Boni bei Volkswagen Eine verpasste Chance für VW

Der Vorstand von Volkswagen verzichtet auf einen Teil seiner Bonuszahlungen. Damit beendet Deutschlands größter Autokonzern eine lästige Debatte. Doch VW lässt auch eine große Chance verstreichen. Ein Kommentar.

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Die VW-Vorstände wollen auf etwa 30 Prozent ihrer Bonuszahlungen verzichten. Das ist kaum mehr als eine nette Geste. Quelle: AFP

Düsseldorf Der Niedergang von Imperien ist ein beliebter Stoff für Historiker. In ihren Abhandlungen ist oft von wirtschaftlichen Krisen die Rede, von verlorenen Schlachten und größenwahnsinnigen Führern. Meist ist der Niedergang aber ein schleichender Prozess, vorangetrieben durch übersättigte Gesellschaften, deren Zusammenhalt schrumpft.

In Wolfsburg sollte man sich die Analysen der Historiker zu Herzen nehmen. So sehr die externen Folgen des Dieselskandals den deutschen Autoriesen auch erschüttern mögen – ohne den Zusammenhalt zwischen Belegschaft und Management steht man in Wolfsburg vor existenziellen Problemen.

Und um den Zusammenhalt ist es in Wolfsburg derzeit nicht gut bestellt. Das Machtvakuum, das der einstige Firmenpatriarch Ferdinand Piëch und der abgetretene Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn hinterlassen haben, ist groß. Betriebsratschef Bernd Osterloh und VW-Markenchef Herbert Diess streiten ungewohnt öffentlich um den neuen Kurs. Im Zwölf-Marken-Reich tobt ein Machtkampf. Der proklamierte Kulturwandel, den der neue Konzernchef Matthias Müller zu seinem Amtsantritt ausgerufen hat, geht derzeit im Streit unter.

In den vergangenen Tagen diskutierte der Konzern vor allem über die üppigen Bonuszahlungen seiner Führungsriege. Eine Debatte zur Unzeit: Täglich trudeln neue Milliardenklagen gegen den Konzern ein. Den Rückruf des Passats musste man erneut verschieben, weil eine technische Lösung fehlt. Und bisher ist es noch nicht gelungen, sich mit den US-Behörden zu einigen. Zudem stehen wichtige Termine an: Der Bericht der Anwaltskanzlei Jones Day soll bald vorgelegt werden, danach steht die Hauptversammlung an. Eine ausufernde Debatte über Managergehälter kann sich VW derzeit nicht leisten.

Entsprechend schnell fand sich ein Kompromiss: Man wolle die Fälle individuell prüfen und auf bis zu 30 Prozent der Bonuszahlungen verzichten, heißt es aus Konzernkreisen. Auch Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, der sich zehn Millionen Euro für den Wechsel in das Aufsehergremium auszahlen ließ, wird nachträglich zur Kasse gebeten. Er soll "nur" noch sieben Millionen Euro ausgezahlt bekommen.

Dieser Kompromiss ist vor allem der Beweis, dass die aktuelle Gefühlslage der Belegschaft noch nicht in der Vorstandsetage angekommen ist. Denn der Dieselskandal und seine finanziellen Folgen werden unter den Arbeitern mit großer Sorge beäugt. Die Angst, dass nötige Sparprogramme auch den eigenen Arbeitsplatz gefährden, ist greifbar. In den kommenden Wochen stehen harte Verhandlungen an. Ein Komplettverzicht der Vorstände auf Bonuszahlungen wäre im Vorfeld ein starkes Signal gewesen: VW ist uns wichtiger als der eigene Geldbeutel, wir alle müssen den Gürtel enger schnallen. Diese Chance hat man nun ungenutzt verstreichen lassen.


Nicht gerecht, aber richtig

Natürlich wäre ein Komplettverzicht für den Vorstand nicht gerecht gewesen. Die meisten Vorstände sind schließlich nicht verantwortlich für den Dieselskandal. Krisenmanager wie Herbert Diess, die erst nach dem Ausbruch ihren Dienst antraten, hätte man damit finanziell für die Fehler seiner Vorgänger in Mithaftung genommen.

Trotzdem wäre ein Komplettverzicht richtig gewesen. Immerhin wurden die hohen Bonuszahlungen bei VW in den vergangenen Jahren auch mit dem Verkauf manipulierter Dieselfahrzeuge erwirtschaftet. Und im Vergleich mit anderen Dax-Vorständen liegen die VW-Manager auch nach dem Verzicht im oberen Drittel. Vorstände anderer krisengeschüttelte Konzerne wie RWE-Chef Peter Terium, Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Adidas-Chef Herbert Hainer haben zum Teil deutliche Gehaltseinbußen hingenommen. Bei VW pocht die Spitze weiterhin auf ein fürstliches Gehalt.

Die gefundene Kompromiss ist darum kaum mehr als eine nette Geste und kein Ausdruck eines gelebten Kulturwandels. Vor allem muss sich auch der Vorstand selbst die Frage stellen, warum man die Debatte über das eigene Gehalt überhaupt erst zum Politikum werden ließ. Die Frage nach persönlichen Konsequenzen stellte sich spätestens, seit öffentlich über eine Kürzung der Dividende diskutiert wird. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der auch Aufseher bei VW ist, blieb am Ende kaum eine andere Wahl, als die Bonuszahlungen öffentlich zu kritisieren.

Müller, der bei der Kernmarke zwischen Markenchef Diess und Betriebsratschef Osterloh vermitteln soll, hat es verpasst, sich mit dem Komplettverzicht auf seinen Bonus einen Vertrauensvorschuss zu erkaufen. Nun muss er sich doppelt anstrengen, um nicht nur das Vertrauen der Kunden und Aktionäre zurückzugewinnen, sondern auch, um die Belegschaft auf die schwierigen Zeiten einzuschwören. Nur wenn das gelingt, kann das Autoimperium Wolfsburg den eigenen Niedergang verhindern.

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