Chemieindustrie Klimakiller CO2 soll zum Super-Rohstoff werden

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Deutsche Firma stellt synthetischen Öl-Ersatz her

„Kohlendioxid ist ein sehr interessante Kohlenstoff-Quelle“, sagt Markus Steilemann, der designierte Vorstandsvorsitzende von Covestro. Der Konzern forscht intensiv an weiteren Anwendungen und will die Nutzung zum Geschäft im größeren Stil machen. So könnte CO2 auch bei der Produktion von Hartschäumen für Dämm-Material oder bei Vorprodukten von Fasern zum Einsatz kommen.

Das Recycling von Kohlendioxid klingt bestechend einfach. Doch von der Nutzung im großen industriellen Maßstab ist das Verfahren noch weit entfernt. Es ist deutlich teurer als die Chemieproduktion auf Rohölbasis. Die gesamte Chemieindustrie ist auf die Nutzung fossiler Rohstoffe ausgerichtet und hat dafür kostengünstige Anlagen aufgebaut. In Zeiten billigen Öls sind alternative Verfahren schwer durchsetzbar.

Dazu kommen die technischen Herausforderungen. CO2 muss aus der Luft „eingefangen“ werden. Zum anderen braucht die Umwandlung eine große Menge Energie. Covestro hat das Problem durch einen selbstentwickelten Katalysator gelöst. Entscheidend für die Ökobilanz der CO2-Nutzung im großen Stil wird jedoch sein, ob ausreichend preiswerte Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht.

Das gelingt derzeit vor allem an Standorten, die stabil mit Energie aus Wasserkraft versorgt werden – beispielsweise in Norwegen und Kanada. Dort bauen junge Unternehmen derzeit kommerzielle Anlagen für Kraftstoffe, die nicht aus Erdöl gewonnen werden. In Norwegen etwa werden ab dem Jahr 2020 jährlich 8000 Tonnen eines umweltfreundlichen Erdölersatzes namens „Blue Crude“ produziert. Blue Crude ist eine Entwicklung der deutschen Firma Sunfire aus Dresden. Der synthetische Stoff wird aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt und ist nach Angaben des Unternehmens vergleichbar mit Erdöl. Vorprodukte für Turnschuhe, Kunststoffe, Smartphones oder Kaugummi könnten aus Blue Crude hergestellt werden. Dazu müssten die Produktionsanlagen der Chemieindustrie nicht erneuert oder angepasst werden, heißt es weiter.

Experten wie Nova-Institut-Chef Carus sehen das größte Potenzial in der Kraftstoffnutzung. Die Luftfahrt etwa wird auf absehbare Zeit nicht ohne Kerosin auf Kohlenstoffbasis auskommen, ähnliches gilt für die Schifffahrt. Doch die Treibstoffe könnte aus CO2 wesentlich umweltfreundlicher gewonnen werden. Auch hier zeigt sich allerdings: Synthetischer Erdölersatz ist noch deutlich teurer als das Original aus der Erde.

Zweite Herausforderung ist das „Einfangen“ des Kohlendioxids. In der Erdatmosphäre gibt es den Stoff in großen Mengen, doch die Gewinnung ist teuer. Einfacher und billiger ist es, das CO2 direkt bei den Verursachern abzugreifen und zu reinigen – also etwa an großen Industriestandorten.

Wie das im großen Stil gehen könnte, wird wieder in Nordrhein-Westfalen gezeigt. Der Essener Stahlhersteller Thyssen-Krupp hat gemeinsam mit 17 Partnern aus der Branche, der Chemieindustrie und Wissenschaft das Projekt „Carbion2Chem“ gestartet. Ziel ist es, die Abgase aus den Stahlhütten aufzufangen und das CO2 zurück in den Wirtschaftskreislauf zu bringen. Aus 20 Millionen Tonnen des jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes der deutschen Stahlbranche sollen in Zukunft Chemikalien und Kraftstoffe entstehen.

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