinaus, wenn nicht gar absichtlich daran vorbei.

Worte statt Taten

„Wenn die Transparenz als erster Schritt dient, um dann energisch weiterzugehen, dann ist das in Ordnung. Wenn es nur Symbolik ist, ohne dass Handlungen folgen, ist es der falsche Weg“, sagt ein Branchenkenner, der seinen Namen aber nicht veröffentlicht sehen will.

Sein Urteil über Verteidigungsministerin von der Leyen fällt deutlich aus: Sie sei in erster Linie an dem medialen Aufschlag interessiert, nicht an den Ergebnissen. Das zeige sich auch daran, dass die Ministerin mittlerweile zurückrudere und sich um Schadenbegrenzung bemühe. Man dürfe das Gewehr jetzt auch „nicht in Bausch und Bogen verdammen“, erklärte von der Leyen im Gespräch mit der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

Der Vorwurf, von der Leyen nutze die Truppe für ihre Inszenierung und als Sprungbrett ins Kanzleramt, ist nicht neu. Er begleitet sie spätestens, seit sie zum ersten Mal mit perfekter Frisur vor einer Transall posierte.

In der Truppe treffen der Vorstoß des Verteidigungsministeriums und die nachfolgende Berichterstattung mindestens auf Skepsis. Von einem „unnötigen Hype“ und „Skandalisierung“ ist die Rede. Selbst unter denen, die sich für eine offenere Kommunikation der Bundeswehr nach außen stark machen.

„Die aufgeheizte Debatte trifft einen Punkt, der intern eigentlich nie zu Diskussionen geführt hat“, so ein Heeresoffizier. Er befürchtet, dass die Diskussion nun von den wahren Problemen ablenkt. „Entsteht in der Truppe der Eindruck, die Führung kreist nur um sich selbst, kann das zu einem echten Problem für die Moral werden“, warnt Schulte.

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