Wenn sich Boeing-Chef James McNerney eine Woche nicht gewünscht hätte, dann sicher die vergangene. Nach nicht weniger als fünf Zwischenfällen mit dem Dreamliner 787 entschloss sich die amerikanische Zulassungsbehörde FAA, den neuen Wundervogel des weltgrößten Luftfahrtkonzerns genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Tests reichen von der Bordelektronik über die grundlegende Konstruktion bis zu den einzelnen Teilen der Produktion.
Bei einem relativ neu zugelassenen Flugzeug ist das ein ungewöhnlicher Schritt. Dabei war die Erprobungszeit des - je nach Zählweise - bis zu vier Jahren verspäteten Flugzeugs wegen der vielen anderen technischen Probleme und der vielen technischen Neuerungen bereits deutlich länger und gründlicher als bei jedem anderen Flugzeug zuvor.
Nur wenig wirklich Beunruhigendes
Zwar klangen alle Fälle dramatisch wie die Risse in der Frontscheibe, der Ölaustritt und auch die Lecks in der Spritleitung. Die Benzin- und Öllecks sind sicher nicht ungefährlich, doch in der Regel von den Piloten zu beherrschen.
Wirklich beunruhigend war dagegen das Beinahe-Feuer am vergangenen Montag. Denn in einem Flugzeug sind wenig schlimmere Dinge vorstellbar als ein Feuer. Nicht zuletzt wegen des Qualms gibt es in der Regel kein Entkommen und die Zeit wird so knapp, dass Brände fast immer mit einem spektakulären Absturz enden, wie etwa der Crash von Valuejet in den Everglades–Sümpfen Floridas im Mai 1996 und der Swissair im September 1998 ins Meer vor Kanada.
Maschinen bleiben im Dienst
Nun haben alle Beteiligten, angefangen beim Leiter des Boeing Zivilgeschäfts Ray Conner, über den FAA-Chef Michael Huerta bis zum US-Verkehrsminister Ray LaHood der 787 ihr Vertrauen ausgesprochen. Schließlich hat der Vogel statistisch gesehen weniger Probleme als alle anderen neuen Modelle vor ihm. Darum bleiben auch alle rund 50 ausgelieferten Maschinen weiter im Dienst. Immerhin hat die Maschine bereits gut 1,3 Millionen Betriebsstunden ohne Zwischenfall. "Doch wir sind besorgt", sagt Conner.
Kein Wunder. Denn wenn die 787 wankt, wankt Boeing. Der Hersteller will noch mehr als 1000 Exemplare des Fliegers ausliefern, nicht zuletzt um die bis zu 20 Milliarden Dollar hohen Entwicklungskosten zu decken. Noch ist unklar, was genau zu dem Feuer führte. Gewiss ist: es ging in der Nähe eines großen Lithium-Ionen-Akkus los.
Akkus könnten Schuld am Feuer sein
Damit trifft das Feuer eine der zentralen Neuerungen des Dreamliners. Zwar verweisen Boeing und alle Gesellschaften, die das Flugzeug betreiben, immer darauf, dass der Vogel dank der Leichtbauweise mit Verbundwerkstoffen statt Metall besonders leicht ist und darum sparsamer fliegt. Doch ebenso wichtig ist der Dreamliner als "all electric aircraft". Die 787 erledigt viele Dinge mit Hilfe von Strom und Elektromotoren, die bei anderen Flugzeugen mit Hilfe der Triebwerksenergie Hydraulik oder Druckluft übernahmen. Dazu zählt etwa die Klimaanlage oder die Heizung gegen eine Vereisung der Flügel. Die nötige Energie liefern große Akkus, die in allen Teilen des Flugzeugs stecken.
Boeing verwendet derzeit Lithium-Akkus. Diese sind nur halb so schwer und brauchen weniger Platz als etwa Nickel-Batterien. Doch sie sind auch etwas gefährlicher. Sie sind schwerer zu löschen, weil bei der Stromerzeugung Sauerstoff entsteht, der die Flammen füttert. Wohl auch deshalb brauchten die Feuerwehrleute beim Brand in Boston gut 40 Minuten, um das Feuer unter Kontrolle zu bringen.
Akkus könnten auch Elektroauto Probleme machen
Wie groß die Gefahr wirklich ist, wollen nun die US-Aufsichtsbehörde FAA und die nationale Transportsicherheitsbehörde NTSB herausfinden. Noch ist die Sache offen. Klar ist jedoch, dass die FAA bereits früher Bedenken gegen die Lithium-Akkus geäußert hat. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Dabei geht es zum einen darum, in welchem Maß künftig Flugzeuge durch den Einsatz von elektrischen Systemen statt Hydraulik Gewicht sparen dürfen.
Doch auch die Autokonzerne dürften die Sache gespannt verfolgen. Denn die Lithium-Akkus stecken auch in modernen Elektroautos. Zwar testen die Konzerne die E-Tanks gründlich. "Wir machen damit Dinge, die ihr euch nicht vorstellen könnt", erklärte Dan Akerson, Chef des Autoriesen General Motors. Doch sollten Lithium Akkus als nicht sicher genug für Flugzeuge gelten, könnte auch ihr Einsatz im Auto in Frage stehen. Auch wenn heutige Benzinfahrzeuge in ganz seltenen Fällen brennen, Feuergefahr in einem E-Mobil könnte die Akzeptanz der ganzen Sparte gefährden.