Cannabis-Freigabe Sind die Niederlande ein Vorbild? „Auf keinen Fall!“

Quelle: imago images

4,7 Milliarden Euro Steuern, 27.000 Arbeitsplätze: Der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Justus Haucap erklärt, was die Legalisierung von Cannabis bringt, welche Fehler Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach unbedingt vermeiden sollte – und wie sich der Schwarzmarkt austrocknen lässt.

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WirtschaftsWoche: Herr Professor Haucap, was bringt die Legalisierung von Cannabis?
Justus Haucap: Es gibt ja bereits einen Cannabis-Markt, allerdings einen illegalen. Das Geschäft ist fest in der Hand der Drogendealer. Durch das legale Angebot, das es hoffentlich bald gibt, wird der Schwarzmarkt möglichst weit zurückgedrängt. Anbau, Verarbeitung und Handel sollen nur in lizenzierten Betrieben stattfinden. Der Vertrieb soll über lizenzierte Fachgeschäfte laufen. Die Qualitätskontrolle verbessert sich dadurch. Sie müssen jedenfalls nicht befürchten, verunreinigte oder gestreckte Ware zu bekommen. Das ist der Gesundheit zuträglich. Und schließlich kann man sich  die unsinnige Strafverfolgung von Dealern sparen. Für die Polizistinnen und Polizisten muss es doch enorm frustrierend sein, Dealer festzusetzen, die sie dann nach einigen Stunden wieder freilassen müssen, weil ihnen nichts nachzuweisen ist. Prohibition war aus Sicht von Ökonomen noch nie ein überzeugendes Argument.

Führt eine Legalisierung auch dazu, dass weniger Cannabis geraucht wird?
Vielleicht langfristig. Bei Alkohol und Tabak ist es in den vergangenen Jahren ja auch gelungen, den Trend umzukehren. Kürzlich erschien eine interessante Studie, wonach der Cannabis-Konsum in den US-Bundesstaaten, die Joints legalisiert haben, schwächer ansteigt als in den US-Bundesstaaten, die nach wie vor auf ein Verbot setzen.

Zur Person

Was soll denn das Gramm Cannabis im lizenzierten Fachgeschäft kosten?
Etwa zehn Euro. Der Preis muss gegenüber dem Schwarzmarkt konkurrenzfähig sein. Und auch die Ware muss stimmen, damit die Kundschaft nicht weiter beim Dealer kauft. Es darf nicht nur „Cannabis light“ geben, mit Obergrenzen für den THC-Gehalt …

… des psychoaktiven Stoffs im Cannabis. Genau davor warnen Mediziner und Jugendpsychiater: THC schädigt, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Entwicklung des Gehirns.
Ich gebe zu, dass das eine schwierige Balance ist.

Lässt sich der Schwarzmarkt ganz zurückdrängen?
Das glaube ich nicht. Ein gewisser Teil wird bleiben. Es gibt ja auch noch Zigarettenschmuggel. In Kanada, das im Oktober 2018 legalisiert hat, liegt der Anteil des legalen Marktes mittlerweile bei etwa 60 Prozent.

Viele Unternehmen in Deutschland spekulieren schon lange auf den neuen Cannabis-Markt, der mit den Gesetzesänderungen kommen könnte. Eine Reise durch die Drogennation von morgen.
von Volker ter Haseborg, Jürgen Salz

Was muss noch passieren, damit die Liberalisierung ein Erfolg wird?
Ich schätze den Bedarf in Deutschland auf zwischen 160 und 750 Tonnen. Genau weiß man das nicht, es gibt ja keine Umsatzstatistiken. Am belastbarsten ist aus meiner Sicht die Berechnung, die auf etwa 400 Tonnen pro Jahr kommt. Diese Menge muss komplett aus heimischer Produktion gedeckt werden. Die UN-Konvention von 1961 und europarechtliche Vorschriften verbieten den Import. Bislang sind in Deutschland allerdings erst sehr wenige Tonnen legal verfügbar. Deswegen muss es viele Anbaubetriebe geben und deswegen dürfen die Sicherheitsanforderungen nicht zu hoch angesetzt werden, damit sich Produktion und Anbau lohnen. Ich verstehe ja, dass Cannabispflanzen nicht auf dem freien Feld angebaut werden soll. Da wäre die Versuchung, mal eben was mitgehen zu lassen, tatsächlich zu groß. Andererseits sollte man es mit den Sicherheitsvorkehrungen auch nicht übertreiben. Also keine teuren Alarmanlagen und schwere Stahltüren. Ein verschließbares Gewächshaus reicht aus. Es ist ja auch nicht so schwierig Cannabis zuhause anzubauen. Man muss nicht irgendwo einbrechen, um an Cannabis zu kommen. Das hat man schon vor Jahren gesehen, als der heutige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir in einem Video neben einer Cannabispflanze posierte.

Wie soll dann der Handel mit Cannabis laufen – lediglich stationär im Fachgeschäft oder auch online?
Online lässt sich der Vertrieb von Cannabis schlechter kontrollieren. Ich könnte auch damit leben, wenn der Verkauf nur stationär stattfände.

Andere Länder wie Kanada, Uruguay oder einzelne US-Bundesstaaten haben Cannabis bereits legalisiert. Was lässt sich aus deren Erfahrungen lernen?
In Kalifornien gab es anfangs zu wenig Stoff, in Kanada zu wenig Händler. Mit der Zeit pendelt sich das ein.

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Sind die Niederlande ein Vorbild?
Auf keinen Fall. Dort gibt es keinen legalen Cannabis-Markt, nur der Konsum ist straffrei. Die Beschaffung stammt nach wie vor aus illegalen Quellen, etwa Drogenkartellen. Das ist der Grund für die Bandenkriege in den Niederlanden.

Derzeit schießen Cannabis-Unternehmen wie Pilze aus dem Boden. Wie viele bleiben am Ende übrig?
Der Markt wird sich konsolidieren. Am Ende bleiben wahrscheinlich ein oder zwei überregionale Platzhirsche und viele lokale Anbieter übrig.

Sprechen Sie beim Thema Cannabis eigentlich aus eigener Erfahrung?
Ich habe das mal probiert. Aber Bier und Wein schmecken mir besser.

Lesen Sie mehr: Was Deutschland bei der Cannabis-Legalisierung von Uruguay lernen kann

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