Carsharing, E-Mobilität, Fahrdienstleister Neue Mobilitätskonzepte bedrohen das Geschäft der Autohändler

Die Geschäftskonzepte von Autohändlern werden derzeit auf den Kopf gestellt. Die Autobauer reagieren nur zögerlich auf die Veränderungen.

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Die Elektromobilität macht den Autohandel nervös, weil sie wegen der geringeren Wartungskosten die Margenprobleme vergrößere. Quelle: picture alliance / Sebastian Kah

München Als der Kauf eines Autos noch zu den Selbstverständlichkeiten im Leben vieler Menschen zählte, war der Vertrieb einfach. Der örtliche Händler bot Beratung, Probefahrt und Preisnachlass und überreichte am Ende den Schlüssel für den neuen Wagen. Heute verlangt die Kundschaft oft anderes: Rundum-sorglos-Pakete fürs Elektroauto, Software-Updates oder Carsharing samt schnellem Zugriff auf Cityflitzer, Cabrios oder Kombis.

Künftig wollen Verbraucher vielleicht lieber per App Fahrdienste oder Robotaxis buchen. „Man kauft kein Auto mehr, sondern Zeit im Auto“, sagt Stefan Wenzel von der Innovationsberatungsfirma 3DSE. Der Wandel weg vom reinen Pkw-Verkauf hin zu Services rund um die Mobilität stellt die Geschäftsmodelle von Herstellern wie von Händlern auf den Kopf. Die einen müssen näher an den Kunden ran, die anderen fürchten erst um ihre Margen, am Ende aber um ihre Existenz.

Durch Online-Marktplätze und Digitalisierung geraten nicht nur Preise und Margen immer stärker unter Druck, sondern auch das lange erfolgreiche Modell der Zusammenarbeit: Der Hersteller baut das Auto, der Händler verkauft es. Der Vertrieb von teuren Wagen mit viel Sonderausstattung lässt bei beiden die Kasse klingeln.

Während der Hersteller sich selbst mehr Rendite zubilligt, kommt der Händler im Ersatzteil- und Servicegeschäft auf seine Kosten. „In der Werkstatt wird das Geld verdient“, heißt es in der Branche. Zudem kennt der Verkäufer seine Kunden.

Schon die Elektromobilität bringt das Gefüge ins Wanken, auch wenn die Fahrzeuge meist noch gekauft oder geleast werden. Wegen teurer Technik und kleiner Stückzahlen bleibt bei Fertigung und Vertrieb weniger hängen. „Für den Händler ist der Aufwand höher“, sagt Jan-Philipp Hasenberg von der Beratungsfirma Roland Berger. „Elektroautos sind zu Beginn erklärungsbedürftiger als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.“

Laden und Infrastruktur sind dabei wichtige Themen - die deutsche Reichweitenangst ist legendär. Auch der oft höhere Preis muss gerechtfertigt werden. BMW führte mit dem Stromer i3 spezielle Verkaufsberater mit dem Titel "Product Genius" ein, die Fragen rund um die Elektromobilität beantworten.

Sind die Kunden mit Technik und Fahrerlebnis nicht vertraut, braucht es meist mehr Probefahrten, um sie zu überzeugen. Der Händler müsse zudem in die Hochvoltfähigkeit seiner Werkstatt investieren oder in die Schulung seiner Mitarbeiter, sagt Autoexperte Hasenberg.

Auch wenn der Hersteller sich an den höheren Kosten beteiligt, dürfte es ein Draufzahl-Geschäft für den Vertrieb werden. Die Elektromobilität mache den Autohandel nervös, weil sie die Margenprobleme vergrößere, schildern Branchenkenner. Der Motor ist weit weniger komplex als bei einem Fahrzeug mit Verbrenner, damit braucht er auch weniger Wartung.

„Mit einem E-Auto macht eine Werkstatt etwa 35 Prozent weniger Teileumsatz im After-Sales-Geschäft“, sagt Hasenberg. „Außerdem entfallen hochprofitable Servicestunden.“

Knifflig wird es auch bei einem neuen Vertriebsweg, für den sich die Branche die Zauberformel „in-car-purchase“ ausgedacht hat: digitale Dienste auf Abruf. Per Klick-Kauf wie beim immer verfügbaren Online-Shopping kann der Kunde seine Karten fürs Navigationsgerät aktualisieren, mehr Motorleistung buchen, mehr Reichweite, Sonderdüfte für die Klimaanlage oder wie bei Tesla den Autopilot aktivieren.

„Viele Hersteller scheuen sich, die Voraussetzungen dafür, zum Beispiel Speicherplatz, im Auto vorsorglich zu schaffen, weil es aufwändig und teuer ist“, sagt Digitalisierungsexperte Wenzel. Wieviel Geld sich dereinst damit verdienen lässt, ist offen. Mancher Manager hofft auf satte zweistellige Renditen wie in lukrativen Service- oder Software-Geschäften.

Doch davon ist die Branche weit entfernt. Werden die Update- und Upgrade-Funktionen bei der Anschaffung des Fahrzeugs nicht gleich freigeschaltet, ist der Kaufpreis niedriger; Hersteller und Händler machen weniger Marge. Wer während der Nutzungszeit des Autos daran verdient, direkt mit dem Kunden in Kontakt tritt und dessen wertvolle Daten nutzen darf, müssen viele Konzerne und ihre Vertriebspartner erst austarieren. Experten sehen keine Bereitschaft der Autofahrer, viel Geld auszugeben.

Software-Sonderausstattung sei „ein unwiderstehlicher Nervenkitzel“, schwärmt Mercedes aber in einer Werbung und gibt sich optimistisch: „Die paar Cent sind kein großes Hindernis.“ Für die Anbieter wird das Geschäft ungewohnt kleinteilig, wenn einzelne Funktionen für einzelne Fahrten gebucht werden können. Obendrein müssen sie laufend neue Angebote liefern statt lediglich alle paar Jahre ein aufgehübschtes oder neues Modell.

Vollends verzwickt wird es für Hersteller und Händler, wenn der Kunde gar kein Auto mehr kauft, sondern es nur noch nutzt. Stolze Anbieter könnten womöglich zu Zulieferern und Zuarbeitern degradiert werden. Um das abzuwenden, experimentieren die Autobauer mit Dienstleistungen.

„Mobility as a Service (MaaS)“ heißt das Konzept, das öffentliche Verkehrsmittel und Angebote wie Carsharing, Ridesharing und Ridehailing (Mitfahr- und Privatchauffeurdienste) oder in Zukunft Robotaxiflotten verschränken soll. Quereinsteiger wie Uber und Lyft haben gezeigt, dass sie etablierte Geschäftsmodelle ins Schlingern bringen können.

Erfolgsverwöhnte Konzerne wie BMW und Daimler haben gelernt, dass es schon beim beliebten Carsharing nicht leicht ist, Geld zu verdienen. Die Autobauer müssen laut Experten erst Erfahrungen im direkten Kontakt mit Kunden sammeln. Das war bislang die Domäne der Händler - und dürfte sich dauerhaft ändern, wie Hasenberg sagt: „In digitalen Industrien ist der direkte Kundenzugang absolut zentral.“

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