Brettspiel-Boom In der Krise wird gespielt

In stürmischen Zeiten spielen die Deutschen wieder. Die Hersteller wie Ravensburger melden steigende Umsätze. Vor allem Brettspiel-Klassiker wie „Scotland Yard“ oder „Das verrückte Labyrinth“ sind weiter heiß begehrt.

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Spieleklassiker werden regelmäßig neu aufgehübscht. Quelle: Ravensburger AG

Nürnberg Es ist ein Skandal: Seit mehr als drei Jahrzehnten läuft „Mister X“ in London frei herum. Ab und an gelingt es den Gesetzeshütern, den Bösewicht zu schnappen. Dann sind alle happy – außer Mister X. Doch immer wieder entwischt der Unsichtbare seinen Häschern. Das Detektivspiel „Scotland Yard“ begeistert die Menschen seit drei Jahrzehnten, und ist doch immer noch ein Bestseller bei Spieleverlag Ravensburger. Das Geschäft mit Spieleklassikern sei vergangenes Jahr kräftig gewachsen, betonte Vorstandschef Karsten Schmidt am Montagabend in Nürnberg. Dort beginnt am Mittwoch die Spielwarenmesse, der größte Branchentreff weltweit.

Die Umsätze von Deutschlands größtem Spieleverlag sind im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf 475 Millionen Euro geklettert. Damit ist Ravensburger viel kräftiger gewachsen als der Markt insgesamt. „Wir sind jetzt die Nummer zwei in Deutschland“, erklärte Schmidt. Nur der dänische Klötzchenhersteller Lego verkauft hierzulande mehr Spielzeug. Den fränkischen Rivalen Playmobil sowie die US-Riesen Mattel und Hasbro hat Ravensburger hinter sich gelassen.

So wie das Familienunternehmen aus Oberschwaben ging es vergangenes Jahr vielen Spieleherstellern: Das Geschäft lief glänzend. Auch der Berliner Schmidt Verlag berichtete von einem kräftigen Plus. „Sowohl bei Kindern, im Kindergarten, aber auch bei Familien und Studenten wird immer mehr gespielt“, heißt es bei Spieleverlage e.V., einem Zusammenschluss der deutschen Branche. Der Umsatz der Branche sei vergangenes Jahr um zehn Prozent geklettert.

Das ist nicht ganz überraschend. In unsicheren Zeiten würden die Menschen stets zusammenrücken und spielen, erläuterte Schmidt. In einer völlig unberechenbaren Welt besinnen sich die Leute offenbar aufs Althergebrachte, suchen die Gemeinschaft. Manager Schmidt: „Spiele haben eine soziale Komponente.“

Natürlich reicht es nicht aus, jedes Jahr dieselbe Schachtel in die Regale zu stellen. Klassiker wie „Scotland Yard“ werden regelmäßig aufgehübscht. Von „Das verrückte Labyrinth“, ebenfalls schon rund 30 Jahre alt, hat Ravensburger sogar eine Version entwickelt, die leuchtet und sich nachts spielen lässt. Auch „Monopoly“ oder „Mensch ärgere Dich nicht“ gibt’s in unzählige Varianten.

Insgesamt haben die Deutschen vergangenes Jahr rund 40 Millionen Packungen gekauft. Jedes Jahr erscheinen in Deutschland zudem rund 1500 neue Spiele. „Inzwischen finden überall Spieleabende statt und auch bei Senioren, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind Spiele wieder voll im Trend“, freut sich der Branchenverband.


Auch Puzzles faszinieren weiter

Doch nicht nur Spiele sind in, auch Puzzles faszinieren die Menschen nach wie vor. Vor allem die modernen dreidimensionalen Puzzles seien im Weihnachtsgeschäft gefragt gewesen, erläuterte Ravensburger-Boss Schmidt. Dabei können die Kunden den Eiffelturm nachbauen, die Freiheitsstatue oder einen Turnschuh. Dieses Jahr bringt die Firma zudem ein 3D-Puzzle eines VW-Bully in die Geschäfte.

Kein Wunder, dass Ravensburger seiner Strategie treu bleiben will und seine Spiele nur ganz behutsam mit Elektronik ergänzt. „Natürlich werden wir mehr digitale Technologie nutzen“, unterstrich Clemens Maier. Aber das werde nach wie vor nur dort geschehen, wo die Kunden wirklich etwas davon hätten. Der 45-Jährige Urenkel des Firmengründers Otto Maier wird im Frühjahr an die Spitze von Ravensburger vorrücken.

Vorgänger Karsten Schmidt hat Ravensburger 15 Jahre lang geführt und den Umsatz dabei um fast 200 Millionen Euro gesteigert. Die vergangenen zehn Jahre ging es stets bergauf. Das zu wiederholen wird schwierig für Maier, trotz der ungebrochenen Begeisterung für Brettspiele. „Das Fahrwasser wird eher unruhiger“, warnte Maier in Nürnberg.

Gleichwohl, Ravensburger profitiert auch an anderer Stelle davon, dass die Menschen in schwierigen Zeiten gerne auf Bewährtes zurückgreifen. So sind die Umsätze mit der Holzeisenbahn Brio vergangenes Jahr um ein Fünftel in die Höhe geschossen. Die Schwaben hatten die renommierte schwedische Marke Anfang 2015 übernommen.

So wie es aussieht, wird auch 2017 turbulent. Für die Spieleverlage eigentlich eine gute Nachricht.

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