Brisante Daten schützen Die Schreibmaschine lebt

Behörden, Nostalgiker und demnächst auch wieder der russische Geheimdienst FSO – sie alle setzen auf die Schreibmaschine. Die Russen wollen so brisante Daten schützen. Das deutsche Unternehmen Olympia hat ein Angebot abgegeben.

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Auch heutzutage sind Schreibmaschinen noch notwendig. Behörden und Unternehmen nutzen sie für Formulare in speziellen Formaten, die mit üblichen Druckern nicht beschriftet werden könnten. Der russische Geheimdienst FSO hat einen weiteren Vorteil von Schreibmaschinen entdeckt: Sie sind sichern vor Internet-Spähprogrammen. Quelle: dpa

Heinrich Prygoda ist in diesen Tagen ein besonders gefragter Mann. Mittags stand für den Inhaber des Bürobedarfsherstellers Olympia zuerst ein Interview mit dem TV-Sender Sat.1 an, nach der aktuellen Besprechung zur Markteinführung einer Alarmanlage wartet schon RTL auf ein Interview. Der Medienrummel dreht sich um einen eigentlich kleinen Auftrag, ein Kinkerlitzchen fürs Geschäft – jedoch mit einer großen Wirkung: Der russische Geheimdienst FSO, der für den Schutz von Wladimir Putin und der Regierung verantwortlich ist, hat einen Auftrag für 20 Schreibmaschinen ausgeschrieben. Dafür hat Olympia ein Angebot abgegeben.

Die Nachricht, die hier zu Lande die Nachrichtenagentur dpa verbreitet hat, ist gleich doppelt interessant: Einerseits zeigt sie die skurrilen Folgen der Geheimdienst-Nachrichten der vergangenen Wochen. Nach den Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstlers Edward Snowden, dem Abhörskandal beim G20-Gipfel in London und den Veröffentlichungen von Geheimunterlagen durch WikiLeaks, möchten die Russen brisante Informationen künftig nicht mehr auf eventuell undichten Computern abtippen und speichern – sondern auf Schreibmaschinen und Papier. Damit zeigt die Nachricht auch: Für die totgesagte Schreibmaschine gibt es noch Bedarf.

Markenlogos: Zurück in die Vergangenheit
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Auch Marken ereilt im fortgeschrittenen Alter eine Midlife-Crisis: Wie manche Menschen, wünschen auch sie sich ihre jungen Tage zurück und präsentieren sich wieder wie früher. "Heritage" nennt es die Werbebranche, wenn Unternehmen sich so darstellen, wie in ihren Gründertagen. Dass Retro in ist, zeigen folgende Beispiele:Nivea Rückkehr zur alten Dose: Das neue Design der Marke Nivea, ist nichts anders als ihr altes Design. "Blue Agenda" nennt der Kosmetikhersteller Beiersdorf die neu Markenführung, die sich bewusst an der 1925 geschaffenen blauen Creme-Dose orientiert. 13.000 internationale Produkte haben seit Januar das neue einheitliche Logo erhalten: einen blauen Kreis mit weißem Schriftzug. Mit verantwortlich für die Neugestaltung ist der Schweizer Industrie-Designer Yves Béhar. Nivea zählt nach Angaben von Beiersdorf zu den bekanntesten Marken der Welt. Quelle: dapd
BärenmarkeManche Marken müssen sich gar nicht erst rückbesinnen, weil sie ihr Logo über Jahre hinweg kaum verändert haben. Ein Beispiel ist die Bärenmarke, die auf den Braunbären im Wappen des Schweizer Kantons Bern zurückgeht. Das Wappentier wurde zum Maskottchen der 1892 gegründeten „Berner Alpen Milchgesellschaft“. 1905 eröffnete sie ein deutsches Zweigwerk im Allgäu, das erstmals 1912 ungezuckerte, zehn Prozent Fett enthaltende Kondensmilch herstellte. 1951 entstand das heute bekannte Bärenmarken-Logo. Seitdem hat es zahlreiche Sortimentserweiterungen gegeben, das Logo ist jedoch gleich geblieben. Quelle: AP
Em-eukal1923 entwickelte die Nürnberger Firma Dr. C. Soldan das Lutschbonbon Em-eukal, 1972 folgte Kinder Em-eukal mit dem Design des gemalten Jungen auf der Verpackung. 2008 baute das Unternehmen seine Vermarktung um: Es erweiterte seinen Vertrieb auf den Einzelhandel, erweiterte sein Sortiment auf insgesamt 17 Bonbon-Typen und überarbeitete seinen Markenauftritt in Anlehnung in die klassischen Verpackungen. Quelle: Dr. C. Soldan

Dabei ist sie schon seit Jahren auf dem Rückzug. In Deutschland werden die Geräte nicht mehr gebaut. 2011 stellte als weltweit letzte Firma Godrej and Boyce in Indien die Produktion mechanischer Schreibmaschinen ein. Die deutschen Firmen Olympia und Bandermann mit der Marke Triumph-Adler vertreiben noch elektrische Schreibmaschinen –produzieren lassen sie jedoch im Ausland.

Ende der 1980er Jahre hat Olympia seine deutsche Schreibmaschinen-Fabrik in Wilhelmshaven geschlossen, vor fünf Jahren gab das Unternehmen schließlich die Produktion in Mexiko auf. Damals hatte der Unternehmensabsatz seinen Tiefpunkt erreicht. Von einst jährlich eine Millionen Schreibmaschinen in den 1980ern, bleibt der Jahresabsatz seit dem konstant zwischen 10.000 und 12.000 Schreibmaschinen. Olympia lässt sie heutzutage in China fertigen, fünf Prozent tragen sie zum Gesamtumsatz bei.

Die letzten Schreibmaschinen-Bekenner

Eine Olympia-Schreibmaschine vom Typ Carrera de Luxe. Hierauf könnte der russische Geheimdienst FSO demnächst brisante Informationen abtippen, wenn Olympia den Zuschlag für die Ausschreibung erhält. Quelle: dpa

Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern wollte Heinrich Prygoda die Produktion nicht aufgeben: „Allein aufgrund unserer Tradition. Seit 1903 bauen wir Schreibmaschinen, wir waren mal einer der größten Schreibmaschinen-Hersteller der Welt, wenn nicht der größte“, sagt der 60-Jährige telefonisch der WirtschaftsWoche inmitten seiner Besprechung. Selbst hier lassen ihn heute die Schreibmaschinen nicht los – obwohl es während der Konferenz eigentlich um die neuen Alarmanlagen geht, die nach einem Testsieg in einer Fachzeitschrift eine vielversprechende neue Einnahmequelle darstellen.

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Den größten Anteil am Geschäft des Bürobedarfsherstellers machen heute Großtastenhandys aus, die etwa Senioren oder Menschen mit Sehschwäche nutzen. Hinzu kommen etwa Registrierkassen, Papierschredder oder Laminiergeräte. Schreibmaschinen gehen vor allem an Behörden oder Unternehmen, die sie noch für Formulare in speziellen Formaten benötigen, welche sich mit herkömmlichen PC-Druckern nicht beschriften lassen. „Gerade Speditionen brauchen sie noch für bestimmte Formulare im Zollbereich“, sagt Prygoda. Nun ist noch der russische Geheimdienst FSO aufgrund der Abhörskandale als potenzieller Kunde hinzu gekommen.  Olympia beliefert vor allem Europa, Afrika und den Nahen Osten. „Südamerika ist auch noch ein Riesen-Schreibmaschinenmarkt, den wir aber selbst nicht beliefern.“

All dies sind für Heinrich Prygoda außer der Unternehmenstradition noch Gründe, seinen einstigen Konkurrenten nicht zu folgen und an der Schreibmaschine festzuhalten: „ Bei uns gibt es immer noch eine Nachfrage dafür. Warum sollen wir damit aufhören, solange wir noch Geld damit verdienen?“

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