
Gleichzeitig tagen am Mittwochvormittag die Hauptversammlungen der M-Dax-Konzerne Bilfinger und Hochtief. Die Stimmung bei den Veranstaltungen könnte unterschiedlicher nicht sein. Zwar hat der spanische ACS-Konzern, der 2011 Hochtief feindlich übernahm, vom einst stolzen Flaggschiff der deutschen Bauindustrie nicht viel übrig gelassen: Nur gut 3500 Mitarbeiter hat Hochtief Europe in Deutschland noch. Aber dank der Töchter in Australien und USA und vor allem dank ständiger Aktienrückkäufe ist der Kurs Hochtief irgendwo über 110 Euro – aus Sicht der Anteilseigner also im siebten Himmel.
Die Aktionäre hingegen, die nach Mannheim ins Congress Centrum Rosengarten gereist sind, schauen neidvoll nach Essen. Ihre Aktien, die denen von Hochtief noch vor zwei Jahren weit voraus waren – Bilfinger lag im Frühjahr 2014 über 90, Hochtief bei 60 Euro – dümpeln nun unter 40 Euro und sacken bei schlechten Nachrichten, die der Konzern regelmäßig liefert, Richtung 35 Euro ab, um sich bis zum nächsten Nackenschlag wieder etwas aufzurappeln.
Nackenschläge wie die von Dienstag: Zwei Aufsichtsräte wollen nicht wieder in das Bilfinger-Kontrollgremium gewählt werden – Hans Peter Ring aus "persönlichen Gründen", John Feldmann ausdrücklich "wegen unterschiedlicher Auffassung im Aufsichtsrat zu Strategie und Positionierung von Bilfinger". Der frühere BASF-Manager steht deshalb "kurzfristig nicht mehr zur Verfügung", teilt das Unternehmen dazu mit. Oder Nackenschläge wie die von Mittwoch: Bilfinger bleibt als Korruptionssünder länger unter der Aufsicht des US-Justizministeriums, die eigentlich 2016 enden sollte, teilte Interimschef Axel Salzmann in seiner Rede mit.
Das Misstrauen gegenüber den Strategen um Aufsichtsratschef Eckhard Cordes ist bei Aktionären wie Arbeitnehmervertretern an diesem Morgen in Mannheim Hauptthema auf den Fluren des Congress-Centrums, dessen Name wie Hohn klingt. Wie oft hatten die gerade führenden Köpfe des Konzerns den Mitarbeitern und Teilhabern einen ökonomischen Rosengarten versprochen? Der Abschied vom konjunkturabhängigen Baugeschäft sollte den damals soliden Konzern noch erfolgreicher machen und ihm größere Margen einbringen.
Nun soll die einzig erfolgreiche der drei Dienstleistungssparten – das Gebäudemanagement – zusammen mit den Resten des Hochbaugeschäfts verkauft werden. Aber wem soll das nutzen außer dem Großaktionär Cevian, für den Cordes arbeitet und der mit allen Mitteln sein Fehlinvestment retten will?





Bis zur Hauptversammlung sollte eigentlich klar sein, ob und an wen das Tafelsilber geht. Aber auch dieser Zeitplan ist Makulatur. Zwei, drei Wochen, heißt es nun, braucht das Management noch für die im Herbst heimlich begonnenen Verkaufsverhandlungen, von denen nicht einmal der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Konzernbetriebsratschef Stephan Brückner bis Januar 2016 etwas ahnte. Brückner sitzt mit finsterer Miene auf dem Podium direkt neben Cordes, dem die Redner "Schönfärberei" und krasses Versagen vorwerfen. "Herr Cordes, Sie müssen weg", sagt ein Kleinaktionär und bekommt Beifall.
Überschätzte Manager
Derzeit ist wieder Hängepartie im Bilfinger-Konzern. Auch das werfen die Aktionärsschützer vom Podium aus dem unbewegt erscheinenden Cordes vor – wie schon seit Sommer 2014, als der überschätzte und glücklose Ex-Ministerpräsident Roland Koch den Vorstandsvorsitz abgeben musste. Danach herrschte monatelang Ex-Chef Herbert Bodner, der bei der Hauptversammlung weit hinten im Plenum sitzt, über das bröselnde Bilfinger-Imperium. Dann kam zehn Monate lang der wiederum überschätzte Norweger Per Utnegaard, den Cordes geholt hatte.
Und nun führt interimsmäßig Finanzchef Axel Salzmann die Geschäfte – bis irgendwann im dritten Quartal der nächste Bilfinger-Chef antritt: der Brite Thomas Blades, der erst noch aus dem Vorstand des Linde-Konzerns losgeeist werden muss. "Hoffentlich nicht wieder einer, der überschätzt wird", heißt es an den Stehtischen bei Kaffee und Brötchen. Gerätselt wird bei Brezel und Käsekuchen natürlich auch über die andere existenzielle Hängepartie: den vor fast einem Jahr angekündigten Verkauf der Kraftwerksdienstleistungssparte, die offenbar zum Ladenhüter wird.
Cordes versucht, lästigen Kritikern das Wort abzuschneiden. Vergebens. Zwei Stunden nach Beginn der Hauptversammlung, und das Scherbengericht über Cordes will nicht enden. Vielleicht denkt auch er neidisch an die Parallelveranstaltung in Essen.