Carsharing und Ridesharing in Deutschland Sie werden so schnell groß

In der Auto-Nation Deutschland sind die alternativen Mobilitätsmodelle in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Die Branche ist erwachsen geworden – und will nun auch die älteren Kunden locken.

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Mit kleinen Smarts ist Car2go in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Quelle: dpa

Die Zeit, in der Carsharing noch eine Alternative für Ökos und Studenten war, ist lange vorbei. Spätestens mit dem Einstieg der großen Autobauer hat sich der Markt gewandelt. In keinem anderen Land in Europa nutzen mehr Menschen alternative Mobilitätsmodelle als in Deutschland. 1,26 Millionen Deutsche sind mittlerweile bei den Carsharing-Diensten registriert, meldete zuletzt der Bundesverband Carsharing. Hinzu kommen Hunderttausende, die Ridesharing-Angebote wie Mitfahrzentralen nutzen. Doch bisher sind es weiterhin überwiegend junge Menschen, die eine Alternative zum eigenen Auto suchen.

Das soll sich ändern. Damit das Geschäft auch Gewinne abwirft, sollen neue Kundenschichten erschlossen werden. „Die Branche hat noch sehr großes Wachstumspotenzial", so Marco Gerrits, Partner von BCG. Vor allem, weil Carsharing am urbanen Mobilitätsmix derzeit noch einen Anteil von 0,1 Prozent hat. In einer Studie gehen die Unternehmensberater davon aus, dass der Wachstumskurs sich fortsetzen wird. Im Jahr 2021 rechnen sie mit etwas mehr als zwei Millionen registrierten Nutzern allein in Deutschland. Mit rund 3000 Fahrzeugen ist Berlin schon heute die Carsharing-Hauptstadt Europas. Deutschlandweit sind rund 16.100 Fahrzeuge in 537 Städten im Einsatz.

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Die Branche wird erwachsener – das spüren auch die Riesen. „Wir denken darüber nach, wie wir neue Modellreihen in die Flotte integrieren können“, sagt Roland Keppler, Chef von Daimlers Carsharing-Tochter Car2go. Bisher vermieten die Schwaben vor allem Smarts und einige B-Klassen. Marktführer DriveNow von BMW hat bereits 11 verschiedene Modelle im Angebot, die kurzfristig angemietet werden können - vom Mini Cabrio, über den elektrischen BMW i3 bis zum 2er Active Tourer. Für die Hersteller sind die Töchter eine geeignete Möglichkeit, um potentiellen Kunden die neuen Modelle nahezubringen. Im Schnitt wird ein Carsharing-Fahrzeug alle zwölf Monate ausgetauscht.

Während sich Riesen wie DriveNow und Car2go derzeit darauf konzentrieren, ihre Flotten und Geschäftsgebiete stärker an den Bedarf anzupassen und auf Rendite zu trimmen, gibt es in einigen Segmenten Impulse für neues Wachstum.

Insbesondere die Vermietung von Privatautos hat 2015 eine enorme Entwicklung genommen. Marktführer Drivy will das Angebot dieses Jahr noch erweitern – und so neue Kundenkreise erschließen. Seit Dienstag testen die Franzosen eine neue Technologie, die bald flächendeckend zum Einsatz kommen soll.

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Mit einer eingebauten Box sollen Privatautos sich künftig auch per Smartphone anmieten lassen – wie ein Auto von Car2go oder DriveNow. Im Laufe des Jahres soll die Anmietung mit wenigen Klicks möglich sein. Flexibilität ist wichtig, um wohlhabendere Kunden zu gewinnen. „Besonders Geschäftsreisende machen einen großen Anteil des Mietmarktes aus“, sagt Drivy-Chef Heiko Barnerßoi im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Die Professionalisierung des Marktsegments, das jahrelang von vergleichsweise kleinen Start-ups beherrscht wurde, ist in vollem Gange. Mit CarUnity ist auch der Autobauer Opel in den Markt eingestiegen. Das Modell, das zunächst im Rhein-Main-Gebiet beworben wurde, soll nun auch deutschlandweit wachsen.

Was Uber plant

Und auch in der Ridesharing-Branche vollzieht sich gerade ein Wandel. Die Plattformen, die jahrelang vor allem genutzt wurden, um günstige Mitfahrten für Studenten zu vermitteln, stellen sich neu auf. Blablacar, Deutschlands führende Mitfahrplattform, sorgte zum Jahreswechsel für Aufregung, als man im Interview mit dem Handelsblatt ankündigte, zunächst ein Online-Bezahlsystem und schließlich auch Gebühren einzuführen.

Mehr Verlässlichkeit und Vertrauen sollen auch ältere Kunden anlocken, die bisher noch davor zurückschrecken, in ein fremdes Auto zu steigen. „Wir nähern uns damit anderen, etablierten Verkehrsmodellen wie der Deutschen Bahn an“, sagt der deutsche Blablacar-Chef Olivier Bremer.

Nur in einem Segment hängt Deutschland international noch hinterher. Das regionale Ridesharing, also die Vermittlung von innerstädtischen Fahrten, entwickelt sich hierzulande deutlich langsamer als in anderen Ländern.

Das hoffnungsvolle Hamburger Start-up Wundercar hat sich mittlerweile in Wunder umbenannt – und Deutschland den Rücken gekehrt. Die Hamburger konzentrieren sich wegen der angespannten rechtlichen Situation auf den osteuropäischen Markt. Selbst internationale Riesen wie Uber kommen durch den Gegenwind der Taxibranche hierzulande kaum voran.

Mit den internationalen Erfolgen und viel Finanzkapital im Rücken hatte der amerikanische Ridesharing-Riese den deutschen Markt im Jahr 2014 ins Visier genommen. Vor einem Jahr wurde UberPop von den Gerichten gestoppt. Der Plan, Fahrten von Privatpersonen zu vermitteln, scheiterte. „Euphorisiert durch das Feedback unserer Nutzer sind wir bei unserem Start in Deutschland an der ein oder anderen Stelle zu forsch aufgetreten“, gibt Uber-Deutschland-Chef Christian Freese heute zu.

Mittlerweile konzentriert sich Uber darauf, nur noch Fahrten von zugelassenen Mietwagenunternehmern zu vermitteln. Doch selbst hier machte die Regulierung den Amerikanern einen Strich durch die Rechnung. Weil die Fahrer fehlten, musste sich Uber aus Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf zurückziehen. Heute sind die Amerikaner nur noch in München und Berlin vertreten. In Bayern vermitteln sie Limousinen und Mietwagen mit UberBlack und UberX, in der Bundeshauptstadt kann man über Uber ein Taxi bestellen. Dieses Jahr könnte das Angebot um UberPool erweitert werden. Ein Service, der Fahrgäste mit gleichem Fahrziel in Echtzeit zusammenbringt.

Ein Rückzug aus Deutschland ist für Uber keine Option. „Wir bleiben dran und müssen uns doppelt anstrengen, um die hohen regulativen Anforderungen zu erfüllen”, sagt Freese. 50 bis 60 Städte in Deutschland seien für Uber interessant genug, um dort ein Angebot zu etablieren. Man sei in konstruktiven Gesprächen, um die Kommunen von den Vorteilen des Ridesharings zu überzeugen „Wir sind keine direkte Konkurrenz zum Taxi“, sagt Freese, stattdessen verstehe man sich als Ergänzung zu anderen Verkehrsmitteln, wie beispielsweise Carsharing, Bikesharing und dem ÖPNV. „Wir aktivieren also eine völlig neue Nachfrage, indem wir eine neue und viel größere Zielgruppe bedienen“, sagt Freese.

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