Chemie- und Pharmaindustrie Zehn Milliarden Euro für neue Produkte

Deutschlands Chemie- und Pharmaindustrie baut ihre Forschung weiter aus – und investiert Rekordsummen in die Produktentwicklung. Aber womöglich ist das immer noch zu wenig, um im globalen Wettbewerb mitzuhalten.

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Die Chemie- und Pharmabranche investiert eine Rekordsumme in Forschung und Entwicklung neuer Produkte. Quelle: dpa

Frankfurt Soviel haben Deutschlands Chemie- und Pharmaunternehmen noch nie für Forschung und Entwicklung (F+E) ausgegeben: Die Ausgaben für die gesamte Branche beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 10,5 Milliarden Euro. Das sind rund vier Prozent mehr als im Vorjahr, und etwa ein Viertel mehr als im Jahr 2005.

„Die Ausgangslage für die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie ist damit gut“, sagt Thomas Wessel. Er leitet im Branchenverband VCI den Ausschuss für Forschung, Wissenschaft und Bildung und ist im Hauptberuf Vorstandsmitglied des Essener Spezialchemie-Konzerns Evonik.

Die Chemiebranche sieht er auch als Innovationstreiber für andere Industrien. Mit 5,6 Prozent Anteil am Umsatz ist die Forschungsintensität der Branche zwar etwas niedriger als im Bereich Fahrzeugbau (7,4 Prozent) und Elektrotechnik (6,6 Prozent). Dafür ist das Fundament etwas breiter: Drei Viertel aller Unternehmen in der Branche betreiben kontinuierliche Forschung. Auch im laufenden Jahr dürften die F+E-Ausgaben weiter steigen. Darauf jedenfalls deuten die bisherigen Bilanzdaten von Firmen wie Bayer, Merck oder Evonik.

Doch ungeachtet der hohen Investitionen und der soliden Basis wird es für die Branche womöglich schwierig, ihre Position zu verteidigen. „Die guten Zahlen dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen“, warnt Wessel. Es werde schwieriger, den Innovationsvorsprung zu halten. Der Chemiemanager weist darauf hin, dass Schwellenländer, insbesondere China ihre F+E-Anstrengungen massiv verstärken. Bereits 2013 hat China Deutschland in der reinen Chemieforschung (ohne Pharma) überrundet und von Platz drei – nach den USA und Japan – verdrängt.

Eine Herausforderung für die Branche besteht nicht zuletzt darin, ihre Forschungsinnovationen in Wachstum umzumünzen. Das gilt insbesondere für die Chemie im engeren Sinn, ohne Pharma. Sie hat ihre Forschungsausgaben seit 2005 zwar ebenfalls um rund ein Drittel auf 4,4 Milliarden Euro gesteigert, im gleichen Zeitraum nach Daten des VCI aber nur etwa vier Prozent Produktionswachstum und 21 Prozent Umsatzwachstum erzielt.

Hintergrund sind Einbußen im Bereich der Basischemie- und Kunststoffproduktion, die durch Zuwächse bei höherwertigen und forschungsintensiveren Spezialchemieprodukten nur knapp kompensiert werden konnten. Die deutsche Pharmaindustrie dagegen steigerte im gleichen Zeitraum ihre Produktion um rund 40 Prozent und den Umsatz um rund 30 Prozent.

Solche Zahlen deuten darauf hin, dass die Chemie letztlich noch höhere F+E-Ausgaben braucht, um ihr Geschäft mit innovativen Spezialprodukten auszubauen und ihre globale Marktposition zu halten oder verstärken.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund macht sich der VCI in einem Zwölf-Punkteplan dafür stark, die Rahmenbedingungen für Innovationen in Deutschland generell zu verbessern. Unter anderem fordert der Verband darin eine steuerliche Forschungsförderung in Deutschland, den Abbau regulativer Barrieren, schnellere Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, bessere Bedingungen für den Transfer von Technologien und Allianzen, und günstigere Bedingungen für die Wagniskapital-Finanzierung.

Wessel appelliert daher an die Bundesregierung, das vereinbarte Wagniskapitalgesetz endlich auf den Weg zu bringen. Was die Forschungsförderung angeht, spricht sich der Verband dafür aus, dass künftig zehn Prozent der eigenfinanzierten Forschungsausgaben von der Steuerschuld abgezogen werden können, ähnlich wie dies auch in vielen anderen Ländern – darunter die USA, Großbritannien Frankreich und China – der Fall ist.

In einer Langfristprognose geht der VCI davon aus, dass die F+E-Ausgaben der chemisch-pharmazeutischen Industrie bis 2030 auf rund 16,5 Milliarden Euro ansteigen werden, wobei sich der Anteil der Pharmaforschung allerdings von 60 auf etwa 65 Prozent erhöhen dürfte.

Im globalen Innovationswettlauf kann die Branche damit allerdings nur knapp mithalten. Der Anteil Deutschlands an den weltweiten F+E-Ausgaben im Bereich Chemie und Pharma wird nach Erwartung des Verbands vielmehr von derzeit 6,8 auf 6,4 Prozent zurückfallen. Aber immerhin: seine Position als viertgrößter Forschungsstandort für Chemie- und Pharmaprodukte dürfte Deutschland bis 2030 noch halten.

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