




Zum schwäbischen Fassaden- und Glasspezialisten Seele gibt es bislang keinen Wikipedia-Eintrag, der Taxifahrer muss sich auf dem Weg ins Industriegebiet Gersthofen nördlich von Augsburg durchfragen. Selbst in der Region weiß kaum jemand, dass das Unternehmen in der Kleinstadt nördlich von Augsburg etliche atemberaubende Architekturprojekte ermöglicht hat. Dazu gehören zum Beispiel der 185 Meter hohe Doppelturm der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, das Nationalstadion in Peking - aber auch das markante Würfeldesign des Apple Stores an der 5th Avenue in New York.
Die zehn besten deutschen Mittelständler
Um die Wachstumsstärke der mittelständischen deutschen Weltmarktführer zu vergleichen, bedient sich die WirtschaftsWoche eines Indexes des Ökonomen David L. Birch vom Massachusetts Institut of Technology in der Nähe von Boston. Dieser nach ihm benannte Index multipliziert den absoluten Umsatzzuwachs mit dem prozentualen. Das relativiert sowohl das prozentuale Wachstum junger Betriebe als auch das absolute Wachstum bereits großer Unternehmen.
Basis des Indexes waren im Ranking die Jahre 2002 bis 2012.
Branche: Maschinenbau
Mitarbeiter 2012: 1676
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 225,20/682,40
Durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 11,72 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1385,4
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Dentalindustrie
Mitarbeiter 2012: 2979
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 284,00/814,56
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 11,11 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1521,7
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: IT/ Software
Mitarbeiter 2012: 689
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 3,35/73,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 36,22 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1547,7
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Logistik
Mitarbeiter 2012: 2000
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 335,24/934,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 10,8 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1671,4
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Automatisierungstechnik
Mitarbeiter 2012: 2200
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 78,00/408,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 17,95 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1712,0
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Maschinenbau
Mitarbeiter 2012: 3700
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 104,04511,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 17,27 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1996,3
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Agrartechnik
Mitarbeiter 2012: 2432
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 250,00/858,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 13,12 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2083,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Sicherheitskameras
Mitarbeiter 2012: 336
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 3,00/81,60
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 39,14 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2137,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Schiffbau
Mitarbeiter 2012: 1400
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 300,00/984,90
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 12,6 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2248,5
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Automobilzulieferer
Mitarbeiter 2012: 4000
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 179,90/780,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 15,80 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2601,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Lange Zeit durfte Seele über den berühmten Kunden Apple nicht reden. Doch das ist nun anderes: Nach dem Besuch von Apple-Chef Tim Cook in der Fabrikhalle der Seele-Tochterfirma Sedak wird der „Hidden Champion“ Seele, der bis dahin kaum bekannte Weltmeister der Glasbautechnik, stärker ins Rampenlicht rücken. Der Store auf der 5th Avenue in New York sei einer der herausragenden Läden von Apple weltweit, sagte Cook. Ohne Seele hätte Apple ihn nicht so bauen können. „Ihr seid die Besten der Welt“, rief Cook am Montag den Sedak-Beschäftigten zu, die sich vor einem 14 Meter langen und 3,20 Meter hohen Glassegment versammelt hatten. Die gigantische Fassadenscheibe ist die letzte Lieferung der Schwaben für den futuristischen Apple Campus 2, die neue Apple-Firmenzentrale im kalifornischen Cupertino.
Wo der Mittelstand sein Geld anlegt
Immerhin 86 Prozent aller Mittelständler lassen ihr Geld auf dem eigenen Konto liegen. Allerdings ihr Anteil deutlich gesunken. Im Vorjahr waren es noch 97 Prozent.
Quelle: Studie zum Finanzanlageverhalten und Finanzanlagebedürfnis mittelständischer Unternehmen von der Fachhochschule des Mittelstands
Auch beim Festgeld sind heutzutage keine hohen Zinsen mehr zu erwarten. Entsprechend sinkt die Nachfrage. Nur noch 82 Prozent legen ihr Geld mit Festgeldkonten oder Termineinlagen an, im Vorjahr waren es 87 Prozent.
Diese Anlageform hat im vergangenen Jahr rasant an Beliebtheit gewonnen. Mit 42 Prozent investierte fast jeder Zweite Mittelständler in Rentenfonds, im Vorjahr waren es gerade einmal 17 Prozent.
Wenn das Risiko steigt, hilft oft nur eine Differenzierung des Portfolios. Gemischte Fonds sind für 31 Prozent eine geeignete Anlageform (Vorjahr: 10 Prozent).
Während die Zinsen stagnieren, erreichen einige Aktienindizes neue Rekordhöhen. Darum wagen sich nun auch die Mittelständler an die Beteiligungen - 23 Prozent investieren in derartige Anlagen.
Auch die Geldmarktfonds sind wieder etwas stärker gefragt als im Vorjahr. Hier investieren 18 Prozent aller befragten Mittelständler.
Die stagnierenden Wechselkurse sorgen für Verunsicherung. Keine Anlageform hat darum beim Mittelstand mehr Vertrauen eingebüßt. Nur noch 10 Prozent legen hier ihr Geld an, im Vorjahr waren es noch 31 Prozent.
Die Immobilienkrise hat ihre Spuren hinterlassen. Nicht umsonst fragte kein einziger Mittelständler im Vorjahr nach Immobilienfonds. Dieses Jahr sind es immerhin rund zehn Prozent. Beruhigt sich die Lage?
Die Nachhaltigkeit bleibt auch bei der Geldanlage ein Trend - und wird damit auch interessant für den Mittelstand. Nach 5 Prozent im Vorjahr investiert mittlerweile jeder Zehnte Mittelständler in nachhaltige Geldanlageformen.
Gleiches gilt für die alternativen Anlagen, die vor allem in Niedrigzinsphasen an Attraktivität gewinnen. Sieben Prozent legen hier ihr Geld an, im Vorjahr waren es vier Prozent.
Auch die Garantiefonds sind zurück. Noch im Vorjahr hatte kein befragter Mittelständler in derartige Produkte investiert. Dieses Jahr sind es immerhin 7 Prozent.
Die Seele-Tochter Sedak, die 2007 für eine eigenständige Glasfertigung gegründet wurde, produzierte über 800 dieser Scheiben. Auch die Vordachscheiben kommen aus Gersthofen. Und die eigentliche Fassade inklusive der Metallkonstruktion stammt ebenfalls aus Schwaben. Rund 50 Kilometer Luftlinie von Gersthofen entfernt sitzt der Spezialist Josef Gartner GmbH in Gundelfingen, der die Seele-Scheiben in die Campus-Fassade integriert und einbaut. Firmengründer Gerhard Seele (59) schätzt an der Zusammenarbeit mit Apple, dass beide Unternehmen trotz der räumlichen Entfernung und der unterschiedlichen Größe zu einer vertrauensvollen Partnerschaft gefunden hätten. Nelli Diller, Geschäftsführerin der Seele GmbH sagt, die Architekten und Designer von Apple hätten klare Visionen und einen hohen Anspruch an Perfektion. „Wir fordern uns gegenseitig und treiben uns immer wieder an, die Grenzen des Machbaren auszuloten und aufs Neue zu überschreiten.“
Tim Cook sagt in Gersthofen, sein Vorgänger Steve Jobs habe die letzten Jahre seines Lebens damit verbracht, mit viel Energie ein Konzept für den Campus 2 zu entwerfen. „Wir haben nicht nur in den USA, sondern weltweit nach jemandem gesucht, der Steves Vorstellungen umsetzen kann und wir sind hier gelandet, weil das niemand sonst so gut kann.“ Um den Auftrag von Apple bewältigen zu können, musste Seele über den Tellerrand der traditionellen Glasindustrie hinausschauen. So lieferte im Oktober 2012 ein Tieflader einen 220 Tonnen schweren und 17 Meter langen Autoklav nach Gersthofen. Ein Autoklav ist ein gasdicht verschließbarer Druckbehälter, der eigentlich in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt wird. Bei Seele wird der Autoklav wie ein gigantischer Backofen zur Bearbeitung der Gläser verwendet.
Die Zusammenarbeit mit Apple, aber auch Projekte wie die Flughäfen in Hongkong (Cep Lap Kok), München (Terminal 2) und Berlin (BER), der ICE-Bahnhof am Flughafen Köln/Bonn, die Seattle Central Library haben Seele seit der Gründung 1984 ein stetes Wachstum beschert. Der Mittelständler beschäftigt derzeit rund 1000 Menschen und macht einen Jahresumsatz von rund 200 Millionen Euro. Nach der Fertigstellung der Scheiben für den Apple Campus 2 haben die Gertshofener schon den nächsten Meilenstein vor Augen: Das System „iconic skin SCF“ soll ermöglichen, dass individuell gestaltete Fassaden mit optimalen Dämmungswerten viel einfacher herstellt werden können als bislang.