
Tokio Im Bilanzfälschungsskandal um den renommierten Kamerahersteller Olympus lichtet sich das Feld. Nachdem gestern abend, vor einem entscheidenden Treffen der Olympus-Direktoren, die drei Hauptverdächtigen in der Affäre zurückgetreten waren, äußerte sich der entlassene CEO von Olympus, Michael C. Woodford, zuversichtlich. Nun werde er versuchen, gemeinsam mit den Olympus-Management zu verhindern, dass Olympus von der Börse genommen wird, sagte Woodford in Tokio vor Journalisten.
Es war ein Auftritt, wie es der Club der ausländischen Korrespondenten schon lange nicht mehr erlebt hatte. Der Vortragsaal war restlos überfüllt, Woodfords Rede wurde per TV in die Bar übertragen. Der Brite zeigte sich als genialer Entertainer, der allerdings seinen Triumph etwas zu ausgiebig auskostete. Seine bisher gemachten Andeutungen, die Yakuza, die japanische Mafia, habe bei Olympus die Finger im Spiel, nahm er dagegen zurück. „Dafür gibt es keine Beweise“, so Woodford. Kriminalität sei wahrscheinlicher als eine Verbindung zu organisiertem Verbrechen.
Woodford hatte die Machenschaften um Verlustverschleierungen in milliardenschwerem Ausmaß aufklären wollen und war daraufhin von den Männern um den Hauptverdächtigen, Chairman und Ex-Präsident Tsuyoshi Kikukawa, gefeuert worden. Woodford hatte zuvor unter anderem Kikukawa zum Rücktritt aufgefordert.
Kikukawa trat gestern abend gemeinsam mit Ex-Vizepräsident Hisashi Mori als Mitglieder des Direktoren-Gremiums zurück, um einen Showdown in Tokio mit Woodford zu verhindern. Woodford war am Mittwoch nach Japan gereist, um an der heutigen Sitzung des Direktoriums teilzunehmen. Auch der dritte Verdächtige, Aufseher Hideo Yamada, quittierte gestern seinen Job. Das derzeitige Management der 92 Jahre alten Firma werde zu gegebener Zeit ebenfalls das Feld räumen, deutete Olympus-Präsident Shuichi Takayama an. Einen genauen Zeitpunkt nannte er nicht.
Woodfords Äußerung vor Journalisten, er sei „nicht davon besessen, wiederzukommen“ als CEO zu Olympus, klangen derweil leicht gekünstelt. Seine gesamten Gesten und seine Mimik sprachen deutlich eine andere Sprache.
Ein Schlussstrich unter die Affäre ist sowieso noch nicht gezogen. Noch sind viele Fragen ungeklärt, Staatsanwaltschaft und Börsenaufsicht ermitteln. „Wir wissen nicht, wie groß die Verluste waren, wer das Geld von Olympus bekam und mit wem das Unternehmen verbunden war?“, sagte Woodford. Er war zu dem Board-Meeting aus London angereist, wohin er sich seit seiner Entlassung am. 14. Oktober zurückgezogen hatte. Zudem hatte er sich mit den zuständigen japanischen Ermittlern getroffen.
Woodford hat in Japan Polizeischutz. Denn noch ist ungeklärt, was an seinen Andeutungen dran ist, er sei bedroht worden und, wie auch die „New York Times“ berichtete, die Yakuza, die japanische Mafia, habe ihre Finger im Spiel.
Bisher scheint lediglich festzustehen, dass das Trio um Kikukawa über Jahre Verluste des Unternehmens durch überteuerte Unternehmenskäufe und unverhältnismäßig hohe Beraterhonorare an dubiose Firmen verschleiert hat. Im Raum stehen mittlerweile 481 Milliarden Yen (etwa 4,6 Milliarden Euro), wobei Olympus stets eine Verbindung zu „antisozialen Organisationen“ vehement zurückgewiesen hatte. Kikukawa bestritt heute die Vorwürfe, von dem Skandal schon über Jahre gewusst zu haben. Er wird jedoch von Mori und Yamada belastet.
Nach dem Treffen mit den verbliebenen Olympus-Direktoren sagte Woodford, „wir hatten einen konstruktiven und ehrlichen Austausch.“ Konsens habe unter anderem darüber geherrscht, dass vermieden werden müsse, dass Olympus von der Börse genommen werde (Delisting).
Bis Mitte Dezember muss Olympus seinen verschobenen Bericht über die Geschäftszahlen des ersten Halbjahres vorlegen, sonst wird der Konzern vom Handel ausgeschlossen. Die Aktie war seit Woodfords Rauswurf um 70 Prozent abgerutscht. Heute kletterte sie um acht Prozent, nachdem sie zwischenzeitlich sogar um 25 Prozent zugelegt hatte. Die Anleger hoffen offenbar darauf, dass der Skandal nun langsam einer Klärung zugeführt wird.