Bilfingers Vorstandschef Per Utnegaard geht - als Nachfolger scheint bereits der bisherige Linde-Vorstand Thomas Blades gefunden. Diese Baustellen muss Blades so schnell wie möglich angehen, wenn es für ihn besser laufen soll als für seinen Vorgänger:
Mission 1: Schnell ankommen in Mannheim
Hängepartien gab es viel zu viele seit 2014: Das Warten auf den überfälligen Abgang des Vorstandschefs Roland Koch. Die viel zu lange Interimsherrschaft des früheren Vorstandschefs Herbert Bodner. Das Warten auf das Strategiekonzept von Per Utnegaard, das er im Oktober vorlegte und das im Januar schon wieder Makulatur war. Nun wollte Utnegaard im Frühjahr sagen, welche Geschäftsfelder Bilfinger künftig ausmachen. Blades muss also ganz schnell aus seinem Vertrag bei Linde heraus kommen. Eine neue monatelange Hängepartie wäre für Mitarbeiter und Aktionäre unzumutbar.
Mission 2: Klarheit für die Stromsparte schaffen
Mitte Juni 2015 stellte Per Utnegaard kurz nach Amtsantritt die schwer kriselnde Sparte Kraftwerksdienstleistungen zum Verkauf. Das wirkte zupackend. "Da die Belastungen bei Power weiter zugenommen haben, wollen wir jetzt auch rasch ohne weitere Verzögerung handeln und den Verkaufsprozess starten", sagte Utnegaard. Zehn Monate später ist nichts passiert.
„Wer den Verkauf einer Sparte ankündigt und dann ein Jahr nicht liefern kann, macht sich lächerlich“, sagt dazu die IG Bau. Blades muss ganz schnell klären, ob die Power-Sparte wirklich verkauft wird oder wegen Unverkäuflichkeit im Unternehmen bleibt. Aber dann muss er sie sanieren und massiv verkleinern. Das würde teuer.
Das ist der Bilfinger-Konzern
Bilfinger vollzieht seit Jahren den Wandel vom Bauunternehmen zum Dienstleiter für Wartungen rund um Industrieanlagen, Kraftwerke und Immobilien. Der Mannheimer MDax-Konzern mit seinen rund 56.000 Mitarbeitern hat das Vertrauen des Marktes immer wieder erschüttert: Gewinnwarnungen in Reihe, Entlassungen, der Rücktritt Roland Kochs als Vorstandschef - und nun geht mit Per Utnegaard auch der aktuelle Mann an der Spitze.
Hohe Abschreibungen und Kosten für den Konzernumbau sorgten 2015 für einen Verlust von 489 Millionen Euro.
Koch hatte eine Zentralisierung vorangetrieben - gegen interne Widerstände. Zuletzt stieß Bilfinger immer mehr Bereiche ab, etwa die Wassersparte. Fokussierung auf das Kerngeschäft lautet die Strategie.
Mission 3: Klarheit für die Gebäudemanagement-Sparte schaffen
Spartenchef Otto Kajetan Weixler möchte das sinkende Bilfinger-Schiff mitsamt dem Bereich Gebäudemanagement verlassen und hat Utnegaard dessen Verkauf schon Mitte 2015 vorgeschlagen. Utnegaard wollte nicht. Ein halbes Jahr später wurde doch mit Interessenten verhandelt.
Der Finanzinvestor KKR hat inzwischen abgesagt, der Immobiliendienstleister JLL ist angeblich interessiert. Aber Bilfinger hätte nach einem Verkauf nur noch Problembaustellen. Blades muss sehr schnell klären, ob es zum Verkauf kommt und ob der Erlös in die Reste des Unternehmens investiert wird.
Bilfinger muss wieder Vertrauen schaffen
Mission 4: Den Betriebsratschef wieder einbinden
Egal, was in den nächsten Wochen passiert: Der Konzernbetriebsratschef und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Stephan Brückner sollte es nicht mehr aus den Medien erfahren. Hinter seinem Rücken ließ Utnegaard in Absprache mit Aufsichtsratschef Eckhard Cordes den Verkauf der Gebäudemanagementsparte verhandeln. Als die heimlichen Verkaufspläne durch WirtschaftsWoche-Recherchen bekannt wurden, stellte sich Brückner prompt dagegen. Heute ist nicht klar, ob die Arbeitnehmerseite den Verkauf des einzig gut laufenden Bilfinger-Standbeins mittragen oder bekämpfen würde.
Mission 5: Das regionale Aktionsfeld bestimmen
Eine strategische Neuausrichtung Utnegaards war: Bilfinger zieht sich aus globalen Geschäften zurück und konzentriert sich auf Europa. Blades muss entscheiden, ob es dabei bleibt. Passt die Festlegung überhaupt zum Geschäft? Immer mehr Auftraggeber erwarten, dass ihre Industrieservice- oder Gebäude-Dienstleister ihnen bei der Expansion ins Ausland folgen, weil sie dort mit bewährten Partnern zusammen arbeiten wollen.
Kann Bilfinger das ablehnen? Kurios: Die Power-Sparte vermeldete kürzlich mal was Positives, nämlich einen neuen Auftrag - aber der kam nicht aus Europa, sondern aus Ägypten.
Mission 6: Rechtstreue herstellen
Bilfinger war – nach Siemens und Daimler - das dritte deutsche Unternehmen, das wegen Bestechung in internationalen Geschäften unter US-Aufsicht stand. Grund war ein zwölf Jahre zurück liegender Korruptionsfall bei einem Pipeline-Projekt in Nigeria, in den Bilfinger verwickelt war.
Bekannt wurde zudem Bestechungsfälle in Brasilien im Zusammenhang mit einem Millionen-Auftrag für die Fußball-WM 2014. Aufsichtsratschef Cordes sagt: „Wir haben nun ein First-Class-Compliance-System installiert.“ Das sollte sich Blades genau anschauen und notfalls nachbessern. Beteuerungen gab es schon zu viele.
Mission 7: Profil gewinnen, Vertrauen schaffen
Warum eigentlich Blades sich auf das Himmelfahrtskommando in Mannheim einlassen sollte, ist vorerst sein Geheimnis. Klar ist: Bei Bilfinger wurde so viel Vertrauen bei Mitarbeitern und Aktionären zerstört, dass nun nur eine ehrliche Haut für Umkehr und Neuanfang stehen kann. So einer wie John Cryan bei der Deutschen Bank - auch ein Brite, wie Blades.
Wieviel Spielraum zur persönlichen Profilgewinnung Bilfinger-Großaktionär Cevian, bei dem Aufsichtsratschef Cordes Partner ist, Blades lässt, steht auf einem anderen Blatt. Blades kann der Retter des 136 Jahre alten Unternehmens werden - oder sein Ende einläuten.