Bayer-Hauptversammlung Diese 5 Punkte dürften bei Bayer heute zu Turbulenzen führen

Bei der Hauptversammlung des Chemiekonzerns sind viele entscheidende Fragen offen. Quelle: imago images

Streit um Boni, Glyphosat, mögliche Aufspaltung: Die Bayer-Hauptversammlung am Freitag dürfte turbulent ausfallen. Die fünf wichtigsten Fragen – und die wahrscheinlichen Antworten – im Überblick.

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Für den noch amtierenden Vorstandschef Werner Baumann ist es die letzte, für seinen designierten Nachfolger Bill Anderson die erste Bayer-Hauptversammlung. Und es wurde erwartet, dass es wieder turbulent wird. Besonders umstritten ist, ob die Vorstände Boni erhalten dürfen, ohne die milliardenschweren Altlasten aus der Monsanto-Übernahme zu berücksichtigen. Diese fünf Fragen werden heute wichtig.

1. Hohe Vorstands-Boni – trotz milliardenschwerer Glyphosat-Vergleiche?

Bei Tagesordnungspunkt 5 („Billigung des Vergütungsberichts“)  droht Bayer eine Abstimmungsniederlage. Viele Aktionäre kritisieren die Höhe der Bonuszahlungen an die Vorstände, vor allem die Art der Berechnung: Dabei sollen die milliardenschweren Kosten für Vergleichszahlungen, die Bayer zur Beilegung der Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten in den USA aufwendet, außen vor bleiben. Was natürlich zu höheren Boni führt. Der einflussreiche Stimmrechtsberater ISS empfiehlt den Aktionären, den Vorschlag abzulehnen. Auch die Fondsgesellschaften Deka und Union Investment ließen bereits durchblicken, dass sie mit „Nein“ stimmen werden. 2021 flossen bei Bayer für die US-Vergleiche vier Milliarden Euro ab, 2022 waren es noch einmal 1,2 Milliarden Euro. Die finanziellen Abflüsse mindern damit den Spielraum für höhere  Dividendenzahlungen an die Aktionäre. Bei den Boni für Vorstände sollen solche Einmaleffekte dagegen nicht eingerechnet werden.

Bayer verteidigt sich: Externe Berater hätten bestätigt, dass es „Best Practice“ sei, Zahlungen aus laufenden Rechtsverfahren bei der Vergütung nicht zu berücksichtigen. Die Boni sollen sich am operativen Geschäft orientieren und nicht an außerplanmäßigen Einmaleffekten. Sonst würde der Vorstand ja auch von einmaligen Effekten aus dem Verkauf von Unternehmensteilen profitieren. Künftig will der Aufsichtsrat nach eigenem Ermessen stärker in die Bezahlung der Vorstände eingreifen. Und der noch amtierende Vorstandschef Werner Baumann hat sich einverstanden gezeigt, seinen kurzfristigen Bonus für 2022 zu senken. Der Effekt ist überschaubar: Baumanns Vergütung sinkt dadurch um fünf Prozent auf 5,4 Millionen Euro für 2022. 

2. Wie lange dauert das Glyphosat-Drama noch?

Auf die Glyphosat-Frage wird es auf der Hauptversammlung keine endgültige Antwort geben. Viele Redner werden sich dabei noch einmal an Konzernchef Werner Baumann abarbeiten, der die Übernahme von Monsanto zu verantworten hat und die Rechtsrisiken rund um dessen Pflanzenschutzmittel Glyphosat unterschätzte. Zehntausende Kläger machen den Wirkstoff für ihre Krebserkrankung verantwortlich – Bayer bestreitet anhand von Studien einen Zusammenhang. Der Konzern hat seit 2018 einige Rechtsfälle in den USA verloren, wendete Milliarden für Vergleiche auf. Seit dem Vollzug der Übernahme ist der Aktienkurs um vierzig Prozent gesunken. Richtig aufwärts wird es erst dann wieder gehen, wenn die Causa Glyphosat endgültig beigelegt ist.  

In seiner bereits im Voraus veröffentlichten Rede auf der Hauptversammlung weist Baumann darauf hin, dass Bayer die vergangenen sechs Gerichtsverfahren in den USA gewonnen hat. Das dürfte auf potenzielle Kläger abschreckend wirken. Der Zenit der Gerichtsverfahren ist sicherlich überschritten. Wann die Klageflut jedoch völlig abebbt und keine Zahlungen mehr auslöst, ist schwer zu sagen. Viele Aktionäre setzen auf den künftigen CEO. Möglicherweise gelinge es Anderson, eine Lösung im Streit um die US-Glyphosat-Klagen herbeizuführen, meint etwa Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance beim Bayer-Aktionär Deka.        

3. Soll Bayer aufgespalten werden?

Nach Meinung vieler Investoren lässt sich der Wert der malträtierten Bayer-Aktie ganz einfach steigern – durch eine Aufspaltung des Konzerns oder die Abspaltung einzelner Teile. Je länger der Aktienkurs infolge des Glyphosat-Dramas fiel, um so mehr Aktionäre forderten die Überprüfung der Konzernstruktur. Mit dem Bayer-Kreuz als Logo verkauft der Konzern Pflanzenschutzmittel und Saatgut (Crop Science) verschreibungspflichtige Medikamente (Pharma) und rezeptfreie Präparate wie Aspirin (Consumer Health).

Seit Anfang dieses Jahres mischen der US-Fonds Inclusive Capital sowie der britische Investor Bluebell den Traditionskonzern aus Leverkusen zusätzlich auf. In einer eigenen Analyse listet Bluebell auf, warum sich Bayer strukturell entscheidend verändern sollte. Das Timing sei gerade gut, um eine Abtrennung von Crop Science zu erwägen, heißt es da. Agrarkonzerne werden aktuell besser bewertet als Pharmaunternehmen. Zwar argumentiert der Bayer-Vorstand mit Synergien zwischen Pharma und Agrar. Bluebell verweist dagegen darauf, dass die Geschäfte völlig unterschiedlich seien – in Bezug auf Produkte, Kunden, Wettbewerber, Forschung und Entwicklung, Produktion und Verkaufskanäle. Eine andere  Möglichkeit sei die Abtrennung von Consumer Health. Außerhalb von Bayer könnte Consumer Health besser geführt werden, schreibt Bluebell. Die meisten anderen Pharmaunternehmen haben einen solchen Schritt bereits vollzogen.

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Das Thema wird Bayer so schnell nicht los – auch auf der Hauptversammlung nicht. Eine schnelle Entscheidung ist allerdings nicht zu erwarten. Denn über die künftige Ausrichtung entscheidet der Vorstandschef – und der designierte CEO Bill Anderson, der zum 1. Juni übernimmt, muss sich erstmal einarbeiten, bevor er die Strategie festlegt. Viele Investoren dürften jedoch keine Ruhe geben – und im Herbst das Thema wieder aufbringen. Was die Investoren allerdings gnädig stimmen könnte, wäre ein gestiegener  Aktienkurs. 

4. Hat Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann genug Zeit für Bayer?

Aktionäre wie Deka und Union Investment, beide mit rund einem Prozent Anteil Großaktionäre von Bayer, wollen gegen die Wiederwahl von Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann stimmen. Der Mann ist ihnen einfach zu viel beschäftigt. Winkeljohann ist nicht nur Chefkontrolleur bei Bayer, sondern auch noch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank; zudem gehört Winkeljohann den Aufsichtsgremien mehrerer mittelständischer Hersteller an. „Der Aufsichtsratsvorsitz bei Bayer ist kein Teilzeitjob“, hatte Janne Werning, Fondsmanager bei Union Investment dazu im März gegenüber der WirtschaftsWoche erklärt

Ebenso hatte der Großaktionär DWS im Vorfeld die zahlreichen Mandate von Winkeljohann gerügt. Bei der Abstimmung werden sich die Kritiker jedoch nicht durchsetzen. Die Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis, an denen sich viele Investoren bei ihrem Votum orientieren, haben bereits durchblicken lassen, dass sie Winkeljohann wiederwählen wollen. Der Großaktionär Temasek, der 3,5 Prozent der Bayer-Anteile hält, spricht sich laut Finanzkreisen ebenfalls für eine Wiederwahl aus. Begründung. Bayer brauche Stabilität und Kontinuität. Der neue CEO Bill Anderson soll in Ruhe seine Strategie entwickeln können. 

5. Soll die Hauptversammlung künftig nur noch digital laufen?

Die Aktionärstreffen von Bayer waren meist bestens besucht. Tausende drängten sich in den Hallen; es gab Würstchen und Kartoffelsalat. Dann kam die Pandemie, die Treffen fanden fortan virtuell statt. Inzwischen ist die Corona-Ansteckungsgefahr vorbei. Dennoch will sich der Bayer-Vorstand ermächtigen lassen, die Hauptversammlung in den kommenden zwei Jahren lediglich digital durchzuführen. Etwa die Hälfte der Dax-Konzerne verfährt ähnlich, ein Online-Format erspare den Teilnehmern die Anreise und senke die Kosten für die Unternehmen. Viele Aktionärinnen und Aktionäre sehen das allerdings anders. Die Präsenzhauptversammlung sei ein ganz wichtiger Bestandteil der Aktienkultur in Deutschland, erklärte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz bereits vor Wochen mit Blick auf die Dax-Konzerne: „In Präsenz ist der lebendige, kritische Dialog zwischen Unternehmen und Aktionären am besten umsetzbar.“

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Die meisten Anleger dürften eine hybride Form bevorzugen – um selbst wählen zu können, ob sie lieber persönlich oder digital teilnehmen. Immerhin: Anders als bei den Hauptversammlungen während der Pandemie erhalten die Aktionärinnen und Aktionäre wieder ein Rederecht. In den Jahren zuvor durften sie lediglich Fragen einreichen. Ob die Aktionäre die Änderungen akzeptieren, könnte auch davon abhängen, wie es mit der digitalen Übertragung klappt. Vor wenigen Tagen zog sich das Aktionärstreffen beim Chemiekonzern Covestro wegen technischer Pannen deutlich in die Länge. Die Hauptversammlung, die sonst an einem Tag erledigt ist, dauerte diesmal neun Stunden und 31 Minuten.

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