Für China-Kenner Schneider ist klar: "Sichuan, Chongqing und die Gegenden weiter nördlich befinden sich in der Frühphase ihres Booms." Je stärker die Kaufkraft steige, desto rasanter würden sich Regionen in der Mitte Chinas entwickeln. Unter deutschen Mittelständlern wird er wohl bald nicht mehr der bunte Vogel sein, der in die Provinz ausfliegt: "Wenn mehr deutsche Großkonzerne ihre Werke in der Landesmitte eröffnen, werden ihnen auch mittelständische Zulieferer folgen."
Gerade die halten sich zurück. Laut einer Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Shanghai trauen zwar 65 Prozent der Kammer-Mitglieder dem Westen bis 2015 die größten Wachstumschancen zu. Trotzdem plant der Großteil seine Investitionen an der Ostküste. Nur 9,1 Prozent wollen Werke in Sichuan und nur 5,4 Prozent in Chongqing bauen.
Volle Auftragsbücher
Ein Grund für die Zurückhaltung: Die relativ niedrigen Lohnkosten seien für die meisten deutschen Unternehmer kein Argument für eine Ansiedlung, sagt Astrid Schröter, die bei der Kammer den Kontakt zu den Mitgliedern pflegt. Vielmehr legten Mittelständler, die das Gros der AHK-Mitglieder stellen, eher Wert auf Kundennähe und Infrastruktur. Die meisten Kunden haben die Zulieferer weiterhin im Speckgürtel von Shanghai.
Hinzu kommt die Exotik: In Chinas Mitte gibt es zwar Starbucks-Filialen, Adidas-Läden und schöne Hotelbars, aber zum Beispiel keine deutschen Schulen. Ins Zentrum gehe ein bestimmter Managertyp, sagt Handelskammer-Frau Schröter: "Einer mit Pioniergeist und ausgeprägter China-Erfahrung."
Diese Beschreibung passt auf Wolfgang Beuck. Er ist Geschäftsführer des oberfränkischen Autozulieferers Brose in Chongqing, der dort seit Kurzem Fensterheber und Türschlösser herstellt. Der Weg ins Werk führt über eine neu gebaute Autobahn durch hügelige Landschaften. Links und rechts der Schnellstraße pflanzen Bauern Kürbisse, Chilis und Pfeffer.
Beuck ist der einzige Ausländer in Taizi, einer Industriezone 30 Kilometer westlich von Chongqing. Begeistert führt der Manager seinen Besucher durch das neue Werk. Die Halle ist großzügig und sauber. In den Büroräumen riecht es nach Plastik, kleine Zimmerpflanzen sollen den Geruch vertreiben - ein Tipp seiner chinesischen Mitarbeiter. Seit März erst laufen die Bänder: Mit 140 Angestellten fertigen die Coburger für Volvo, VW und Ford, die große Fabriken im Umkreis von Chongqing betreiben.
"Es ist hier viel leichter, qualifiziertes Personal zu finden, als an der Ostküste", sagt Beuck. Dort haben deutsche Unternehmen mit jährlichen Fluktuationsraten im zweistelligen Bereich zu kämpfen. Gerade erst angelernte Arbeiter wechseln zur Konkurrenz, weil sie dort zehn Prozent mehr Lohn bekommen.
Sichuan und Chongqing geht es immer besser. Noch vor wenigen Jahren verließen junge Leute die bevölkerungsreiche, aber kaum entwickelte Heimat, um an der Ostküste Arbeit zu finden. Jetzt kehren die gut ausgebildeten Fachkräfte zurück. Einer von ihnen ist Frank Fang. Der 30-jährige IT-Experte richtet die Server in der neuen Brose-Fabrik ein: "Ich habe meine Heimat vor acht Jahren verlassen, weil es kaum gute Jobs gab. Jetzt ist das anders." Vor Ort kann sich Fang jetzt um seine Eltern kümmern.