BP, Exxon, Shell Alle Öl-Giganten schmieren ab

Der Energieriese BP fährt wegen des Ölpreisverfalls den höchsten Verlust seit über 20 Jahren ein. Erneut werden die Investitionen gedrosselt. Die dramatischen Zahlen sind auch ein schlechtes Omen für die Konkurrenten.

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Wer vom billigen Öl profitiert – und wer verliert
Jemand arbeitet an einer Tragfläche eines Flugzeugs Quelle: PR
Autos Quelle: AP
Jemand greift nach Körperpflegeprodukten in einem Regal Quelle: REUTERS
Containerschiff Quelle: dpa
Lastwagen der Deutschen Post Quelle: dpa
Packungen mit Medikamenten Quelle: dpa
Anlage mit Tank, auf dem BASF steht Quelle: dpa

Bob Dudley ist ein Veteran der Branche. Der Amerikaner an der Spitze des britischen Ölgiganten BP kennt die Krise in den 80er-Jahren noch aus eigener Anschauung und warnte bereits vor einem Jahr vor einem „tosenden Sturm“, der angesichts des Ölpreisverfalls auf die Branche zusteuere. Umso genauer hörten die Experten nun wieder hin, als der 60-jährige Manager mit der langen Erfahrung und den schütteren Haaren bei der Vorlage der Jahreszahlen an diesem Dienstag seine Sicht auf die Entwicklung der Branche kundtat. Und erneut wählte Dudley deutliche Worte.

„Der Konzern muss sich rasch dem veränderten Marktumfeld anpassen“, mahnte der BP-Chef am Dienstag, als er in der Firmenzentrale am feinen Londoner St. James's Square über die Lage der Branche sprach. Was der Vorstandsboss nicht sagte, aber jeder an den Ziffern sah: Noch hat BP bei dieser Übung durchaus Luft nach oben.

Was Sie über den Ölpreis wissen müssen

Es ist eine tiefe Bremsspur, die der freie Fall der Ölpreise in den Büchern des britischen Energiemultis hinterlässt. Mit 6,5 Milliarden Dollar fährt BP den höchsten Jahresverlust seit mindestens 20 Jahren ein. Selbst 2010, als BP Belastungen aus der verheerenden Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko verbuchte, war das Ergebnis nicht so schlecht. Allein im Schlussquartal summierten sich die Wertberichtigungen wegen des Ölpreis-Verfalls auf 2,6 Milliarden Dollar, wie Dudley zähneknirschend darlegte. Der Ölpreis ist vergangenes Jahr wegen des weltweiten Überangebots um rund ein Drittel eingebrochen. Seit Mitte 2014 beträgt das Minus sogar 70 Prozent.

Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn zu Wiederbeschaffungskosten schrumpfte im vierten Quartal 2015 auf 196 Millionen US-Dollar – drastisch weniger als erwartet und auch schwächer als der Rivale Shell. Im Vorjahreszeitraum hatte der Gewinn von BP noch 2,2 Milliarden Dollar betragen.

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China: Sinopec Quelle: REUTERS
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Venezuela: PDVSA Quelle: REUTERS

Die Marktteilnehmer waren zwar auf einen Gewinnrückgang vorbereitet gewesen, allerdings nicht auf so einen so drastischen. Die von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Analysten hatten im Schnitt mit einem bereinigten Gewinn von 815 Millionen Dollar im Schlussquartal gerechnet. Die Reaktion der Börse fiel deutlich aus. Die Aktie rutschte am Vormittag um fast 7 Prozent ins Minus.

„Das sind sehr enttäuschende Zahlen“, sagte etwa Öl-Analyst Ahmed Ben Salem von der französischen Investmentbank Oddo. Sollte der Ölpreis weiterhin um die Marke von 30 Dollar pendeln, dann seien zusätzliche Sparmaßnahmen unumgänglich.

Auch Shell und Exxon hart getroffen


BP ist mit seinen Problemen nicht allein. Beim britisch-niederländischen Energieriesen Shell, der als erster großer Ölkonzern seine Zahlen vorgelegt hat, sackte allein im Schlussquartal 2015 der bereinigte Gewinn - eine für das Unternehmen wichtige Kennziffer – nach vorläufigen Zahlen auf 1,6 bis 1,9 Milliarden US-Dollar ab. Ein Jahr zuvor waren es noch 3,3 Milliarden Dollar gewesen.

Die gesunkenen Ölpreise setzen auch dem US-Branchenriesen Exxon Mobil immer heftiger zu. Im vierten Quartal fiel der Überschuss um 58 Prozent auf 2,78 Milliarden Dollar, teilte der Konzern am Dienstag mit. Die Produktion von Öl und Gas legte dagegen um 4,8 Prozent zu.

Auch Chevron hat mit einem Einbruch zu kämpfen: Im vierten Quartal schlug ein Verlust in Höhe von 588 Millionen Dollar zu Buche, wie der gemessen am Börsenwert zweitgrößte US-Ölkonzern bereits mitteilte. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum hatte das Unternehmen noch einen Gewinn von 3,5 Milliarden Dollar erzielt. Der Umsatz sank um mehr als ein Drittel auf 29 Milliarden Dollar.

Analysten zufolge werden die Investitionen der Branchengrößen 2016 auf den niedrigsten Stand seit sechs Jahren fallen – auf dann 522 Milliarden Dollar. 2015 wurden sie um 22 Prozent auf jetzt 595 Milliarden Dollar gekürzt. Es wäre das erste Mal seit 1986, dass die Branche in zwei aufeinanderfolgenden Jahren ihre Investitionen drosselt. Bei BP summierten sie sich 2015 auf 18,7 Milliarden Dollar. Ursprünglich war mit 24 bis 26 Milliarden Dollar geplant gewesen. 2016 sollen die Investitionen am unteren Ende der prognostizierten Spanne von 17 bis 19 Milliarden Dollar liegen.

So unbarmherzig der BP-Boss auch seine Geschäftseinheiten nach Einsparungspotenzialen durchforstet, so großzügig bleibt der britische Gigant deshalb weiterhin gegenüber seinen Aktionären. Die Aktionäre sollen für das vierte Quartal eine Dividende von 10 Cent je Aktie erhalten. Ähnlich wie bei anderen großen Ölkonzernen sind auch für die Briten Dividendenkürzungen tabu. Lieber streicht das Unternehmen seine Kosten – und nimmt dafür das Risiko von Nachschubengpässen in Kauf, wenn jetzt zu wenig neue Öl- und Gasfelder erschlossen werden.

Denn in der Branche, die derzeit alles auf dem Prüfstand stellt, gehören die Ausschüttungen zu den wenigen Ausnahmen. „Unsere oberste Priorität“, stellt Dudley klar, „bleibt die Sicherung der Dividende.“

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