Cannamedical Wer das Gras hat, macht das Geschäft

Cannabis-Blatt Quelle: Getty Images

Seit März 2017 dürfen Ärzte Cannabis als Medizin verschreiben. Die Kölner Gründer von Cannamedical setzen mit dem Stoff Millionen um. Ob das Geschäft ein Erfolg bleibt, entscheidet sich auch in Kanada.

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Alles ist penibel sauber im Büro von Cannamedical. Der Teppich des Start-ups im Kölner Mediapark ist frisch gesaugt, die Räume in der 16. Etage eines Hochhauses sind asketisch eingerichtet. Das Büro versprüht den Charme einer Unternehmensberatung. Die Nüchternheit hat einen einfachen Grund: das Produkt, das hier vertrieben wird.

Denn Cannamedical ist einer der größten deutschen Händler für Cannabis. Der Kampf gegen Vorurteile gehörte für David Henn daher schon vor dem Start als Firmengründer zum Alltag; ein biederes Büro kann dabei helfen. „Es war sehr schwierig für uns, Investoren zu finden“, sagt er. Schließlich denken viele Menschen bei Cannabis an Geschäfte auf dem Schwarzmarkt und einen heimlichen Joint auf einer Party mitten in der Nacht – und nicht an ein medizinisches Produkt.

In Henns Büroetage soll nichts den Anschein erwecken, dass unseriös mit dem hier gehandelten medizinischen Cannabis umgegangen oder es sogar geraucht werde. Bringt einer der 35 Mitarbeiter das eigene Produkt mit ins Büro, droht ihm die fristlose Kündigung und ein Strafverfahren. Die Regel soll zeigen, wie ernsthaft das Geschäft betrieben wird.

Seit März 2017 dürfen Ärzte in Deutschland die getrockneten Hanfblüten offiziell als Medikament verschreiben. Kritiker halten Cannabis weiterhin für eine Einstiegsdroge und die legale Verwendung für falsch. Die Befürworter sagen: Cannabis kann physische und psychische Leiden lindern, wenn andere Medikamente längst versagen. Für Henn haben die Befürworter eine Geschäftschance eröffnet.

Auf offiziellen Fotos zeigt der junge Manager sich ganz im Sinne der Seriosität im Anzug. Im Büro trägt er Jeans, ein verwaschenes T-Shirt und führt einen Pinscher mit hellbraunem Fell an der Leine. Und redet von Tonnen statt Gramm, wenn es um Cannabis geht.

Mittlerweile sind bei den drei größten deutschen Krankenkassen AOK, Barmer und Techniker Krankenkasse über 16.000 Anträge auf Kostenübernahme von Cannabis-Behandlungen eingegangen. Das ist ein Vielfaches von dem, was vor Inkrafttreten des Gesetzes erwartet worden war.

Mit 27 Jahren hatte Henn noch als BWL-Student im November 2016 die Firma gegründet. Vergangenes Jahr erzielte er einen Umsatz in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Dieser soll sich fast verzehnfachen: Cannamedical will 2018 nach eigenen Angaben zwei Tonnen Cannabis für 20 Millionen Euro vertreiben.

Menschen mit chronischen Schmerzen oder körperlichen Erkrankungen wie Multipler Sklerose kommen für eine Behandlung mit medizinischem Cannabis ebenso infrage wie Patienten mit ADHS oder depressiven Störungen. „Es geht hier nicht um Kiffen zum Spaß, sondern darum, kranken Menschen zu helfen“, sagt Cannamedical-Verkaufsleiter Niklas Kouparanis.

Ein Arzt muss beurteilen, ob Cannabis für seine Patienten als Mittel zur Schmerzlinderung oder zum Stressabbau angemessen ist. Der Patient stellt daraufhin einen Antrag auf Erstattung bei seiner Krankenkasse. Er muss zeigen, dass andere Therapien sich als wirkungslos erwiesen haben oder zu viele Nebenwirkungen mit sich bringen. Außerdem muss eine Aussicht auf Besserung durch die neue Medikation gegeben sein.

Auch wenn die Kassen rund 40 Prozent der Anträge ablehnen, boomt der Absatz. Ein Grund: Patienten können das Präparat auch selbst zahlen – solange sie ein Rezept haben. Der Run auf Cannabis hat Cannamedical vor eine besondere Herausforderung gestellt: Wie kommt eine junge Firma rasch an neue Ware? Welcher Lieferant vertraut dem Start-up? Und wo kommt Geld für das Wachstum her? Ein Problem: Medizinisches Cannabis ist nicht mit dem Gras vergleichbar, das auf der Straße verkauft wird. Cannabisblüten und -extrakte sind nur dann als Arzneimittel zugelassen, wenn diese aus einem speziellen Anbau für medizinische Zwecke unter staatlicher Kontrolle beziehungsweise von zertifizierten Importeuren stammen. Da der Markt in Deutschland noch jung ist, muss der Stoff aus dem Ausland kommen. Um die Lieferanten aus den Niederlanden oder Kanada buhlen gleich elf deutsche Vertriebsfirmen.

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