Biotechfirma Curevac mit erfolgreichem Test Präventivschlag gegen Viren

Die Biotechfirma Curevac will die Krankheitsprävention mit neuen Impfstoffen revolutionieren und wertet einen ersten Test als Erfolg. Bei der Produktentwicklung hoffen die Tübinger auf zusätzliche Hilfe von Bill Gates.

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Impfstoff-Innovationen aus Tübingen. Quelle: dpa

Frankfurt Software-Milliardär Bill Gates sorgte für einiges Aufsehen in der deutschen Biotech-Szene, als er sich im Frühjahr 2015 über seine Bill & Melinda Gates Stiftung mit 46 Millionen Euro an der Tübinger Curevac AG beteiligte. Das ambitionierte Ziel: die Prävention von Krankheiten mit einer völlig neuen Klasse von Impfstoffen zu revolutionieren, die auf dem Botenmolekül Messenger-RNA basieren.

Zwei Jahre später hat das Tübinger Biotechunternehmen, das bisher maßgeblich von SAP-Gründer Dietmar Hopp finanziert wird, in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erstmals klinische Daten für einen solchen prophylaktischen Impfstoff auf RNA-Basis präsentiert. Sie bestätigen laut Curvac die Sicherheit und Verträglichkeit solcher Impfstoffe und zeigten, dass sie in der Lage sind, eine Immunreaktion zu erzeugen.

Nachdem die Mainzer Firma Biontech jüngst erste vielversprechende Daten für einen individualisierten, therapeutischen RNA-Impfstoff in der Krebsbehandlung publizierte, legt Curevac jetzt nach. Das Unternehmen liefert einen weiteren Beleg dafür, dass eine RNA-Impfung funktionieren könnte – und dies eben auch bei gesunden Menschen, die sich gegen Infektionsrisiken schützen wollen.

Firmenchef und Mitgründer Ingmar Hoerr will nun zügig in die Produktentwicklung einsteigen und hofft, zugleich die Allianz mit der Gates-Stiftung ausbauen zu können.

Im konkreten Fall ging es um einen Impfstoff gegen Tollwut, den Curevac an gut 100 gesunden Probanten getestet hatte. Das primäre Ziel der Studie wurde laut Curevac erreicht: Der Impfstoff erwies sich als sicher, seine Nebenwirkungen bewegten sich im Rahmen üblicher Impfreaktionen.

Für die Dritte Welt

Vertreter der Gates-Stiftung äußern sich zuversichtlich. „Auch wenn weiterführende Forschungsarbeiten nötig sind, ist dies ein wichtiger Schritt, um das Potenzial von Curevacs mRNA-Impfstofftechnologie in Produkte umzusetzen“, erklärte Andrew Farnum, der für die Forschungsinvestitionen bei der Bill & Melinda Gates Stiftung verantwortlich ist. In Kooperation mit der Gates-Stiftung will Curevac eine Reihe weiterer Impfstoffe entwickeln, insbesondere für den Einsatz in der Dritten Welt.

Dessen ungeachtet ist es für Curevac und einige andere Unternehmen, die auf dem Gebiet forschen, noch ein weiter Weg bis zur Marktreife. Manche Branchenkenner äußern sich skeptisch. „RNA-Impfstoffe haben noch enorme Hürden zu überwinden“, sagt Manon Cox, die Chefin der amerikanischen Impfstofffirma Protein Sciences, die einen Grippeimpfstoff auf Basis von gentechnisch hergestellten Eiweiß-Substanzen entwickelt hat. Dieses Produkt konnte sich bisher kaum durchsetzen gegen etablierte Impfstoffe, die überwiegend aus abgetöteten Viren oder Virusmaterial hergestellt werden.

RNA-Impfstoffe hätten gegenüber solchen Produkten indessen den Vorteil, dass sie einfacher und schneller hergestellt werden könnten und auch in klimatisch schwierigen Ländern, etwa in den Tropen, einfacher zu nutzen seien.

Die Impfstoffentwicklung von Firmen wie Curevac und Biontech hat zudem das Potenzial, Messenger-RNA als völlig neue Wirkstoffklasse im Pharmabereich zu etablieren. Das ergibt sich aus der speziellen Funktion von RNA, die im Zellstoffwechsel als eine Art Übersetzermolekül dient, um die Informationen von Genen in Eiweißstoffe (Proteine) umzusetzen. Mit gezielt eingeschleuster RNA könnte man körpereigene Zellen theoretisch nach Belieben in eine Art Pharmafabrik umwandeln, die je nach Bedarf Impfstoffe oder auch andere Wirkmoleküle produzieren.

Nicht zuletzt dank dieser Perspektive ist zum Beispiel die US-Firma Moderna, die sich ebenfalls auf dem Gebiet engagiert, mit über drei Milliarden Dollar zum höchstbewerteten privaten Unternehmen der US-Biotechszene aufgestiegen.

Die Herausforderung für die RNA-Pioniere indessen besteht darin, RNA so aufzubereiten, dass sie vom Körper und den Zellen nicht zerstört wird, bevor sie ihr Werk verrichten kann. Curevac betrachtet sich auf diesem Gebiet als weltweit führend, auch wenn man in klinischen Studien bisher nur durchwachsene Ergebnisse liefern konnte.

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