Cannamedical Wer das Gras hat, macht das Geschäft

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Bedarf unterschätzt?

Lieferprobleme können das Geschäft von Cannamedical oder seiner Konkurrenten schnell kaputt machen. Tatsächlich komme es immer wieder vor, dass Ware nicht vorrätig sei, sagt der Kölner Apotheker Florian Heimann. In der Regel bestellten Apotheken dort, wo das Präparat am schnellsten geliefert werden könne. „Sofern sie das Produkt vorrätig haben, liefern Cannabis-Händler normalerweise innerhalb von 24 bis 48 Stunden“, sagt Heimann. Cannamedical beliefert die Apotheken nach eigener Aussage innerhalb von 24 Stunden – doch zuletzt war nicht immer Stoff da.

Bislang hatte Henn auf Cannabis der niederländischen Firma Bedrocan gesetzt, jetzt ist er auf den kanadischen Produzenten MedReleaf gewechselt. Bis Ende des Jahres soll es daher bei Cannamedical keine Lieferengpässe mehr geben, im Juni sollte in 90 Prozent der Fälle geliefert werden können. Die Schuld für Versorgungsprobleme sieht Verkaufsleiter Kouparanis bei der Bundesregierung. Die Politik habe den Bedarf schlicht unterschätzt und sei mit der Zertifizierung von Lieferanten nicht hinterher gekommen.

„Wir sehen die Schuld nur bedingt beim Gesetzgeber“, sagt Hendrik Knopp, Deutschland-Geschäftsführer von Nuuvera. Seine Firma importiert ab Juni 2018 medizinisches Cannabis ebenfalls aus Kanada. Die Lieferengpässe im vergangenen Jahr hätten noch einen anderen Grund gehabt als die langwierige Bürokratie rund um Zertifizierungen: Einige Produzenten hätten Probleme gehabt, Qualitätsware herzustellen. Bei Bedrocan war das aber offenbar nicht der Fall. Die heute erfolgreichsten deutschen Händler hatten schon früh mit den Niederländern zusammengearbeitet.

Während Nuuvera erst in den Markt einsteigt, wächst bei Cannamedical das Geschäft rasant. Und das, obwohl sich das Unternehmen laut Apotheker Heimann weder positiv noch negativ von der Konkurrenz abhebe. Im vergangenen Jahr verkaufte die Firma gut 220 Kilogramm Cannabis – die kleinste Bestellmenge beträgt fünf Gramm. Einige Apotheker, wie Heimann, kaufen größere Mengen, um Patienten jederzeit versorgen zu können. Andere bestellen bei akutem Bedarf die kleinste Dosis.

Um den Absatz wie geplant in diesem Jahr zu verzehnfachen, fehlte Henn zunächst das Geld. Einerseits seien Geldgeber vorsichtig gewesen, da es auf einem neuen Markt kaum Orientierungspunkte für Investoren gebe. Andererseits hätten Interessenten wegen der negativen öffentlichen Wahrnehmung von Cannabis eine Beteiligung abgelehnt.

Bei Henn macht jetzt Fabian Thylmann den Absatzschub möglich und erschwert gleichzeitig das Bemühen um Seriosität. Denn Thylmann betrieb einst als Geschäftsführer und einziger Gesellschafter die Luxemburger Holding Manwin mit einschlägig bekannten Webseiten wie Youporn. 2016 wurde er vom Landgericht Aachen zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er Steuern hinterzogen hatte.

 Laut Handelsregister-Auszug vom 24. August 2017 gehören Thylmanns Firma SN Invests zehn Prozent an Cannamedical. Henn spricht aber von einem zweiten Funding, das Thylmann begleitet habe. Nach den letzten Finanzierungsrunden gehört Thylmann demnach sogar ein Fünftel der Kölner Firma.

„Wer ein marktführendes, internationales Unternehmen aufgebaut hat, besitzt eine authentische Gründer-DNA", verteidigt Henn seinen umstrittenen Investor. Thylmann sei absolut zuverlässig und für die Firma mittlerweile mehr als ein klassischer Geldgeber. Dass ausgerechnet der „Porno-König“ das Start-Up vom Geruch der Illegalität befreien soll, passt in die paradoxe Welt von Cannamedical zwischen großer Nachfrage und komplexer Regulierung.

So liegt das Cannabis der Firma in einem 900 Quadratmeter großen Lager, das vom Vermieter nach den strengen Vorgaben des Betäubungsmittelgesetzes bewacht werde. Wo genau sich das Lager befindet, will Cannamedical aber nicht verraten. Jedenfalls werde das Cannabis „mitten in Deutschland“ aufbewahrt.  Das Warendepot unterliegt der Aufsicht der Bundesopiumstelle und des jeweils für Drogenpolitik zuständigen Landesamtes.

Verlässt das Cannabis das Betäubungsmittellager, wird es mehrfach auf Identität und Reinheit geprüft. Die Hersteller ermitteln mit chemischen Prüfungen den Gehalt des Wirkstoffes THC und besiegeln diesen mit einem Zertifikat. Auch die abnehmenden Apotheken prüfen das Produkt mikroskopisch und chemisch auf seine Konzentration.

Der Käufer mit Rezept erhält daher mit höherer Wahrscheinlichkeit gutes Cannabis als beim Kauf auf dem Schwarzmarkt. Allerdings ist es für Selbstzahler auch nicht günstig.

Für den Patienten in der Apotheke liegt der Preis pro Gramm bei 15 bis 22 Euro. Die Vertriebsfirmen und Pharmazeuten buhlen also um eine ordentliche Gewinnspanne. Denn die Produktion pro Gramm kostet in Kanada laut Angaben aus der Branche weniger als fünf Euro. Angaben zum Firmengewinn macht Cannamedical nicht.

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