Branchentreff in Genf Auf dem Autosalon ersetzen Ingenieure die Hostessen

Zeitenwende in der Autobranche: Auf dem Genfer Autosalon geben sich die Hersteller von BMW bis Bugatti ungewohnt züchtig.

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Die VW-Tochter verzichtete bei der Präsentation in diesem Jahr ganz auf Hostessen. Quelle: Reuters

Genf Der Sportwagenbauer Bugatti ist nicht gerade für einen unauffälligen Auftritt bekannt. Pro Jahr liefert die Volkswagen-Tochter nur ein paar Dutzend Fahrzeuge aus. Die kosten pro Stück aber deutlich über eine Million Euro. Es sind Spielzeuge der Reichen, die mit bis zu 1000 Pferdestärken unter der Motorhaube mit Geschwindigkeiten von 300 Stundenkilometer über die Straßen brettern können.

So auffällig die Fahrzeuge sind, so auffällig ist das Marketing für diese. Dazu gehört auch ein richtiger Messeauftritt, der die Fotografen begeistern soll. Um die Autos mit ihrer kugeligen Form richtig in Szene zu setzen, postierte Bugatti stets spärlich bekleidete Frauen neben den Modellen.

So war es zumindest bislang; und so sollte es eigentlich auch auf dem Genfer Autosalon werden. Auf dem Branchentreff wurde in diesem Jahr der neue Chiron Sport vorgestellt. Als nun aber Bugatti-Chef Stephan Winkelmann von seinen Leuten gefragt wurde, ob zwei Hostessen die Verhüllung von dem Auto ziehen sollten, da zögerte er.

Lieber würde er zwei Ingenieure mit der Aufgabe vertrauen, teilte er seiner Mannschaft mit. Statt Hostessen traten daher am Dienstag bei der Vorstellung in der Genfer Messehalle zwei gesetztere Herren in Anzügen vor, um auf dem Bugatti-Stand den Chiron Sport der Öffentlichkeit vorzustellen.

Was da bei dem kleinen Edelhersteller geschehen ist, ist keine Ausnahme. Es ist ein Trend. Während sie die Autobauer auf den Messen in Detroit und Frankfurt seit Jahren vergleichsweise bieder präsentierten, war Genf der Ort, an dem die Röcke der Hostessen schon mal kürzer als die Absätze der Pumps hoch waren.

Ein Rundgang durch die Hallen zeigt nun: Auf den Ständen von Daimler, BMW und Volkswagen fehlten die weiblichen Mitarbeiter ganz. Auch die französischen Autobauer Renault und Peugeot haben deutlich weniger Hostessen neben ihren Autos platziert.

Ein Automanager begründete das Umdenken weniger mit einer bewussten Entscheidung. „Die Zeit, in der man seine Autos mit spärlich bekleideten Frauen vorstellt, ist einfach vorbei“, sagte der. Es passe nicht mehr in das aktuelle gesellschaftliche Umfeld. Nackte Haut neben Autoblech funktioniert nicht mehr.

Spätestens seitdem die Filmbranche von sexualisierten Übergriffen, Missbrauch und Vergewaltigungen erschüttert wurde, ist das Problem in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Die Autokonzerne können sich dem gesellschaftlichen Umdenken nicht entziehen. Dies gilt nicht nur für den Messeauftritt. Bei Daimler etwa hängt der Bonus der Manager auch dran, ob er die interne Frauenquote erreicht.

Es geht auch um das Image: Wie leicht würde ein Unternehmen in die Schmuddelecke rücken, wenn auf einer Branchenschau mehr Haut als Stoff zu sehen ist. Es könnte Gift für den Wert Marke werden.

Die Entwicklung geht selbst am Fiat-Konzern nicht vorbei. Der schickte früher Frauen auf die Stände, die mit ihren Stöckelschuhen leicht über die zwei Meter groß wurden. Alfa Romeo, Fiat und Jeep, allesamt Teil des Autokonzerns FCA, verzichteten in Genf zwar nicht auf die Unterstützung von Hostessen. Eingekleidet waren diese aber eher bieder.

Einzige erkennbare Ausnahme war Pirelli. Am Stand des Reifenproduzenten, den viele Menschen eher als Kalenderhersteller kennen, posierten wie in alten Tagen spärlich bekleidete Frauen. Positiv auffallen kann Pirelli damit heute nicht mehr.

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