Bosch-Chef Denner Milliardeninvestition in Künstliche Intelligenz

Ob Bosch als Softwarelieferant eine Schuld am VW-Dieselskandal trägt, ist noch offen. Unterdessen trimmt Chef Volkmar Denner den Konzern auf Künstliche Intelligenz. Das Stammgeschäft ist robust, verliert aber an Dynamik.

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Chef Volkmar Denner muss entscheiden, ob der Bosch-Konzern in die Batteriefertigung einsteigen will oder nicht. Quelle: picture alliance/dpa

Stuttgart Traditionell gibt die Führungsspitze von Bosch um Volkmar Denner im Januar einen ersten Ausblick auf das neue Jahr. Bosch war selten so vorsichtig wie jetzt. Normalerweise gibt der Konzern eine Bandbreite für das erwartete Umsatzwachstum. Die Vorgabe von drei bis fünf Prozent hat der Konzern mit 73,1 Milliarden im Jahr 2016 nur mit Mühe eingehalten. Unter dem Strich steht ein Plus von 3,5 Prozent. Bereinigt um Wechselkursbelastungen von 1,3 Milliarden Euro sieht das Bild allerdings mit 5,4 Prozent Wachstum besser aus. 

„Wir sehen konjunkturelle Risiken vor allem in den politischen Entwicklungen“, sagt Bosch-Chef Volkmar Denner angesichts des Brexits und der Wahl des neuen US-Präsidenten Donald Trump und ergänzt: „Wir wollen aber stärker wachsen als die jeweiligen Märkte.“ Zugrunde legt Denner eine prognostizierte Steigerung der weltweiten Konjunktur um 2,3 Prozent, die Bosch übertreffen will. Von der Konjunktur erwartet Denner keinen Rückenwind für seinen Konzern.

Der Ausblick von Bosch ist von besonderem Interesse, weil das Unternehmen so breit wie kaum ein anderes in Deutschland aufgestellt ist. Bosch ist nicht nur der größte Autozulieferer der Welt, sondern stellt auch Hausgeräte, Elektrowerkzeuge und Industrie- sowie Gebäudetechnik her. Der Konzern beschäftigt weltweit 390.000 Mitarbeiter in 450 Gesellschaften in 60 Ländern.

Der Konzern erreichte 2016 ein operatives Ergebnis vor Finanzergebnis und Steuern (operatives Ebit) in Höhe von rund 4,3 Milliarden Euro, nach 4,6 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Umsatzrendite sank von 6,5 auf 5,8 Prozent. Die Schwaben haben sich damit wieder etwas weiter von ihrer langfristigen Zielgröße von acht Prozent Wachstum bei acht Prozent operativer Rendite entfernt. Dennoch steht der Konzern finanziell sehr robust da, mit einer Eigenkapitalquote von mehr als 40 Prozent und einer Liquidität von 16 Milliarden Euro.

Diese Substanz wird der Konzern brauchen. „Bosch befindet sich inmitten des größten Transformationsprozesses der Unternehmensgeschichte“, sagte Bosch-Chef Denner. Mit dem Geschäftserfolg von heute finanzieren wir den Erfolg in der Zukunft“, betonte Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer.

Für neue Technologien für die Vernetzung von Produkten und Industrie und den Wandel hin zur Elektromobilität investiert der Konzern Milliarden. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung stiegen um 3,3 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.

Zum Jahresbeginn nahm das neue Bosch-Center für Künstliche Intelligenz mit 100 Experten an den Standorten Bengaluru (Indien), Palo Alto (USA) und Renningen (Deutschland) die Arbeit auf. Bis 2021 wird Bosch 300 Millionen Euro in den Ausbau investieren.

„In zehn Jahren wird kaum ein Bosch-Produkt ohne Künstliche Intelligenz denkbar sein“, sagte Denner. Bereits in fünf Jahren soll diese Art von Produkten zehn Prozent des Bosch-Umsatzes erzielen. Auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas hat Bosch unter anderem den Heimroboter Kuri vorgestellt.


Eine Führungsrolle in der Elektromobilität?

Im Kerngeschäft „Mobilitätslösungen“ – einschließlich des traditionellen Automobilzuliefergeschäfts – steigerte Bosch den Umsatz um 5,5 Prozent auf 44 Milliarden Euro. „Wir werden auch führend in der Elektromobilität sein“, bekräftigte Denner. Zum Lackmustest wird es Ende des Jahres kommen. Dann wird in der Bosch-Zentrale die Entscheidung getroffen, ob der Konzern in die Produktion von Batteriezellen einsteigt. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Teil der Wertschöpfung für Elektroautos.

Das Ja oder Nein für den Einstieg in die Batteriezellenfertigung hängt Denner zufolge davon ab, ob es gelingt, technisch bessere und günstigere Produkte im Vergleich zur Konkurrenz wie Samsung oder Panasonic zu produzieren. Letztgenannte Konzerne bauen mit dem US-Elektroautopionier Tesla eine große Batteriefabrik in den USA.

Seit einigen Monaten hat Bosch die Entwicklung dieser Produkte in Stuttgart in einem Campus mit 300 Mitarbeitern zusammengezogen. Sie arbeiten daran, die Energiedichte der Batterien bis Ende des Jahrzehnts zu verdoppeln und die Kosten zu halbieren. Das gilt als Voraussetzung dafür, dass mehr Interessenten die bisher noch relativ teuren Elektroautos kaufen. Steigt Bosch in die Batteriefertigung ein – eine Grundvoraussetzung für eine führende Rolle in der Elektromobilität –, sind damit Investitionen in einem zweistelligen Milliardenbereich verbunden.

Der Konzern steht wegen der Verwicklung in den VW-Dieselskandal als Lieferant der Steuerungssoftware, mit der der Abgasbetrug begangen wurde, unter Druck. Im Zivilverfahren in den USA verhandelt Bosch gerade über einen Vergleich, den das Unternehmen 300 Millionen Dollar kosten kann.

Aussagen zu dem laufenden Verfahren machte Denner nicht. Auch der Finanzchef verriet nicht, ob die Rückstellungen für rechtliche Risiken erhöht werden müssen. Für 2015 hatte der Konzern insgesamt 650 Millionen Euro Rückstellungen gebildet. Mit dem Vergleich will sich Bosch jahrelange Gerichtsverhandlungen ersparen. Ein Schuldeingeständnis sieht die Konzernführung darin nicht.

Zudem laufen auch noch Strafverfahren gegen Bosch wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Betrug. Solange diese Vorwürfe nicht geklärt sind, will Bosch-Chef Denner nur den Ermittlern Einblick in die seit eineinhalb Jahren laufenden internen Untersuchungen geben.

Anfang des Jahres hatten US-Behörden einen VW-Manager in seinem-USA-Urlaub verhaftet. „Bei uns gibt es keine Reiseeinschränkungen“, sagte Denner. Und der Chef der Auto-Sparte Rolf Bulander ergänzte. „Ich war in Florida im Urlaub. Und wie Sie sehen, bin ich wieder zurück.“

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