




Wenig sichert einem Flugzeugbauer so leicht die Aufmerksamkeit für ein neues Flugzeugmodell wie der simple Namenszusatz „X“. Beim neuen Langstreckenflugzeug 777X steht der Buchstabe aus Sicht von für Flugenthusiasten für „eXiting“ (aufregend), Boeingmanager wie Konzernchef Jim McNerney sehen es eher nüchtern als „eXtended“ (verlängert).
Die rund 22 Bundesstaaten, bei denen der weltgrößte Luftfahrtkonzern gerade nach einer Fertigungsstätte sucht, und die Unternehmens-Gewerkschaften sehen es allerdings anders. „Da steht es eher für „eXtortion“ (Erpressung)“, spottet der US-Luftfahrt-Analyst Scott Hamilton. Denn bevor der Konzern sich Anfang des nächsten Jahres endgültig entscheidet, wo die Maschine dann ab frühestens 2018 vom Band läuft, bemüht er sich mit ungewöhnlichen Methoden die Kosten für den Bau des Vogels zu drücken.
Die wichtigsten Neuerungen der B 777X
Die Kabine bietet ein angenehmeres Licht und größere Gepäckfächer als heutige Flieger. Der breitere Kabinendurchmesser erlaubt entweder mehr Platz für Passagiere oder einen Sitz mehr je Reihe. Das bringt Fluglinien höhere Einnahmen als bei den Konkurrenzmodellen Boeing 787 und Airbus A350.
Trotz des ähnlichen Designs hat die B 777X im Vergleich zur heutigen B 777 einen glatteren Rumpf mit weniger hervorstehenden Teilen, die unerwünschte Luftwirbel verursachen. Der dadurch geringere Luftwiderstand sorgt im Flug für einen geringeren Spritverbrauch und bei der Landung für weniger Lärm.
Die neue Cockpitelektronik sorgt für sparsameres und bei Stürmen ruhigeres Fliegen. Weil die Instrumente sehr denen des Boeing-Schwestermodells Dreamliner 787 ähneln, können die Piloten wie heute schon bei Airbus-Fliegern ohne eine große Umschulung zwischen den beiden Flugzeugen wechseln.
Die GE9X-Triebwerke von General Electric werden die größten Flugzeugmotoren der Welt sein. Sie verbrauchen 20 Prozent weniger als die der heutigen B 777, sind sie doch dank neuer Metalllegierungen und Verbundwerkstoffe leichter, erzeugen dank höherer Drücke sowie höherer Verbrennungstemperaturen mehr Schub.
Die Heckflosse besteht zwar aus modernen Verbundwerkstoffen. Der Rumpf muss aber anders als bei Boeings Dreamliner 787 ohne das superleichte Material auskommen. Stattdessen setzt der Konzern auf Metalllegierungen, die den Jet zumindest etwas leichter als das Vorgängermodell B 777 machen.
Die Flügel sind dank Verbundwerkstoff leichter. Die „hyperkritisch“ genannte starke Biegung nach oben macht sie aerodynamischer. Damit die B 777X an Flughäfen leichter manövrieren kann, testet Boeing die Möglichkeit, die gut drei Meter langen Spitzen nach der Landung hochzuklappen.
Wie genau das aussieht, beschreibt eine Studie der privaten - eher industriekritischen - Forschungsorganisation Institute For Winsconsin’s Future (IWF), deren Heimatstaat sich auch um den Bau des 777X-Werks beworben hat. Die Arbeit stammt zwar aus dem Jahr 2010 und Boeing selbst mag die Zahlen offiziell nicht bestätigen. „Doch sie liest sich bemerkenswert ähnlich wie die Ausschreibungen von Boeing“, urteilt Hamilton.
„Der Konzern verlangt ein enormes Entgegenkommen“, heißt es in der Studie. Und nur wenn ein Standort Boeing in praktisch allen Forderungen entgegenkommt, so das Fazit der Autoren, hat er eine Chance auf die neue Fabrik.
Das beginnt bei den sogenannten „harten Kosten“, wie die Studie Nachlässe bei Einkommen-, Umsatz und Grundsteuern nennt. Bevor Boeing 2009 mit dem Bau seiner Fabrik für sein Leichtbauflugzeug 787 im US-Bundesstaat South Carolina begann, ließ sich das Unternehmen laut Berichten der Lokalzeitung „Charleston Post and Courier“ einen Nachlass von 63 Prozent auf die Grundsteuer zusagen, plus die Rückerstattung von der Hälfte der übrigen gezahlten Steuern. Der Bundesstaat Washington gewährte laut der IWF-Studie im Jahr 2003 drei Milliarden Steuererleichterung.