Für eine angenehme Zeit nach dem aktiven Berufsleben hat Monsanto-Chef Hugh Grant vorgesorgt. Seit 2014 betreibt der gebürtige Schotte mit Bekannten eine Whiskydestillerie auf der schottischen Inselregion Isle of Harris. Sie brennt „The Hearach“, einen Whisky, der nach Angaben von Geschmackszeugen fruchtig und floral, nach Birnendrops und sanftem Torfrauch schmeckt. Die ersten 561 Liter sind Ende vergangenen Jahres in die Fässer aus Eichenholz geflossen. Mindestens drei Jahre sollen sie nun reifen. Eine längere Lagerzeit verbessert den Geschmack. Und den Preis.
Mit Monsanto verfolgt Grant eine ähnliche Strategie. Zu gern würde der Leverkusener Bayer-Konzern den US-Saatguthersteller übernehmen, doch dessen Chef zieht die Übernahme in die Länge. Grant pokert, will einen möglichst hohen Preis erzielen. Tatsächlich könnte er das Spiel gewinnen. Weitere Zuschläge scheinen angemessen, Bayer könnte sie sich auch leisten.
Allerdings ist der Spielraum von Konzernchef Werner Baumann begrenzt. Bietet er zu viel, droht eine Rebellion seiner Aktionäre.
Der Saatgutkonzern Monsanto
Der US-amerikanische Konzern Monsanto ist einer der weltgrößten Hersteller von – oft auch gentechnisch verändertem – Saatgut sowie Unkrautbekämpfungsmitteln.
Das Unternehmen mit Hauptsitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri gehört zu den 500 größten börsennotierten in den USA und setzte zuletzt rund 15 Milliarden US-Dollar (gut 13 Mrd. Euro) um. Dabei erzielte Monsanto einen Überschuss von 2,3 Milliarden Dollar.
Weltweit beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben knapp 21.200 Menschen, fast die Hälfte davon in den USA. Der Saatgutkonzern ist in 66 Ländern vertreten – auch in Deutschland.
Monsanto bezeichnet eine nachhaltige Landwirtschaft als „Kernanliegen“, wird jedoch weltweit von Umweltschutzorganisationen unter anderem für die Herstellung von gentechnisch veränderten Saatgut heftig kritisiert.
Quelle: dpa
Gerade erst hat Baumann das Angebot auf 64 Milliarden Dollar (125 Dollar je Aktie) erhöht. Das sind 1,3 Milliarden mehr als ursprünglich vorgesehen, schon die erste Offerte wäre der größte Zukauf der deutschen Unternehmensgeschichte. Vergangene Woche lehnte Grant ab. Er will aber mit Bayer im Gespräch bleiben. Bayer wiederum äußerte sich darüber enttäuscht, will aber weiter mit Monsanto reden.
Einigung bei 130 Dollar?
Das aktuelle Bayer-Angebot bewertet Monsanto mit dem etwa 16-Fachen des Gewinns vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda). Das ist in der Chemiebranche durchaus üblich. In einer vergleichbaren Transaktion bietet der chinesische Mischkonzern Chemchina für den Schweizer Konkurrenten Syngenta das 16,6-Fache des Ebitda. Monsanto hält sich für besser positioniert und innovativer als Syngenta. Dafür soll Bayer zahlen.
Einflussreiche Monsanto-Aktionäre sehen das ähnlich. „Wir sind klar für einen Zusammenschluss“, heißt es bei einem großen Investor. Allerdings müsse Bayer ein Angebot vorlegen, „das das US-Management ohne Gesichtsverlust annehmen kann“. Vor allem die Innovationskraft von Monsanto müsse Bayer stärker berücksichtigen. Mehrere Investoren halten ein Angebot von 130 Dollar pro Aktie für angemessen. Dafür müsste Bayer-Chef Baumann nochmals gut zwei Milliarden Dollar drauflegen.
Stationen des Bayer-Konzerns
Bayer übernimmt vom Schweizer Pharmakonzern Roche das Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln.
Trennung von der Chemie, Teil eins: Die Leverkusener spalten das Kautschukgeschäft und weitere Teile ab und bringen das Unternehmen als Lanxess an die Börse.
Bayer kauft das Berliner Pharmaunternehmen Schering für 17 Milliarden Euro.
Übernahme des deutschen Medikamentenherstellers Steigerwald, bekannt für das Magenmittel Iberogast.
Bayer zahlt umgerechnet 10 Milliarden Euro für das Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln des US-Pharmakonzerns Merck & Co. Zwei Milliarden Euro ist Bayer das norwegische Pharmaunternehmen Algeta wert, ein Spezialist für Krebserkrankungen.
Trennung von der Chemie, Teil zwei: Bayer gibt die Abspaltung der Kunststoffsparte (Bayer Material Science) bekannt.
Der Börsengang von Covestro, ehemals Bayer Material Science, im Oktober 2015 war einer der größten in Deutschland seit dem Boomjahr 2000.
Das könnte er: Schon beim ursprünglichen Angebot von 122 Dollar je Aktie hat Baumann Aufschläge einkalkuliert. In Finanzkreisen heißt es, dass die Ersparnisse durch den Zusammenschluss sparsam kalkuliert waren. „Es gibt noch etwas Spielraum für Synergien“, sagt ein Banker. Auch die Finanzierung sei ohne drastische Einschnitte wie den Verkauf von Tochterunternehmen möglich. Fünf Banken haben Bayer einen Kredit von 63 Milliarden Dollar bewilligt, der bei Bedarf aufgestockt werden kann.
Bei einem allzu großzügigen Angebot riskiert Baumann jedoch Ärger mit seinen Aktionären. Als Bayer kürzlich das Angebot erhöhte, verlor die Aktie zwar nur leicht. Bei der Ankündigung der Übernahmepläne im Mai war der Kurs jedoch um mehr als zehn Prozent nach unten gerauscht. Die Verluste sind bis heute nicht ganz aufgeholt.
Bisher halten sich die meisten Aktionäre öffentlich zurück. Der britische Fondsinvestor Henderson hat aber schon erklärt, dass der Deal Bayer langfristig schwächen könnte. Er will, dass die Aktionäre in einer außerordentlichen Hauptversammlung über die Übernahme abstimmen. „Der Preis könnte bald ein Niveau erreichen, bei dem noch mehr Aktionäre rebellieren“, heißt es bei einer die Transaktion finanzierenden Bank. „Die Annahmen müssen schon sehr optimistisch sein, um einen deutlichen Zuschlag zu rechtfertigen.“
Monsanto wird einen weiteren Aufschlag fordern
Baumann operiert in der Nähe der Schmerzgrenze. Er wird deshalb kaum nachlegen, solange Monsanto ihm den tiefen Einblick in die eigenen Bücher verwehrt. Nur so kann sich Bayer ein detailliertes Bild über Risiken, Patente und interne Bewertungen machen. Inzwischen scheint eine Annäherung möglich. Angeblich arbeiten beide Konzerne an einer Vereinbarung zur Geheimhaltung, um die Buchprüfung vorzubereiten.
Insider gehen jedoch davon aus, dass der Prozess den Deal für Bayer abermals teurer macht. „Monsanto hat ein höheres Angebot verlangt, damit Bayer in die Bücher schauen kann. Und nach Abschluss der Prüfung werden sie einen weiteren Zuschlag fordern, weil sie so innovativ sind“, sagt ein an der Transaktion beteiligter Banker.
Die Innovationsstärke ist schon jetzt Grants bestes Argument. Analysten pflichten ihm bei. Die Schweizer UBS bewertet das Umsatzpotenzial neuen Monsanto-Saatguts, das bis zu 25 Milliarden Dollar erreichen könnte, als Wachstumstreiber für den Konzern. Der aktuelle Jahresumsatz von Monsanto liegt gerade mal bei 15 Milliarden Dollar. Die Deutsche Bank sieht Monsanto bei Innovationen klar vor Konkurrenten wie DuPont und Syngenta. Zu den größten Hoffnungsträgern zählt das Pflanzenschutzmittel Dicamba, das gegen besonders widerstandsfähiges Unkraut wirken soll.
Beleg ihrer Innovationskraft ist für Monsanto-Manager auch ihre Tochter Climate Corporation. Über Sensoren und Computersysteme liefert diese Landwirten in den USA Datenanalysen und Wetterprognosen, damit sie Aussaat, Düngung, Bewässerung und Ernte besser planen können. Nach Angaben von Monsanto kommt die Technologie in den USA bereits auf einer Ackerfläche von fünf Millionen Hektar zum Einsatz. Bis zum nächsten Jahr soll sich das Einsatzgebiet noch einmal verdoppeln. Trotzdem steht die Technologie noch am Anfang. Analysten der UBS rechnen damit, dass sie in drei Jahren bereits einen Ertrag von etwa 300 Millionen Dollar erwirtschaftet.
Allerdings mischen auch IT-Konzerne wie IBM und SAP sowie die Landmaschinenhersteller John Deere, Claas und Agco beim sogenannten „Precision Farming“ mit. „Die Datenanalyse, die Monsanto den Bauern anbietet, schlägt am Ende das Saatgut von Monsanto vor“, sagt Martin Richenhagen, deutscher Chef des US-Konzerns Agco. „Die Bauern beziehen die Daten deshalb lieber von uns, da sie mit Recht davon ausgehen, dass wir neutraler beraten.“
Ertragsrisiko Glyphosat
Es ist offen, welche Hoffnungen sich tatsächlich erfüllen. Im Agrargeschäft sind massive Schwankungen normal, die Erträge hängen vom Wetter, von Ernährungstrends, von der Nachfrage in Schwellenländern ab. Die zuletzt veröffentlichten Monsanto-Quartalszahlen haben das eindrucksvoll gezeigt. Der Nettogewinn brach um mehr als ein Drittel ein, der Umsatz um mehr als acht Prozent. Die derzeitige Flaute am Agrarmarkt schlägt bei dem Konzern aus St. Louis noch stärker durch als bei der Konkurrenz.
Die schlechten Zahlen nutzt Bayer gleich, um die Monsanto-Aktionäre von den Vorteilen seines verbesserten Angebots zu überzeugen. Das angepasste Angebot sei doch „eine überzeugende Gelegenheit für eine sofortige und sichere Wertsteigerung für Monsanto-Aktionäre, insbesondere vor dem Hintergrund der zuletzt schwachen Geschäftsentwicklung und des reduzierten mittelfristigen Ausblicks von Monsanto“, erklärt der Konzern.
Eine Rechnung mit Unbekannten
Insbesondere gingen die Verkäufe des Pflanzenschutzmittels Glyphosat zurück, das Monsanto unter dem Markennamen Round-up vermarktet. Mit dem erzielt der Konzern fast ein Drittel seines Umsatzes. Der Wirkstoff steht im Verdacht, Krebs zu erregen, die EU-Kommission hat die Zulassung zuletzt um nur 18 Monate verlängert. „Bei Landwirten in Deutschland spüren wir Verunsicherung, das merken wir auch an den Absatzzahlen“, sagt Stefan Kocher, Deutschland-Geschäftsführer von Monsanto.
Grant macht weiter Druck
Zumindest in den USA kann Monsanto freilich auf einen Stamm treuer Kunden zählen: „Monsanto hat in meinen Augen das beste Saatgut“, erklärt Doug Sombke, der gemeinsam mit seiner Frau und drei erwachsenen Söhnen gut 600 Hektar in Conde, South Dakota, bewirtschaftet – einem einsamen Plätzchen in dem Präriestaat im Mittleren Westen. Gerade bei Mais und Soja bietet Monsanto besonders ertragsstarke Sorten.
Monsanto-Chef Grant wird derweil wohl nichts unversucht lassen, um den Druck auf Bayer noch etwas zu erhöhen. Ende Juni ließ er durchblicken, dass er auch mit „anderen“ über mögliche Kombinationen rede. Wenig später kam das Gerücht auf, dass der US-Konzern Gespräche mit BASF über einen Kauf von deren Agrarsparte aufgenommen habe. BASF-Manager erwecken freilich nicht den Eindruck, dass sie sich von der durchaus profitablen Sparte trennen wollen.
Womöglich setzt der Monsanto-Chef darauf, dass Chemchina die Übernahme von Syngenta nicht gelingt. Im vergangenen Jahr hatte sich nämlich Monsanto um die Übernahme des Schweizer Agrarkonzerns bemüht. Nun scheint Grant wieder Morgenluft zu wittern, denn der Deal von Syngenta mit den Chinesen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Ein Ausschuss der US-Regierung prüft etwa noch, ob der chinesisch-schweizerische Zusammenschluss die nationale Sicherheit der USA gefährdet.
Wer bei Bayer für Gewinn sorgt
Umsatz 2014: 42,2 Mrd. Euro
Gewinn* 2014: 8,4 Mrd. Euro
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 19,834 Mrd. Euro (47 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 5,124 Mrd. Euro (61 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 11,816 Mrd. Euro (28 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 1,092 Mrd. Euro (13 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 9,284 Mrd. Euro (22 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Gewinn* 2014: 2,184 Mrd. Euro (26 Prozent vom Gewinn insgesamt)
*vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 1,266 Mrd. Euro (3 Prozent vom Umsatz insgesamt)
Von einem höheren Angebot für Monsanto würde Grant übrigens auch privat profitieren: Beim Angebot von 122 Dollar je Aktie würde er mittels Aktienoptionen rund 73,5 Millionen Dollar erhalten. Bei 130 Dollar je Aktie wären es wohl sieben bis acht Millionen mehr. Einen Teil des Geldes könnte er in die Whiskydestillerie investieren. Wenn alles nach Plan läuft, können Anfang 2019 die ersten Flaschen abgefüllt werden. Monsanto gehört dann womöglich zu Bayer – und Grant hat viel Zeit für sein Hobby.