Boston-Consulting-Studie Experten rechnen vor: E-Autos überholen Verbrenner 2030

Elektromobilität ist auf dem Vormarsch. Laut einer BCG-Studie werden sich die Stromer 2030 auf dem Automarkt durchgesetzt haben. Quelle: dpa

E-Autos werden 2030 den Automarkt beherrschen, ermittelt eine aktuelle Studie. Vor allem sinkende Batteriepreise sollen diese Entwicklung antreiben – doch nicht in allen Regionen gleich schnell.

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Im Jahr 2030 könnten laut einer Studie weltweit erstmals mehr Autos mit Elektro-Antrieb als mit Verbrennungsmotor verkauft werden. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) rechnet dabei rein batteriebetriebene Wagen und Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieben zusammen. Treiber für die Entwicklung seien dabei unter anderem der Druck durch Vorgaben der Regulierer zum Schadstoffausstoß sowie sinkende Batteriekosten. So dürfte der Batteriepreis zwischen 2014 und 2030 um 80 Prozent fallen, prognostizierte BCG.

Allerdings seien die regionalen Unterschiede groß, betonen die BCG-Experten. So werde in China und Europa zum Jahr 2030 gut jedes vierte neue Fahrzeug nur mit Batterien betrieben werden, während der Anteil von Wagen mit Benzinmotoren auf rund ein Drittel sinken werde. In den USA dürften dagegen nach der Prognose Benziner dann noch auf einen Anteil von 47 Prozent bei Neuwagen kommen – und reine Batterie-Antriebe auf gut ein Fünftel.

Bislang läuft der Zuwachs an Elektroautos mit wenigen Ausnahmen (China, Norwegen...) eher schleppend. Zuletzt zogen die Neuzulassungen reiner E–Fahrzeuge in Deutschland zwar merklich an, ihr Marktanteil bleibt einstweilen gering.

von Martin Seiwert, Karin Finkenzeller, Henryk Hielscher, Stefan Reccius

Das Risiko Elektromobilität treibt die Autoindustrie um

Die Autobranche steckt mitten in einem grundlegenden Wandel von Benzinern und Dieseln hin zu klimafreundlicheren alternativen Antrieben wie der Elektromobilität. Hersteller und Zulieferer müssen Milliarden investieren. Für E-Autos aber sind weniger Jobs nötig, weil es viel weniger Komponenten gibt. Zugleich wirft die E-Mobilität wirft bisher kaum Geld ab, und die Nachfrage in wichtigen Absatzmärkten ist zurückgegangen. Das trifft vor allem Zulieferer. Es gibt bereits Kurzarbeit und die Ankündigung von Arbeitsplatzabbau.

So will Audi bis 2025 in Deutschland 9500 Stellen abbauen. Im Gegenzug sollen nur 2000 Jobs in Bereichen wie E–Mobilität und Digitalisierung neu entstehen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es dafür nicht geben. Bei Daimler dürfte ein Sparprogramm in den kommenden drei Jahren mindestens 10.000 Stellen kosten. Dabei werden vor allem frei werdende Positionen nicht nachbesetzt. Betriebsbedingte Kündigungen sind in Deutschland jedoch bis Ende 2029 ausgeschlossen. Der Konzern will bis Ende 2022 rund 1,4 Milliarden Euro an Personalkosten einsparen.

Auch Bosch kappt viele Stellen und bei Continental protestieren Beschäftigte gegen das mögliche Aus für Kollegen, die den Wandel von Hydraulik zu Elektronik nicht mitmachen wollen oder können. Bis 2023 könnten die Umstrukturierungen hier 15.000 Jobs betreffen, 5000 in Deutschland.

IG Metall-Chef Jörg Hofmann sagte, kleine und mittlere Zulieferer bräuchten besseren Zugang zu Kapital, um die Transformation durch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle jenseits des Verbrenners umzusetzen. „Bei den Banken stoßen sie bei der Finanzierung von Investitionen heute schon auf Ablehnung, weil diese das Risiko scheuen. Regionen, die stark vom Verbrenner abhängen, brauchen eine Perspektive. Hier ist eine aktive Strukturpolitik unerlässlich, damit der ökologische Umbau nicht zu industriellen Wüsten führt. Die Menschen dürfen nicht den Eindruck bekommen, dass die Verkehrswende gleichbedeutend ist mit dem Verlust von Arbeit und Wohlstand.“

Verbraucher weiterhin skeptisch

Damit die Autokäufer aber ihren Blick ernsthaft auf die E-Modelle richten, ist vielfach noch Überzeugungsarbeit notwendig. Vor allem drei Probleme treiben die meisten Verbraucher beim Thema E-Auto-Kauf um: Preis, Reichweite und Ladeinfrastruktur. Um das E–Auto massentauglich zu machen, beschloss die Bundesregierung höhere und längerdauernde Kaufprämien. Peter Fuß, Branchenexperte der Beratungsfirma EY, hält diese Förderung für entscheidend: „Zahlreiche Modelle auch in niedrigeren Preisregionen werden Elektromobilität für neue Käufergruppen attraktiv machen.“ Autobauer versuchen bereits, gegenzusteuern. VW etwa verspricht, mit dem verhältnismäßig günstigen ID.3 bei vollem Akku einige Hundert Kilometer Reichweite. Ähnlich sieht es bei Opels Corsa-e aus, bei dem die Rüsselsheimer eine Reichweite von bis zu 330 Kilometern versprechen. Preislich liegen beide Modelle nahe der 30.000-Euro-Marke. Problem Nummer drei, das vielerorts noch dünne Ladenetz, wird ebenfalls von Politik und Wirtschaft mehr und mehr gefördert und ausgebaut. In den kommenden zwei Jahren sollen 50.000 neue öffentliche Ladepunkte entstehen, verspricht der Bund. Zudem sollen rechtliche Änderungen kommen, damit E-Autos in Parkhäusern, Tiefgaragen sowie am Arbeitsplatz geladen und so alltagskompatibler werden können.

von Karin Finkenzeller, Martin Seiwert, Annina Reimann

Dass auch die Hersteller die Dringlichkeit der Umbauprozesse erkannt haben, zeigen vor allem die angepeilten Ziele und die insbesondere 2019 auf den Weg gebrachten Projekte. Bei VW fließen bis 2024 rund 33 Milliarden Euro in die E–Mobilität. Ein eigenes Batteriezellwerk wird geplant, die Konkurrenz kauft zunächst weiter zu – BMW etwa vom chinesischen CATL–Konzern. Die Bayern, mit dem i3 einst Pionier bei E–Kleinwagen, halten sich die Entscheidung für eine dominante Antriebsform noch offen. Daimler setzt vor allem auf die Elektro–Reihe EQ mit dem SUV EQC und dem Minibus EQV.

Derweil macht sich US–Erzrivale Tesla am Berliner Stadtrand breit: In Grünheide soll eine „Gigafactory“ mit bis zu 7000 Jobs entstehen. Ab Ende 2021 sollen hier der Kompakt–SUV Model Y, Batterien und Antriebe gefertigt werden. Die deutschen Autochefs bemühen sich, die Kampfansage sportlich zu nehmen: Der Innovationsschub nutze allen.

2020 könnte so trotz Abschwung auch zum Jahr des Aufbruchs werden, zumindest zum Schicksalsjahr: Es entscheidet sich, ob Deutschland weiter auf die Stärke seiner Schlüsselindustrie zählen kann.

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