BMW-Chef Krüger „Hören wir auf, den Diesel kaputtzureden“

Die Autobauer sitzen in der Dieselfalle: BMW-Chef Harald Krüger kämpft daher auf der Hauptversammlung vehement für den Selbstzünder. Die Münchener haben besonders viel zu verlieren – und setzen auf den Glanz der 1980er.

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„Ohne moderne Diesel sind die Kohlendioxid-Ziele der EU für 2020 Makulatur.“ Quelle: BMW

München Wer zur BMW-Hauptversammlung möchte, muss in der Regel den Mittleren Ring überqueren. Münchens Stadtautobahn vor der Tür der Olympiahalle ist berüchtigt für Staus und Abgase. Die Stickoxidemissionen an der vierspurigen Straße sind so hoch, dass für die Münchener Innenstadt ab 2018 Fahrverbote für Dieselantriebe drohen. So jedenfalls hat es das Bayerische Verwaltungsgericht verfügt.

Ein Problem für den Chef der Bayerischen Motorenwerke, der am Vormittag zu 5500 anwesenden Aktionären spricht. Harald Krüger, der im Sitzen redet, hat sich für eine offensive Variante entschieden. „Hören wir auf, die Menschen zu verunsichern“, ruft Krüger von der Bühne. „Und hören wir auf, den modernen Diesel kaputtzureden“. Es folgt ein langer Applaus der Anteilseigner.

Wie seine Kollegen in Wolfsburg und Stuttgart ist der BMW-Chef von der Diskussion um Diesel-Fahrverbote in Deutschland angefressen. Vielleicht sogar ein wenig mehr als VW-Chef Matthias Müller und Daimler-Boss Dieter Zetsche, denn Krüger hat bislang eine weiße Weste. Weder ist das Unternehmen Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, noch ist den Münchenern ein Betrug nachgewiesen worden. Doch der Konzern hat viel zu verlieren. BMW hat in Europa 71 Prozent Dieselanteil in der Neuwagenflotte, mehr als jeder andere Hersteller.

Es steht also viel auf dem Spiel – und das wird ausgerechnet in Stuttgart entschieden. Denn in der Heimatstadt des Konkurrenten Mercedes laufen seit Wochen Gespräche zwischen der Autoindustrie und der Landesregierung, wie das angedrohte Fahrverbot in Stuttgart noch zu verhindern ist. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die älteren Euro5-Diesel umgerüstet werden, deren Abgasverhalten bei allen Herstellern große Mängel aufweist.

Sicher ist: Es wird eine sehr teure Umrüstung. Zwischen 1000 und 3000 Euro könnten pro Auto fällig werden, heißt es in der Industrie. Das Ganze hat den Charakter von Tarifverhandlungen: Kommt es zu einer Einigung, dürften die Ergebnisse auf ganz Deutschland übertragen werden. In der Summe könnten auf BMW, Daimler und Volkswagen Kosten insgesamt in Milliardenhöhe zukommen.

Doch es wird wohl kaum anders gehen. Zwar erfüllen die neuen Euro-6-Diesel, die seit 2014 verkauft werden, die Abgaswerte, betont Krüger. Auch zuvor habe man sich immer an die gesetzlichen Vorgaben gehalten und die Testvorgaben eingehalten. Doch die Kunden drohen das Vertrauen zu verlieren, eine verhängnisvolle Entwicklung für BMW. Die Diskussion um eine pauschale Verbannung müsse daher schnell vom Tisch. Denn: „Der Haken an der Sache ist: Wer den Diesel verbannt ,bekommt mehr Kohlendioxid“, sagt Krüger.

Damit sitzt BMW wie der Rest der Branche in der Dieselfalle. Denn wenn die Münchener ab morgen anteilig mehr Benzinautos verkaufen, geht der Kohlendioxid-Ausstoß hoch und BMW verfehlt die Klimavorgaben. „Ohne moderne Diesel sind die Kohlendioxid-Ziele der EU für 2020 Makulatur“, sagt Krüger.


8er-Reihe wird neu aufgelegt

Und so schwant den Aktionären, dass die viel beschworene Transformation in der Autoindustrie BMW nun doch schneller erreichen wird als gedacht. Auch wenn Krüger ein neues Auto ankündigt, das den Glanz der 1980er-Jahre versprüht. So soll im kommenden Jahr die „8er“-Reihe neu aufgelegt werden, die BMW bereits zwischen 1989 und 1999 gebaut hat.

Das hochmotorisierte Sportcoupé auf Basis der 7er-Reihe soll vor allem in den USA und Asien dem S-Klassen-Coupé von Mercedes Kunden abjagen. Als Antrieb sind Benzinmotoren mit viel Hubraum vorgesehen.

Die Aktionärsvertreter interessieren sich aber vor allem für die Zukunft des Diesels. „Was bedeutet das für die Restwerte bei den Gebrauchtwagen?“ fragt Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz mit Blick auf die verleasten Dieselautos, die BMW über die eigene Hausbank finanziert hat. Und auch die viel gerühmte Elektrostrategie hat für Bergdolt ihren Glanz verloren, angesichts der schleppenden Verkäufe des „i3“ und des „i8“. „Wir sind als Säbelzahntiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet“ ruft die Aktionärsvertreterin in den Saal.

Krüger versucht zu beruhigen: Noch sein kein signifikanter Einbruch in der Diesel-Nachfrage zu verspüren. Noch seien die Restwerte für Diesel stabil. Und der „Marathon zur nachhaltigen Mobilität“ nehme Fahrt auf. In diesem Jahr will der Konzern zum ersten Mal mehr als 100.000 Elektroautos oder Plug-In-Hybride verkaufen. Mitte des kommenden Jahrzehnts sollen es dann 15-25 Prozent vom Gesamtabsatz sein. Dann will der Konzern mehr als drei Millionen Autos bauen, rund 600.000 mehr als heute. „Wer einmal in einem Elektroauto gefahren ist, weiß: Elektromobilität ist Fahrfreude pur“, sagt Krüger.

BMW gibt sich Mühe. Vor der Olympiahalle wartet eine Flotte von Elektroautos als Shuttle für die Aktionäre. In Schrittgeschwindigkeit bringen die Fahrer die Anteilseigner durch das Olympiagelände zu den Parkplätzen. Einer älteren Dame auf dem Beifahrersitz geht das offenbar zu langsam, der Fahrer lässt den „i3“ ruckartig einige Meter beschleunigen. Der kurze Sprint scheint überzeugt zu haben. Mit einem Lächeln steigt die betagte Aktionärin am Parkplatz aus.

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