Homosexuelle sind eine ungewöhnliche Minderheit in der Hinsicht, dass sie zumindest oberflächlich heterosexuell wirken können, wenn sie möchten. Das ist natürlich eine schmerzliche Entscheidung zwischen Selbstschutz und Selbstverwirklichung, wie sie wenige andere Menschen treffen müssen. Aber „the closet“, wie man in den USA sagt, der „Wandschrank“ als symbolisches Versteck, kostet nicht nur den Einzelnen, sondern auch unsere Gesellschaft einen hohen Preis, weil die Heimlichtuerei überkommene Einstellungen am Leben erhält – und Vorurteile, die man nicht herausfordert, bleiben immer am Leben.
Intoleranz zwingt die Betroffenen zu diesem Versteckspiel und schafft ihre eigene zynische Logik: Wenn ein großer Anteil einer Gruppe sich tarnt, werden die restlichen umso eher an den Rand gedrängt. Sichtbarkeit dagegen schafft Akzeptanz.
Was die Daten angeht, so zeigt Google Trends seine Fähigkeit, das herauszuholen, was die Menschen lieber verschweigen. Laut des ehemaligen Google-Analytikers Stephens-Davidowitz zielen fünf Prozent aller Google-Suchanfragen nach Nacktfotos in den USA auf „Abbildungen männlicher Homosexueller“ – damit meint er direkte Suchen nach Schwulenpornos und indirekte wie Suchen nach „rockettube“, einem beliebten Internetportal für Homosexuelle. Dieses Verhältnis von eins zu 20 ist in allen Bundesstaaten konstant, was bedeutet, dass gleichgeschlechtliche Neigungen unabhängig vom politischen und religiösen Milieu eines Mannes sind.
Twitter macht uns alle zu 140-Zeichen-Sprachkrüppeln? Das Gegenteil ist der Fall
Trotz allen Händeringens über die Zerstörung unserer Kultur durch die Technik glaube ich, dass sogar der schreibfaulste Teenager im Jahr 2014 schon mehr geschrieben hat als ich oder meine Klassenkameraden in den frühen 1990er-Jahren. Die einzigen schriftlichen Mitteilungen von mir waren ein paar steife Grußkarten und vielleicht ein wirklicher persönlicher Brief pro Jahr. Ein Oberschüler von heute haut jeden Vormittag mehr raus.
Zahlen und Fakten zu Twitter
Twitter war zunächst nicht mehr als ein Nebenprodukt der Firma Odeo, die eine (allerdings wenig erfolgreiche) Podcasting-Plattform entwickelte. Die Macher suchten 2006 nach Alternativen – und entwickelten den Dienst mit seinen 140 Zeichen kurzen Texthäppchen. In den ersten Monaten gewann er zwar kaum Nutzer, doch nach einem erfolgreichen Auftritt auf der Technologiekonferenz SXSW hob Twitter ab.
Anfangs standen vier Freunde hinter Twitter: Evan Williams, der dank des Verkaufs seiner Plattform Blogger.com an Google auch Geldgeber war; außerdem Jack Dorsey, Biz Stone sowie Noah Glass. Letzterer wurde allerdings wegen seiner schwierigen Art schon bald aus der Firma gedrängt.
Die kurze Geschichte der Firma ist geprägt von Machtkämpfen zwischen den einstigen Freunden. Der erste Chef Jack Dorsey musste auf Veranlassung des Mitgründers Evan Williams sowie des Verwaltungsrates seinen Posten verlassen. Williams selbst hielt sich auch nicht dauerhaft an der Spitze – bei seiner Entmachtung im Oktober 2010 hatte Dorsey seine Finger im Spiel. Seitdem lenkte Dick Costolo, zuvor bei Google tätig, die Firma. Nach der Warnung des Unternehmens im ersten Quartal 2015, dass die angepeilten Umsätze nicht erreicht würden, und die Aktie weit unter den Ausgabekurs rutschte, war die Luft für ihn dünn geworden. Nach Monaten der Kritik von der Wall Street, Anteilseignern, Mitarbeitern und Kunden wurde Costolo am 1. Juli 2015 durch Twitter-Mitgründer Jack Dorsey ersetzt.
Twitter hat noch nie Gewinn gemacht. Im zweiten Quartal 2015 lag der Verlust bei unterm Strich 137 Millionen Dollar - immerhin 8 Millionen weniger als im Vorjahr. Vor allem Vergütungen für Mitarbeiter in Form von Aktienpaketen und Optionen machen sich bemerkbar.
Twitter hatte bis vor drei Jahren noch kein Werbegeschäft. Die Gründer verzichteten in der Anfangszeit bewusst auf Anzeigen, um die Nutzer nicht zu verschrecken. Im Frühjahr 2010 starteten erste Versuche mit Werbung zwischen den Tweets. Inzwischen ist das Geschäft beträchtlich angewachsen. Im zweiten Quartal 2015 stammten von den 502 Millionen Dollar Umsatz fast 90 Prozent aus dem Geschäft mit mobilen Anzeigen auf Smartphones oder Tablets. Die Werbeeinnahmen nahmen im vergleich zum Vorjahr um 63 Prozent auf 452 Millionen Dollar zu.
Twitter ist für die mobile Ära gerüstet. Ein Großteil der Werbeerlöse wird auf Smartphones und Tablet-Computern erwirtschaftet. Insgesamt hat Twitter mehr als 316 Millionen Nutzer pro Monat.
Twitter versucht nicht, den Einfluss der Gründer durch eine Aktienstruktur mit zwei Klassen zu sichern. Andere Internet-Unternehmen wie Google oder Facebook haben bei ihren Börsengängen den Investoren Papiere angeboten, die weniger Stimmrechte haben als die Aktien von Gründern und Spitzen-Managern. Bei Twitter sind alle Anteilseigner gleich, die Ausgabe von Vorzugsaktien ist nur als Möglichkeit für die Zukunft vorgesehen.
Man kann am Internet vieles bedauerlich finden, aber etwas macht es mir lieb und teuer: Es ist eine Welt der Schreibenden. Schon einfache Analysen zeigen, dass die in Twitter-Nachrichten aufgekommene Sprachform keineswegs verarmt ist. Ich habe die gebräuchlichsten Wörter auf Twitter mit den häufigsten des Oxford English Corpus (OEC) verglichen, einer fast 2,5 Milliarden Wörter umfassenden Textsammlung des modernen Sprachgebrauchs auf allen Gebieten – Reportage, Romane, Blogs, Zeitungen, alles eben. Das OEC ist die kanonische Bestandsaufnahme des Wortschatzes im Gegenwartsenglischen. Von all den Zehntausenden Wörtern, die in Gebrauch sind, habe ich nur die häufigsten 100 aufgenommen, was auf den ersten Blick ein bisschen dünn wirkt, aber diese 100 Wörter machen bereits die Hälfte aller geschriebenen Texte aus (sowohl bei Twitter wie im OEC).