Bier und Klimawandel Bierbrauer fürchten das Aus für traditionelle Hopfensorten

Der Klimawandel belastet zunehmend auch Hopfen, den wichtigsten Rohstoff für Bier. Quelle: imago images

Weltweit vertrauen Bierbrauereien auf Hopfen aus Bayern, aber der Klimawandel rückt der Pflanze zu Leibe. Institute forschen an trockenresistenten Artgenossen – doch die Bierbrauer fürchten schlechten Geschmack.

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Bereits drei Stunden bevor es offiziell losging, warteten bereits Tausende auf den Start des Oktoberfests. Als das größte Volksfest der Welt dann seine Pforten öffnete, gab es kein Halten mehr. Regelrecht zum Sprint setzten die ersten an, um sich einen Platz in einem der Festzelte zu sichern.

Nicht einmal die Preise konnten die Besucher offenbar abschrecken, 700.000 Gäste sind laut Schätzung der Festleitung am ersten Wochenende auf die Wiesn gestürmt. Dabei kostet eine Maß Bier stolze 13,80 Euro in diesem Jahr, das sind bis zu 20 Prozent mehr als beim letzten Mal, 2019.

Doch trotz der heiteren Stimmung im Süden Deutschlands müssen Bierbrauereien derzeit mit einigen Problemen kämpfen. In Hochzeiten der Coronapandemie, als Restaurants und Kneipen geschlossen hatten und Veranstaltungen abgesagt wurden, brach der Verkauf ein. Nun schmerzen die hohen Energiepreise, in der Gastro herrscht Personalmangel – und dann ist da auch noch der Klimawandel. Dadurch, dass die Sommer immer heißer und vor allem trockener werden, drohen traditionelle Hopfensorten zu verschwinden.

Brauereien müssen wohl oder übel auf neu gezüchtete Sorten ausweichen, einige befürchten, dass dies den Geschmack ihres Bieres verändern könnte. Der betrunkene Wiesnbesucher mag davon freilich auch in ein paar Jahren nichts merken, andere Konsumenten vielleicht schon. Wandern die Kunden also ab, wenn das Lieblingsbier nicht mehr so schmeckt wie früher?

Es ist ein Thema, mit dem sich jede Brauerei beschäftigen muss, von kleinen Hausbrauereien bis zu den ganz großen. Einer, der viel von harten Zeiten erzählen kann, ist Michael Schnitzer. Der Inhaber und Geschäftsführer der kleinen Uerige-Hausbrauerei in Düsseldorf hatte bisher noch kaum Zeit, sich um das Hopfenproblem zu kümmern. 1998 hat er die Leitung von seinem Vater übernommen. Bei Uerige findet alles in einem Hause statt. Brauhaus und die Brauerei selbst sind noch immer mitten in der Düsseldorfer Altstadt. Das Bier gibt es mehr oder weniger nur in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt zu kaufen. Ein paar Getränkehändler in anderen großen Städten in NRW haben es auch noch im Angebot. Und es gibt ganz zarte Expansionsversuche in die USA.

Schnitzer steht vor der großen Aufgabe, seinen Laden zu modernisieren – und gleichzeitig die 160 Jahre alte Historie zu achten. „Wir werden auch an liebgewordene Traditionen ran müssen“, sagt er und spricht davon, dass es in der Branche künftig immer mehr Kooperationen mit anderen Brauereien geben werde, die früher wohl keiner für möglich gehalten hätte.

Acht Euro für eine 0,33 Liter Flasche Altbier, wie sie in New York kostet, sei angesichts der aktuellen Lage eigentlich ein angemessener Preis, sagt er. In der Düsseldorfer Altstadt braucht er damit aber gar nicht erst anfangen, ein 0,2-Liter-Glas Altbier kostet um die 2,20 Euro. Schon das empfinden viele Kunden als zu teuer. „Die Energiekosten sind ein Problem, beim Wasserverbrauch im Brauprozess und auch beim Anbau des Hopfens gibt es ebenfalls ein Problem. Das ist alles gerade nicht so sexy“, sagt er.

Der Klimawandel wird zunehmend zur Herausforderung. Die bis zu acht Meter groß werdende Kletterpflanze wächst aufgrund des Klimas und der Beschaffung der Böden nahezu ausschließlich zwischen dem 35. und 55. Breitengrad. Die Dolden, die grünen Fruchtzapfen, die es zum Brauen braucht, bilden zudem nur die weiblichen Pflanzen aus. Während der Aromahopfen dabei für den Geschmack zuständig ist, sorgt der Bitterhopfen, wie der Name schon sagt, für den bitteren Beigeschmack eines Bieres. Was also tun, wenn der Klimawandel immer rasanter voranschreitet?



In Bayern ist diese Frage fast schon Chefsache. Noch wenige Wochen vor dem Start des Oktoberfests ging es für die Politik auf die Felder, Hopfenrundfahrt in der Hallertau, dem mit fast 19.000 Hektar größten zusammenhängenden Anbaugebiet weltweit. Von dort beziehen nicht nur die Brauer in Deutschland ihren Hopfen, die Dolmen werden weltweit exportiert. Ministerpräsident Markus Söder überzeugte sich persönlich vom Zustand der Pflanzen, die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber war ebenfalls vor Ort. Fazit des großen politischen Spektakels: Nach erst starken Gewittern mit Hagel und dem anschließenden trockenen und heißen Sommer dürfte das eine schlechte Saison werden. Dass die Bedingungen in den kommenden Jahren besser werden, ist angesichts des Klimawandels unwahrscheinlich.

Die Hoffnungen vieler Bauern und Brauereien ruhen derzeit auf Walter König. Er ist nicht nur Geschäftsführer beim Bayerischen Brauerbund, sondern leitet auch die Geschicke der Gesellschaft für Hopfenforschung im kleinen bayerischen Ort Hüll. König stand mit Söder auf den Feldern der Hallertau – und er kann beruhigen. „Zwischen 2006 und 2008 hatten wir die ersten Zuchterfolge mit trockenheitstoleranten Pflanzen“, sagt er. „2012 gingen dann die ersten Sorten großflächig in den Anbau.“

Es gäbe also einen Ausweg, wenn die Brauereien denn nur wollten. „Jeder Brauer hat seine Qualitätsphilosophie, das kann ich gut verstehen. Die Angst, dass sich die Bitterqualität oder das Aroma seines Bieres verändert, ist schon groß“, berichtet König. Man habe vielleicht sogar zu schnell geforscht, viele Brauereien sträubten sich noch, auf neue, robustere Hopfensorten umzustellen. Denn gerade bei neuen Aromahopfen, die maßgeblich für den Geschmack sind, könne eine neue Sorte dazu führen, dass dieser sich verändert. „Die Brauerei muss dann ihr Brauverfahren so anpassen, damit das vom Kunden gewohnte, sortentypische Bieraroma erhalten bleibt“, sagt er. „Wir haben inzwischen Verkostungspanels mit geschulten Leuten durchgeführt und ich kann sagen: man schmeckt keinen Unterschied bei einer neuen Hopfensorte – wenn der Braumeister sein Handwerk beherrscht.“ 

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Noch hat sich Schnitzer in Düsseldorf nicht an eine neue Hopfensorte herangetraut. „Seitdem mein Vater und dann ich hier verantwortlich waren, haben wir die Sorten so belassen“, sagt er. Dass unten in Bayern viel experimentiert wird, habe er auch schon mitbekommen. „Wir haben sehr gute Kontakte zu unserem Händler und darüber zu unseren Bauern. Sobald eine resistentere Sorte gefunden wird, probieren wir das aus“, kündigt Schnitzer an. Noch sei aber nichts dabei gewesen und die Bauern müssten beim Anbau ordentlich nachwässern. Es bleibt also noch einiges zu tun für die Gesellschaft für Hopfenforschung in Bayern.

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