Bayer, BASF, Evonik Gekippte Stimmung in der Chemiebranche

Umsatz und Produktion der Chemieindustrie wachsen, allerdings nicht mehr so stark wie erwartet. Deshalb kappt die Branche einen Teil ihrer Prognosen. Hoffnungen setzen die Konzerne nun auf andere Industriezweige.

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„Unsere Erwartungen haben sich ein weiteres Mal nicht erfüllt“, sagt VCI-Geschäftsführer Utz Tillmann. Quelle: dpa

Frankfurt Die deutsche Chemiebranche hat im Schlussquartal überraschend stark an Schwung verloren – und ist daher eher verhalten ins neue Jahr gestartet. Das Geschäft entwickelt sich nicht so stark wie noch in den vergangenen Monaten erhofft.

Vor diesem Hintergrund hat der Verband der Chemischen Industrie (VCI) seine bisherigen Prognosen leicht nach unten korrigiert. Ging der Verband im Dezember noch davon aus, dass die Branche 2016 ein Produktions- und Umsatzplus von 1,5 Prozent erreichen könnte, sieht der neue Ausblick nur noch ein Produktionsplus von einem Prozent vor.

Der Umsatz dürfte danach lediglich um 0,5 Prozent auf 191 Milliarden Euro wachsen. Die erhoffte Belebung im Chemiegeschäft sei letztlich ausgeblieben, so das Fazit von VCI-Geschäftsführer Utz Tillmann. „Unsere Erwartungen haben sich ein weiteres Mal nicht erfüllt.“

Das gilt aus Sicht des Verbandes insbesondere mit Blick auf die Chemie im engeren Sinne. Denn das moderate Wachstum wurde 2015 fast ausschließlich von einem relativ kräftigen Plus im Pharmasektor (+3,8 Prozent) getragen, der traditionell in den VCI-Daten mit enthalten ist. Klammert man den Pharmabereich aus, ist die eigentliche Chemieproduktion 2015 sogar um 0,7 Prozent geschrumpft. Die Pharmabranche erwirtschaftet etwa ein Drittel der gesamten Chemieerlöse.

Im Bereich der Chemie im engeren Sinne konnten lediglich Spezialchemikalien ein nennenswertes Plus von 1,3 Prozent verbuchen. Die Hersteller von Konsumchemikalien (wie etwa Waschmittel und Kosmetikvorprodukte) und Petrochemikalien (Basisprodukte) verbuchten dagegen laut VCI jeweils Rückgänge von mehr als drei Prozent.

Besonders kritisch ist aus Sicht des VCI-Geschäftsführers dabei der Rückgang in der Petrochemie zu bewerten, die im fünften Jahr in Folge schrumpfte. „Hier manifestiert sich ein Strukturproblem, das erkennbar mit der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu tun hat“, so Tillmann unter Hinweis auf die hohen Energiekosten in Deutschland. Ein Kernproblem für die Chemiebranche besteht aus Sicht des Verbandes zudem in der generell relativ schwachen Entwicklung der deutschen Industrieproduktion, die 2015 lediglich um 0,5 Prozent stieg. Denn die Nachfrage nach Chemie wird maßgeblich von industriellen Weiterverarbeitern geprägt.

Immerhin beinhaltet die VCI-Prognose für 2016 ein Wachstum von einem Prozent sowohl für Pharma als auch für die eigentliche Chemie. Gegenüber dem schwachen Vorjahr würde das eine Verbesserung bedeuten. Der VCI bewegt sich damit in ähnlichem Rahmen wie die Commerzbank, die vor wenigen Wochen in einer Studie von 1,2 Prozent Zuwachs für die Branche ausgegangen war.

Auch der europäische Chemieverband Cefic geht von einer Wachstumsrate von einem Prozent für die Branche aus, spricht dabei aber von herausfordernden Zeiten auf längere Sicht. „Die vorteilhaften Bedingungen wie niedrige Ölpreise und ein hoher Dollarkurs, die das moderate Wachstum stützen, werden nicht ewig anhalten“, warnte Cefic-Generaldirektor Hubert Mandary jüngst in einem Ausblick.


Schwacher Ölpreis und starker Dollar kommen Branche zugute

Während die Branche im Europageschäft insgesamt etwas Aufwind verspürt, gelten die Aussichten für den Export nach Übersee als verhalten. VCI-Chef Tillmann verweist darauf, dass sich die US-Konjunktur abgekühlt habe, der japanische Wirtschaftsmotor stottere und aus den Schwellenländern wenige Impulse zu verspüren seien. Sorge bereite den Unternehmen vor allem die Entwicklung in China. „Die Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums wird sich in diesem Jahr fortsetzen.“

Nach Einschätzung von Fachleuten dürfte vor diesem Hintergrund unter anderem der starke Ausbau von Chemiekapazitäten in China, dem mittleren Osten und den USA mittelfristig noch stärkeren Wettbewerbsdruck auf die europäischen Hersteller ausüben. Der schwache Ölpreis und starke Dollar kommt nur einem Teil der Chemiebranche zugute. Die Hersteller von Basisprodukten müssen diesen Effekt weitgehend in ihren eigenen Preisen weitergeben.

Insgesamt hat sich die Ertragslage der Chemiebranche 2015 allerdings verbessert. Darauf jedenfalls deuten die bisher vorliegenden Zahlen der börsennotierten europäischen Chemiefirmen. Sie sind überwiegend im Bereich höherveredelter Chemieprodukte aktiv. Mit Ausnahme des Branchenführers BASF konnten fast alle Firmen Gewinnsteigerungen für 2015 ausweisen. Firmen wie Evonik, Solvay, Akzo oder die aus Bayer ausgegliederte Covestro verbuchten durchweg zweistellige Gewinnsteigerungen. Auch Clariant, DSM und die Wacker-Chemie-Gruppe konnten zulegen, wenn auch nicht ganz so stark.

BASF dagegen wurde durch ihr starkes Engagement im Öl- und Gasgeschäft gebremst, wo die Erträge als Folge des Ölpreisverfalls deutlich sanken. Hinzu kamen Einbußen im Geschäft mit Basischemikalien. Hier sind die Margen gegenüber dem sehr hohen Niveau von 2014 in den letzten Monaten deutlich gesunken.

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